Überarbeitete HBO § 51 (Dachaufstockung, Dachausbau)

peters

Guten Tag Zusammen,

die überarbeitete HBO vom Oktober 2025 möchte mit § 51 "Wohnungen", die Aufstockung bzw. den nachträglichen Ausbau von Dachgeschossen erleichtern. Dazu werden, unter bestimmten Umständen, die §§ 30, 32 - 35, 37 und 38 Abs. 4 + 8 (tragende Wände, Stützen, Außenwände, Trennwände, Brandwände, Decken, Dächer, Treppen, Treppenraum-Wände, oberer Abschluss, etc.) außer Kraft gesetzt. Was bedeutet das für den Brandschutznachweis? Bestehen an die genannten Bauteile keine Anforderungen mehr? Gilt das auch für die entsprechenden Schutzziele? (z.B.: Decken müssen als tragende und raumabschliessende Bauteile zw. Geschossen ausreichend lange standsicher und widerstandsfähig gegen die Brandausbreitung) sein. Oder muss ich, wie bisher, doch nachweisen, dass die Schutzziele eingehalten sind, nur keine Abweichungen von materiellen Anforderungen mehr formulieren?
Architekten und Bauherren meiner Projekte, die in diesen Anwendungsbereich fallen, freuen sich bereits, dass keine Anforderungen mehr bestehen. Ich bin der Auffassung des die Erfüllung der Schutzziele der genennten Bauteile in der Regel noch immer nachgewiesen werden müssen und einzelne Bauteile ggf. auch ertüchtigt werden müssen. Ganz sicher bin ich mir dessen aber nicht? Was meint Ihr dazu?
Gruß
J. Peters

Karstens

Von der Änderung der Gebäudeklasse ist in der HBO in b) selbst die Rede.

(5) 1Werden rechtmäßig bestehende Gebäude zur Schaffung von Wohnraum erstmals um ein Ge-
schoss aufgestockt, gilt dass
a) auf bestehende Bauteile die §§ 30, 32 bis 35, 37, 38 Abs. 4 bis 8 und 39 nicht anzuwenden sind,
b) im Geschoss der Aufstockung die Anforderungen an tragende und aussteifende sowie raumab-
schließende Bauteile der bisherigen Gebäudeklasse gelten,.....

peters Oder muss ich, wie bisher, doch nachweisen, dass die Schutzziele eingehalten sind, nur keine Abweichungen von materiellen Anforderungen mehr formulieren?

So sehe ich das. Die Abweichungen von den betreffenden Bauteilen würde ich im Brandschutznachweis aufführen und jeweils Begründen, sodass dafür kein Abweichungsantrag nötig wird. Solche Aufstockungen waren ja auch früher schon möglich und wurden per Abweichungsantrag genehmigt, oder auch nicht? Wo wäre jetzt praktisch eine Erleichterung? Wohnraum schaffen will man in der Politik jedenfalls schon lange.

Wenn sich wegen nur einem Geschoss mehr die Gebäudeklasse ändert, müssen die dann höheren Anforderungen also nicht erfüllt werden, weder als Aufrüstung im Bestand noch bei der aufgestockten Etage. Das bedeutet, dass der Planer die Anforderungen der bisherigen Gebäudeklasse übernimmt. Dafür muss er sie kennen. Sie müssen ja im Bestand vorhanden sein. So kann man nicht blind "einen drauf setzen". Dafür ist man Ingenieur. Die Architekten oder Fachplaner sollten sich nicht freuen, als ob keine Anforderungen mehr bestehen, nur weil das Verfahren vereinfacht wurde. Vielleicht wird es schneller gehen. Billiger oder bezahlbarer wird es wohl nicht. Aber: Viele Tage oder Jahre hing man denn bisher an Abweichungsanträgen fest?

peters Ich bin der Auffassung des die Erfüllung der Schutzziele der genennten Bauteile in der Regel noch immer nachgewiesen werden müssen und einzelne Bauteile ggf. auch ertüchtigt werden müssen. Ganz sicher bin ich mir dessen aber nicht? Was meint Ihr dazu?

Herr Peters, welche Ertüchtigungen für einzelne Bauteile stellen Sie sich vor. Geben Sie vielleicht mal Beispiele herein. Wenn Decken im Bestand nicht mal feuerhemmend sind? Wenn man das sieht oder weiß, wäre es m.E. sowieso kritisch. Wenn Geschossdecken Löcher haben, bzw. Durchführungen ohne Abschottung? Das ist in Altbauten regelmäßig der Fall, ohne dass man nachbessert.
Mit Bezug auf den Beitrag oben von Herrn Müller: Wie weisen Sie, Herr Peters oder sonstwer, im Brandschutznachweis Bauteile nach?

