Anleiterung Schiebleiter : Seite 2 - brandschutzfachplaner.de

Anleiterung Schiebleiter

firefly

Ich weiß schon, wir driften wieder von Thema ab...

Wenn wir also auf das Schreiben der damaligen Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innnern vom 25.07.2011 Bezug nehmen, ist in meinem Beispiel wohl die erhebliche Gefahr nach BayBO nicht gegeben, da ja der bauliche Rettungsweg (1.RW) über den notwendigen Treppenraum mängelfrei ist.

Dennoch gibt es hier viele "Aber..."!

Aber 1.: Selbst wenn der erste Rettungsweg über den notwendigen Treppenraum einwandfrei ist, gilt, wie wir erneut gehört haben: "Der Rettungsweg Treppenraum wird bei Eindringen von Rauch immer unbrauchbar, egal ob mit RA oder ohne" und "Im Ergebnis dient die Entrauchung im Treppenraum im Wesentlichen der Abführungen von Rauchgasen nach Beendigung der Löscharbeiten",

Aber 2.: Für den herausgerückten Baukörper meines Beispiels fehlt aufgrund der sehr nahen Trambahn-Oberleitung der zweite Rettungsweg, die Baugenehmigung wurde hier seinerzeit zu Unrecht ausgesprochen - und bisher nicht zurückgezogen,

Aber 3.: Ohne den zweiten Rettungsweg müsste man bei ausgefallenem ersten Rettungsweg (unbrauchbar nach Eindringen von Rauch) unterstellen, dass sich die Anwesenden, außerhalb der vom Brand betroffenen NE, im Gebäude besonnen verhalten, den verrauchten Treppenraum nicht betreten und so lange warten, bis die Feuerwehr den Treppenraum nach Beendigung der Löschmaßnahmen wieder freigibt,

Aber 4.: Ein Gerichtsurteil des VG Minden vom 28.01.22 (1 K 4844/18) hat gerade erst wieder bestätigt, dass die Baugenehmigung für die Teilung einer Wohn-NE im DG eines Bestandsgebäudes (DG nur mit dreiteiliger Schiebeleiter anleiterbar) ohne Ausweisung einer Aufstellfläche für ein Hubrettungsfahrzeug der Feuerwehr (Drehleiter) zurecht versagt wurde,

Formal kann also der Antrag auf Teilung einer mit der dreiteiligen Schiebeleiter anleiterbaren Wohn-NE im DG eines Bestandsgebäudes wegen "Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Menschen" nur dann genehmigt werden, wenn eine Aufstellfläche für ein Hubrettungsfahrzeug ausgewiesen wird (d.h. der zweite Rettungsweg ertüchtigt wird).

Zum Urteil wäre übrigens noch anzumerken, dass eigentlich sogar zwei Aufstellflächen ausgewiesen werden müssten, denn es wurde ja extra hervorgehoben, dass "aufgrund des Umbaus erstmalig sowohl an der Vorder- als auch an der Rückseite des Gebäudes angeleitert werden müsse" - und das wäre von der Feuerwehr mit einer dreiteiligen Schiebeleiter nicht zu leisten "ohne die Fähigkeit der Feuerwehr, wirksame Löscharbeiten durchzuführen, zu beeinträchtigen".

Doch die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innnern (inzw. Bay. StMB) sieht bereits keine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit mehr, falls der zweite Rettungsweg fehlt, aber der erste Rettungsweg wenigstens einwandfrei (mängelfrei) ist...

firefly

Noch ein paar Sätze aus dem Gerichtsurteil des VG Minden vom 28.01.22 (1 K 4844/18)

"Die Beklagte [d.h. die untere Bauaufsichtsbehörde] war im vorliegenden Fall befugt und auch verpflichtet, die Einhaltung der Brandschutzbestimmungen zu prüfen. Dass die streitgegenständliche Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren [...] zu erteilen ist, steht dem nicht entgegen.

[...]

Jedoch ist die Bauaufsichtsbehörde auch dann befugt, Brandschutzbelange zu prüfen, wenn sie Rechtsverstöße erkennt, die außerhalb ihrer obligatorischen Prüfungspflicht liegen. Sie ist hierzu sogar verpflichtet, wenn - wie hier - die Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Menschen droht oder brandschutzrechtlich relevante Maßnahmen alleiniger Genehmigungsgegenstand sind.

Es besteht nämlich kein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung, bei deren Ausnutzung offenkundig ein Verstoß gegen Vorschriften des öffentlichen Baurechts eintreten würde und dessen Verwirklichung daher sofort mit einer Baueinstellungsverfügung, einem Nutzungsverbot oder einer Beseitigungsverfügung repressiv unterbunden werden müsste. Folglich hat die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren auch bei offensichtlichen Verstößen gegen nicht prüfpflichtige Vorschriften Maßnahmen zu ergreifen, die ein späteres repressives bauaufsichtliches Einschreiten gegen ein dem materiellen Recht widersprechendes Vorhaben entbehrlich machen."

vonhof

Die vielen abers sind alle richtig, aber... ;-)...

