@Frank Borgert
"Was unterscheidet denn den Discounter mit 1000 m? von dem IndBau mit 1790 m??"
Ich sehs so:
-In der Industriehalle habe ich zumindestens eine wirksame Entrauchung bis 1600m? über entsprechende Öffnungen, darüber hinaus mit RWA
-Eine Stahlkonstruktion des Daches kann zwar auch schlagartig einstürzen, i.d.R. ist das Zeitfenster für eine Erkundung gerade in der Entstehungsbrandphase übersichtlicher. Die bei Discountern verwendeten Nagelplattenbinder sind nicht sichtbar wegen der Unterdecke und stürzen bei Versagen eines Bauteils ohne Vorwarnung komplett ein.
-Die Personendichte im Discounter ist größer als in einer Industriehalle
-Die Verrauchung innerhalb eines Discounters erfolgt deutlich schneller aufgrund des geringeren Raumvolumens.
-Lagerbereiche sind für mich eine andere Nutzung als Verkaufräume. Ein Blick ins Lager während Aktionsverkäufen oder in der Weihnachtszeit zeigt, dass dort eben nicht die gleiche Brandlast, Übersichtlichkeit, Zugänglichkeit vorhanden ist wie im Verkaufsraum.
Würde in einer Industriehalle verkauft, würde aufgrund der unterschiedlichen Nutzung dort eine brandschutztechnische Trennung erforderlich.
-Die beleuchteten Ausgangskennzeichnungen müssen kommen, Rechtsgrundlage hier ist aber das Arbeitsrecht.
"Nebenbei, gibt es eigentlich Erkentnisse über die Lage der Dachkonstruktion nach einem Versagen? Lag das auf dem Boden oder wurde sie von der Regalierung aufgehalten? Sprich, wenn ein AT sich kriechend bewegt, wird der überhaupt getroffen?"
Ich will doch nicht hoffen, dass Sie die Regalierung ernsthaft als "Sicherheitseinrichtung" in Erwägung ziehen?
Aber ja, einige Bilder lassen darauf schließen, dass sich nach dem Einsturz größere Hohlräume an den Regalen bilden.
Im Übrigen möchte ich ja andere Denkweisen und Argumente verstehen, daher stelle ich ja die Anfrage.
Möglicherweise sind unterschiedliche Sichtweisen zwischen Planer- und Genehmigungsseite systemimmanent?!? Das sagt aus meiner Sicht noch nichts über richtg und falsch des einen oder anderen aus.
@ Herr Vonhof
"Was "große Sonderbauten" anbelangt: Für diese Gebäude können weitergehende Anforderungen gestellt oder (nicht vergessen) Erleichterung gestattet werden. Ansonsten gilt aber immer noch das Sicherheitsniveau der Bauordnung, und da sehe ich nicht, was an einem Discounter großartig anders sein soll als bei anderen Objekten."
Was die Möglichkeit von Erleichterungen angeht, haben Sie sicher recht, die vergisst die Genehmigungsbehörde gern mal.
Andererseits ist meine Erfahrung, dass umgekehrt die Planerseite dafür gerne die weitergehenden Anforderungen ausblendet.
Ich tu mich schon schwer damit, einen großen Sonderbau ohne jeglichen Brandschutz zu akzeptieren mit der Begründung, es gelte die Bauordnung.
Die Bauordnung ist in erster Linie für den Wohnungsbau und Büro/Verwaltungsbau gedacht und legt für diese Nutzung das Mindetssicherheitsniveau fest. Ein einfacher Verweis auf die Geltung der BauO ist doch für die brandschutztechnische Betrachtung eines Sonderbaus etwas zu wenig?
Wenn ich nach §54 BauO NRW weitergehende Anforderungen stelle, sind die (so hoffe ich zumindest) genauso gut begründet wie die Begründung des Planers im Hinblick auf Erleichterungen. Daraus ergibt sich naturgemäß ein Spannungsfeld, das nicht immer mit richtig oder falsch in der einen oder anderen Richtung zu bewerten ist.
2009 laufen diverse Sonderbauverordnungen in NRW aus und werden nicht verlängert. Meine Befürchtung ist, dass viele bewährte Anforderungen an den Brandschutz dann ohne große Not aufgegeben werden und eine Verschärfung erst wieder eintritt, wenn die großen Schadensfälle auftreten.
Bis sich die Auswirkungen einer solchen Entwicklung zeigen, gehen vielleicht Jahrzehnte ins Land, geht uns dann vermutlich nichts mehr an. das gegensteuern dauert dann ebenso lang und kostet dann Unsummen, es sei denn, man akzeptiert politisch generell höhere Schäden.
In diesem Spannungsfeld versuche ich (und meine Kollegen) als Brandschutzdienststelle einen Weg zu finden, der nicht ohne Not bewährte Maßnahmen aufgibt, aber neuen Entwicklungen aufgeschlossen gegenüber steht. Da bleibt eine konträre Diskussion nicht aus. Sie führt (hoffentlich) mittelfristig auch zu etwas mehr Klarheit.
Wer nicht diskutiert, geht vielleicht den leichteren Weg.
Gruß
Matthias Bußmann