MfG. G.Karstens

WernerMueller

Hallo Peters,

1) Geschrieben steht: "Werden [...] Gebäude [...] erstmals um ein Geschoss aufgestockt, gilt dass [...] auf bestehende Bauteile [div. §§] nicht anzuwenden sind"

Gemeint ist: Bei der ersten Aufstockung erfolgt (umgangssprachlich) kein "Gebäudeklassenwechsel". Bestehende Bauteile müssen nicht angepasst werden; neue Bauteile -wie bisher- den Anforderungen entsprechen.

2) Schutzziele: Der Nachweis der Einhaltung von Schutzzielen war bislang doch gar nicht erforderlich. Du schreibst im BSN doch nur, dass z.B. das Tragwerk den Anforderungen entspricht (z.B. feuerbeständig ist). Das Schutzziel aus § 30 (1) HBO ist damit eingehalten; das muss man doch nicht extra erläutern. Eine Ausnahme stellen Abweichungen dar: Nur dort bedarf es einer Erläuterung, dass mit der gewählten Lösung (z.B. Tragwerk feuerhemmend statt feuerbeständig) das Schutzziel ("ausreichend lange standsicher") trotzdem erreicht wird.

Hilfreich zum Verständnis: Gesetzesbegründung siehe hier: https://starweb.hessen.de/cache/DRS/21/0/02380.pdf, ab Seite 15 unten, Zitat:

"Zu § 51 Abs. 5
Zur Vereinfachung der Schaffung von neuem Wohnraum sollen die Aufstockung bzw. der Dachgeschossausbau von Bestandsgebäuden umfassend erleichtert werden. Hierzu werden privilegierende Regelungen getroffen, die auf ein dem Bestandsgebäude angemessenes bauordnungsrechtliches Sicherheitsniveau abzielen ohne die entsprechenden Bauvorhaben unmöglich zu machen.
Die Privilegierungen werden dabei auf die einmalige Aufstockung um nicht mehr als ein Geschoss
bzw. auf den Ausbau eines Geschosses begrenzt.

Satz 1 Buchst a) regelt für den bestehenden Teil des Gebäudes, dass die §§ 30 bis 35, 37, 38
Abs. 4 bis 8, 39 keine Anwendung finden. Die Ausnahme von den genannten Bestimmungen dient
der Abgrenzung des Bestandschutzes, der Eingrenzung von Ertüchtigungsmaßnahmen und somit
der Planungssicherheit. Vorschriften über die Ausgestaltung von Rettungswegen nach den §§ 36
und 38 Abs. 1 bis 3 sind von der Ausnahme nicht erfasst und sind auch im Zuge der Aufstockungsvorhaben oder Dachgeschossausbauten regelmäßig zu beachten."

Gruß
Werner Müller

Feuerpatsche

WernerMueller Bei der ersten Aufstockung erfolgt (umgangssprachlich) kein "Gebäudeklassenwechsel"

Hallo zusammen,
jetzt kann man "umgangssprachlich" zwar verschieden interpretieren, die Gebäudeklasse wechselt jedenfalls schon! Lediglich die Anforderungen erhöhen sich nicht.

Grüße

vonhof

Der eigentliche Knackpunkt ist doch eigentlich der hier:

Karstens Werden rechtmäßig bestehende Gebäude

Der erste Schritt ist also erst einmal, den Bestandsschutz sicher nachzuweisen. Das kann im Einzelfall schwierig bis unmöglich sein. Vor einem solchen Beleg sollte man nicht damit beginnen, den Brandschutz zu planen. Da wird bestimmt in Zukunft auch das eine oder andere Gericht bemüht werden...

Karstens Das bedeutet, dass der Planer die Anforderungen der bisherigen Gebäudeklasse übernimmt. Dafür muss er sie kennen. Sie müssen ja im Bestand vorhanden sein.

Nein, die Anforderungen aus der Gebäudeklasse müssen im Bestand nicht vorhanden sein. Das ist ja der Trick an der Geschichte. Die Formulierung lautet im Wortlaut: im Geschoss der Aufstockung gelten die Anforderungen der bisherigen Gebäudeklasse. Der Sachbezug liegt damit nur auf dem Umbaugeschoss und nur auf der Gebäudeklasse, nicht aber auf den Bauteilen im Bestand. Der Bestand bleibt, wie er ist, und ihn interessiert auch niemand. Wenn etwa im Bestand Holzbalkendecken vorhanden sind, heißt das, die Decken bleiben unverändert im Bestand, auch wenn sie heute hochfeuerhemmend sein müssten (= a)). Aber für eine neue Decke zur Aufstockung muss die (abgeminderte) Feuerwiderstandsdauer nachgewiesen werden (=b)).