Das Urteil vom VG Minden geht an der Sache vorbei, wie ja auch RA Koch schon im FeuerTrutz grob angemerkt hat. Wie kommt es zu solchen Urteilen? In NRW hat immer die Bauaufsicht oder die Feuerwehr recht, egal was im Gesetz steht. Die Bauordnung oder Verordnungen sind nur so eine Art Empfehlung, an die sich nur der Bauherr halten muss, aber niemals eine Behörde. Selten geht in NRW so ein Verfahren anders aus (eher sehr selten).

In dieser Richtung empfehle ich daher eher, und damit sind wir auch wieder in Bayern, als sachgerechtes Urteil das hier: VG München, Beschluss v. 09.02.2017 – M 8 S 16.5936.

Leitsatz: Das Vorliegen einer konkreten Gefahr in Bezug auf den Brandschutz wird dann zu bejahen sein, wenn die nach Art. 31 Abs. 1 BayBO für Nutzungseinheiten mit Aufenthaltsräumen regelmäßig geforderten zwei unabhängigen Rettungswege überhaupt nicht vorhanden sind oder wenn nur ein

Rettungsweg vorhanden und mit Mängeln behaftet ist, die im Brandfall mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit zur vorzeitigen Unbenutzbarkeit führen.

Inhaltlich hat das VG München frei zusammengefasst gesagt, auch wenn kein zweiter Rettungsweg vorhanden ist, aber der mangelhafte Treppenraum so ertüchtigt wird, dass er irgendwie halbwegs funktioniert, liegt keine erhebliche Gefahr mehr vor. Selbst dann nicht, wenn der Treppenraum dann nicht in allem dem aktuellen Baurecht entspricht.

Der Beschluss in München ist Rechtsprechung im eigentlichen Sinne, nämlich das Bemühen des Gerichts, dem konkreten Regelwerk einer Gesellschaft Geltung zu verschaffen. Und nicht einem frei erfundenen, wie so oft in NRW.

Viele Grüße

Alexander Vonhof

firefly

"Das Fehlen des gesicherten ersten und zweiten Rettungsweges im Sinne des Art. 31 BayBO begründet nach Einschätzung der Kammer ohne weiteres eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Bewohner, Besucher und sonstiger Personen, die sich in dem Gebäude aufhalten (vgl. hierzu auch Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 25.7.2011 - IIB7- 4112.420-013/11, S. 2 Ziffer 1.2). Dabei bedarf es keiner tiefergehenden Erörterung, wie hoch oder niedrig die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Brandes ist."

Das hört sich irgendwie nach der Obersten Baubehörde an, aber kein Wunder, denn das VG München verweist auch auf das Schreiben der Obersten.

Benutzer_3714

Hallo zusammen,

in eine für Bayern ungewohnte Richtung geht ein Urteil vom März 2020 des VG Regensburg (Az. RN 6 S 19.2531):

"Derzeit ist vor dem Hintergrund der Feststellungen [...] von einer erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit i.S.d. Art. 54 Abs. 4 BayBO auszugehen, weil für das streitgegenständliche Appartement der zweite Rettungsweg nicht ausreichend gesichert ist."

Und weiter:

"Diese Bewertung deckt sich auch mit dem vom Antragsteller angesprochenen

Schreiben der Obersten Baubehörde des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 25. Juli 2011 (Az. IIB7-4112.420-013/11, S. 2, Ziff. 1.2), wonach beispielhaft von einer erheblichen Gefahr in Bezug auf den Brandschutz unter anderem dann auszugehen ist, wenn die nach Art. 31 Abs. 1 BayBO für Nutzungseinheiten mit Aufenthaltsräumen regelmäßig geforderten zwei unabhängigen Rettungswege überhaupt nicht vorhanden sind oder wenn nur ein Rettungsweg vorhanden und mit Mängeln behaftet ist, die im Brandfall mit hinreichend großer Wahrscheinlichkeit zur vorzeitigen Unbenutzbarkeit führen."

Man muss allerdings beachten, dass es in diesem Fall um eine Beherbergungsstätte ging und die Auflagen des Genehmigungsbescheids zu den Rettungswegen nicht umgesetzt waren.

firefly

Das Urteil des VG Regensburg vom März 2020 (RN 6 S 19.2531) nur darauf zu reduzieren, dass von einer erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit auszugehen ist, weil für die Appartements der zweite Rettungsweg nicht ausreichend gesichert ist, halte ich für problematisch. Denn hier war ja bereits jew. der erste Rettungsweg mängelbehaftet und der zweite Rettungsweg teilweise nicht vorhanden. Außerdem hätten sehr viele kleine Appartements einzeln angeleitert werden müssen!

Von daher bin ich auch nicht der Meinung, dass das ein bayerisches Urteil in ungewohnter Richtung ist, sondern sich durchaus mit der Aussage der Obersten von 2011 deckt.

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