Moin Forum,
schön, dass dieses Thema endlich mal (oder besser: mal wieder) auf dem Plan ist. Beim Durchlesen der Beiträge musste ich manchmal schmunzeln, da hier viele Erfahrungen und Diskussionen niedergeschreiben wurden, die ich selbst erlebt habe. Ich habe in meiner Architektenlaufbahn bisher ca. 20 Märkte in der Kategorie 700-1200 m2 Verkaufsfläche geplant. Die brandschutztechnischen Bemessungen sind von früher F-N (=F-Nix) zu heute mit RWA, BMA und Abschottungen ohne Ende angewachsen.
Um eines meinem "Frevelbeitrag" vorwegzuschicken: Dieser Betrag gilt nur für die freistehenden, ebenerdigen Maärte.
Man muss sich doch mal die Frage stellen, welche Anforderungen, und vor allen Dingen in welchen Zusammensetzungen sie Sinn machen.
Ich beginne mit der Forderung nach einer RWA. Die RWA berechnet sich nach DIN 18232. DIN 18232 sieht eine Mindestberechnungshöhe der raucharmen Schicht von 2,5m vor. Es verbleibt bei einer Raumhöhe von 3,0m bis 3,2m eine Rauchschicht von 50cm bis 70cm. Das ergibt eine Riesenmenge an notwendigen Kuppeln auf dem Dach. Die Alternative ist eine MRA, die dann zumindest mit weniger Kuppeln auskommt.
Weiterhin müssen auch entsprechend Zuluftöffnungen vorgesehen werden, denn ohne Zuluftöffnungen funktioniert eine RWA nicht effektiv. Die übliche Windfanganlage und Notausgangstüren reichen dafür nicht. D.h. es müssen weitere öffenbare Fenster vorhanden sein! Welcher Markt hat diese Voraussetzungen? Wie sollen diese Vielzahl an Öffnungen gegen Einbruch und Fehlallarm gesichert werden? Welcher Versicherer versichert das?
Weiterhin macht das vorgenannte nur Sinn, wenn auch eine BMA installiert wird, die ordentlich aufgeschaltet ist! Sonst qualmt und raucht es (Nachts und Sonntags) vor sich hin und keiner merkt es.
Nach meiner Meinung ist die Funktion der RWA/MRA nur gewährleistet, wenn die Unterdecke im Markt mindestens feuerhemmend bemessen ist, da sonst der Brand sofort in die übliche Nagelplattenbinderkonstruktion übergeht. Der Vollbrand ist also vorprogrammiert, ob mit oder ohne RWA.
Noch was zu Unterdecken: Viele Rasterdeckenhersteller bieten F30-Decken an. Das finde ich ganz toll! Das funktioniert auch, wenn nur nicht die Durchführungen wären (Lautsprecher, Licht, Lüftung, Kabel,...). Alle diese Durchlässe müssen einzeln geschottet werden!!! Sonst F-Nix!
Ach ja, die Lüftung gibt ja auch noch. Dieses Gebilde sitzt ja gerne im Nagelplattenbinderbereich und verbindet wie die Spinne im Netz alle Abschnitte miteinander. Also nicht vergessen: Handeln sie eine gute Provision beim Lüftungsklappenhersteller aus, denn es können eine Menge Rauch- und Brandschutzklappen vorgesehen werden.
Zum Schluss verbessere ich den Brandschutz, indem ich das Gebäude in Kleinere, sagen wir mal, Brandbekämpfungsabschnitte unterteile. Dazu baue ich nach jede Menge T30/T90 Türen und entsprechende Verglasungen ein. Bei der Gelegenheit eine Anmerkung: Eine brandschutztechnische Abtrennung eines Lagers funktioniert doch nur, wenn die Decke gegen den Dachraum auch geschützt ist. Richtig? - Richtig! Also, je nach nach "bemessener" Abschottung F30 oder F90! Toll. Ich erinnere mich an einen oberen Treppenraumabschluss. Dieser gilt von aussen und innen! Ja, und was ist mit dem Lager? Wenn ich konsequent bin, muss ich die Lagerdecke in der Brandbeanspruchung von innen und aussen bemessen. Ich bin gespannt wie das mit einer Gipskartondecke gehen soll? Die muss nämlich selbsttragend sein. Und auch in der Konsequenz gegen herabstürzendes Dachgebälk sicher sein.
Ich fasse also zusammen. Für meinen 700 m2 Lidl oder Aldi benötige ich eine RWA, eine BMA, eine astrein geschottete Lüftungsanlage, eine brandschutztechnisch bemessene (selbsttragende?) Unterdecke, die auch noch an jedem Durchlass geschottet ist. Dazu kommen noch Türen und entsprechende Verglasungen. Habe ich noch was vergessen? Ach ja, die notwendigen einbruchsicheren Zuluftöffnungen!
Ich finde das Realitätsfern! Nicht bezahlbar und völlig am Ziel vorbeigeschossen. Haben wir hier die Bodenhaftung verloren?
Was ist eigentlich das Schutzziel? Die Menschenrettung und der Sachwertschutz. Wobei lediglich die Menschenrettung in der LBO verankert ist.
Um eine sinnvolle Menschenrettung zu realisieren benötige ich die vorgenannten Maßnahmen nicht. Hierzu benötige ich gute und ausreichende Entfluchtungsmöglichkeiten. Weiterhin ist es sinnvoll ein Frühwarnsystem vorzusehen, wie z.B. Rauchmelder oder besser noch eine BMA mit Rauchmelder. Mehr benötige ich nicht!
Der letzte Markt, den ich in Bremen geplant habe, wird als eine Nutzungseinheit angesehen. Abschottungen werden nicht gefordert. Sie sind in der Praxis auch nicht wirklich realisierbar.
Bei ebenerdigen, freistehenden Märkten ist aus der LBO nur die Menschenrettung abzuleiten. Alle anderen vorgenannten Maßnahmen dienen nur dem Sachwertschutz! Und vor allen Dingen wozu?
Bei einem Brand in einem Markt sind alle Waren verdorben. Das Gebäude ist zumeist ein Totalschaden. Eine Totalrenovierung/Abriss steht an, denn auch die technischen Einrichtungen sind von den Brandgasen in Mitleidenschaft gezogen und damit meist unbrauchbar. Es ist einfacher und günstiger einen neuen Markt zu errichten, als einen vom Brand in Mitleidenschaft gezogenen Markt zu sanieren.
Wozu der Aufwand?
Ich bin selber bei der Feuerwehr, aber ich würde es keinem Kameraden wünschen zu einem Innenangriff in einen Verbrauchermarkt geschickt zu werden. Aus meiner Erfahrung wird in keinem Markt bei der Errichtung eine ordentliche Ausführung aller brandschutztechnischen Einrichtungen vorgenommen. Die Gefahr für die Kameraden ist nicht kalkulierbar.
Ich weiss, dass mein Fazit frevelhaft ist, aber ich bin der Meinung, dass die kleinen Märkte (insoweit sie freistehen) als eine Nutzungseinheit anzusehen sind und ausser der Gewährleistung einer ordentlichen Menschenrettung keine weiteren brandschutztechnischen Einrichtungen benötigen.
Gruß aus dem Norden
Matthias Hambrock