Gruß
Alexander Vonhof

Karstens

vonhof
Hallo Herr Vonhof,
ich weise keinen Bestandsschutz nach, denn das wäre doch eine Rechtsfrage. Man vermutet, dass alle Häuser an den Straßen und in den Städten rechtmäßig stehen. Wenn aufgestockt werden soll, untersucht man den Bestand, also die Konstruktion und die Baustoffe in Hinsicht auf die weitere Standsicherheit und kann dabei Erkenntnisse zum Brandschutz gewinnen. An Geschossdecken kann man Stichproben machen. An der oberen Decke muss man es. Die Decken bleiben wie vorher und die neue obere Geschossdecke wird dann normgemäß oder nach Prüfzeugnis beplankt. Das lässt sich u.U. von oben über der bewohnten Ebene ausführen (Promat).
Nur: Wenn man beispielsweise Bauteile nicht kennt, kann man im Brandschutznachweis keine Klasse hineinschreiben. Wenn wir nur die Aufstockung betrachten, brauchen wir immer noch die Standsicherheit incl. der Aussteifung des Hauses im Brandfall. Ich betrachte ein Haus immer als Ganzes und auch den Brandschutznachweis. Das heißt nicht, dass ich beispielsweise Decken aufrüsten wollte. Das war die Rückfrage an Herrn _Peters.

MfG. G. Karstens

vonhof

Hallo Herr Karstens,

es zwingt Sie ja auch niemand, den § 51 Abs. 5 HBO anzuwenden, wenn sie nicht wollen. Aber wenn Sie erst gar nicht prüfen (lassen), ob die Erleichterung in Betracht kommt, weil Bestandsschutz gilt, haften Sie natürlich gegenüber dem Bauherren für den Vermögensschaden, der ihm entsteht, wenn Sie das volle Programm auffahren, obwohl es nicht notwendig gewesen wäre. Wenn Sie sich nicht zutrauen, Bestandsschutz festzustellen, dann müssen Sie den Bauherrn veranlassen, Ihnen gegenüber darauf zu verzichten (Beratung, Aufklärung über die Folgen), oder er soll eine Expertise von anderer Stelle einzuholen (Ihrer Meinung nach wohl von einem Rechtsanwalt).

Das ist das Schöne am Bürokratieabbau: Nur der Staat wird schlanker. Die Verantwortung auf der Gegenseite wird größer.

Ach ja, zum Thema "Vermutung". Nein, Sie können Bestandsschutz nicht "vermuten" oder "annehmen". Der Bauherr muss belegen können, dass seine bauliche Anlage rechtmäßig errichtet wurde. Das ist eine Bringschuld des Eigentümers.

Schöne Grüße
Alexander Vonhof

Karstens

Hallo Herr Vonhof,
ich habe mich wohl unklar ausgedrückt. Ich will ganz und gar nicht ein Haus auf die neue Gebäudeklasse aufrüsten, wenn es nur aufgestockt werden soll. Ich will nur wissen was als Substanz da ist, wenn ich Baubeteiligter bin und Verantwortung trage. Und den Zustand, Defizite und etwaige Differenzen zum heutigen Anforderungen will ich dann dem Eigentümer mitteilen. Sicherlich sagt der dann, was ich nicht ändern muss, das bleibt so. Einen Rechtsanwalt brauchen wir dafür nicht.

Die Frage zum Bestandsschutz muss man erst klären, wenn jemand zweifelt, wenn es Widerstand gibt. Um einen Bestandsschutz klären zu können, müsste man doch auch die Substanz kennen lernen.
Bauunterlagen gibt es für alte Häuser meistens nicht oder sie sind im Krieg verloren gegangen oder verbummelt worden. Wenn etwas gefunden wird, sind es meistens nur Fragmente. Mit nichts oder mit Fragmenten kann man Bestandsschutz allenfalls nur dahingehend belegen, dass das betreffende Haus als solches dort stehen darf. Ansonsten kann man ggf. die betreffende alte Bauordnung heranziehen. Dann sind wir beim Vermuten und weiter geht es mit: "Ich gehe davon aus, dass ..." oder "das machte man damals in dieser Region i.A. so...." Solange niemand etwas dagegen hat, kann ich den Bestandsschutz für Gebäude oder Teile davon vermuten. Was der Bauherr belegen kann, finde ich immer interessant, aber ansonsten interessiert dieser Bestandsschutz doch niemanden solange es keinen Streit darüber gibt, wenn ein Bauteil nicht aufgerüstet wird.

Zum Bürokratieabbau und Verantwortung: Ich denke, die Verantwortung steigt praktisch nicht, wenn ich als Nachweisberechtigter etwas vorgebe, wofür ich früher eine Abweichungsgenehmigung brauchte. Verantwortung hat man im Beruf. Ein Risiko verringert man, wenn man weiß was man tut. Man weiß etwas wenn man lernt. Ich lerne auch hier im Forum im Dialog dazu.

MfG. G. Karstens