Hallo zusammen!
Wo wir hier und auch anderswo in letzter Zeit wieder vermehrt über Brandwarnanlagen diskutieren: Meiner Meinung nach sind (die meisten) Brandwarnanlagen sehr wohl Alarmierungsanlagen, die durch Sachverständige abzunehmen sind (wir reden jetzt von Bayern). Wie komme ich darauf?
Vorweg: Der Beitrag ist sehr lang. Bringt etwas Zeit mit!
Wer kennt sie noch, die Handsirenen in den Behörden? Mit einer Handkurbel setzt man eine luftbetriebene Sirene in Gang, die auf einem Dreibein montiert ist. In den Treppenraum gestellt und manuell angetrieben, kann das ganze Gebäude gewarnt werden. Gibt es vereinzelt auch heute noch, und die Geräte gibt es auch heute noch zu kaufen.
Die Definition einer Alarmierungsanlage ist laut BayTB: „Alarmierungsanlagen sind Gefahrenmeldeanlagen. Sie müssen Personen im Gefahrenfall mittels Verbreitung eines Notsignals [...] alarmieren und veranlassen, den Gefahrenbereich zu verlassen. Eine Alarmierungsanlage besteht aus einer Zentrale, einer Energieversorgung, Auslöse- oder Steuereinrichtungen, Signalgebern und dem verbindenden Übertragungsweg.‟
Wer nun recherchiert, was alles unter Gefahrenmeldeanlagen fällt, wird schnell feststellen, dass Brandwarnanlagen zu den Gefahrenmeldeanlage gehören. Grunddefinition erfüllt. Die Anlage dient der Alarmierung von Personen mit dem Ziel, einen Gefahrenbereich zu verlassen. Definition auch erfüllt. Und sie haben (anders als Rauchwarnmelder) neben den genannten technischen Komponenten auch eine Zentrale. Alle Anforderungen erfüllt, dass es sich bei Brandwarnanlagen definitionsgemäß um Alarmierungsanlagen handelt.
Nun steht weiter unten in den BayTB: „Aufgaben von Alarmierungsanlagen können nicht von Brandwarnanlagen übernommen werden.‟ Wie kommt das zustande?
Im bayerischen Baurecht, auf das die BayTB abzielt, kennen wir nur in zwei Rechtsverordnungen Alarmierungsanlagen oder -einrichtungen: in Verkaufsstätten und in Versammlungsstätten. Dann haben wir die Industriebaurichtlinie als technische Baubestimmung. Und hinzu kommt als Verwaltungsvorschrift noch die Hochhausrichtlinie.
Bei diesen vier Regelwerken ist durch die Passage in der BayTB ausgeschlossen, dass dort Brandwarnanlagen zum Einsatz kommen können. Das ist der Inhalt der Aussage. Mehr erst einmal nicht.
Was ist aber mit all den anderen Objekten, wo eine Alarmierung notwendig oder zur Kompensation benötigt wird? Krankenhäuser, Altenheime? Kindergärten? Schulen? Verzicht auf notwendige Flure? Das ist nicht geregelt. Die jeweilige Anforderung ergibt sich aus dem jeweiligen Einzelfall – also aus dem Brandschutznachweis.
Wenn wir uns zurückerinnern, wie der Wunsch nach Brandwarnanlagen entstand, dann wollte man für bestimmte (nicht alle) Zwecke eine technisch vereinfachte Brandmeldeanlage haben. Zunächst als Hausalarmanlage bezeichnet. Der Wunsch war nicht, eine elektrisch betriebene Handsirene zu entwickeln, sondern eine Brandmeldeanlage, die technisch sicher betrieben werden kann, aber in ihrer reduzierten technischen Ausgestaltung vorwiegend einem Zweck entspricht: der Alarmierung von Personen. Das ist sinnvoll und richtig. Nicht immer braucht es eine technisch aufwändige Anlage hierfür.
Nun kommt es außerhalb der Anwendung einer Baubestimmung aber auf die besagte Auslegung im Einzelfall an, was eine Anlage in einem Gebäude leisten soll. Wenn in einem Brandschutznachweis beschrieben wird, dass eine Alarmierungsanlage zur Kompensation oder zum Erreichen eines Schutzziels notwendig ist – dann ist sie laut der aufgezeigten Begriffsdefinition eine bauaufsichtlich notwendige Alarmierungsanlage. Ob diese nun als „echte‟ Alarmierungsanlage oder doch als Brandwarnanlage ausreichend ist, kommt auf den Einzelfall an. Ein Begriff – unterschiedliche technische Anforderungstiefen.
Was ist aber nun mit den FAQ zur SPrüfV? Dort steht unter der Kategorie „BMA‟ (!): „Erfordernis und Anforderung einer Brandwarnanlage nach DIN VDE V 0826-2 muss sich aus dem Brandschutznachweis ergeben. Hierdurch werden Brandwarnanlagen aber nicht zu baurechtlich geforderten sicherheitstechnischen Anlagen nach § 2 Abs. 1 SPrüfV. Je nach Einzelfall können sie ggf. sonstige sicherheitstechnische Einrichtungen im Sinn des § 2 Abs. 4 SPrüfV sein.‟
Ja, Brandwarnanlagen sind keine Brandmeldeanlagen. Das ergibt sich bereits eindeutig aus der Definition in der BayTB zu den Brandmeldeanlagen. Aber sie sind aus der Definition der BayTB zu Alarmierungsanlagen heraus nun einmal Alarmierungsanlagen.
Man kann den zweiten Satz aus dem FAQ auch so lesen: Hierdurch werden Brandwarnanlagen aber nicht AUTOMATISCH zu baurechtlich geforderten sicherheitstechnischen Anlagen nach § 2 Abs. 1 SPrüfV. Je nach Einzelfall können sie ggf. ...
Also ja, die FAQ sind nicht falsch. Brandwarnanlagen können „sonstige Anlagen‟ sein. Sie können aber durchaus baurechtlich geforderte sicherheitstechnische Anlagen sein, wenn sie zum Erreichen bestimmter Schutzziele als erforderlich erachtet werden. Es kommt eben auf die gewünschte Ausgestaltung an: Ist die Brandwarnanlage eine bessere elektrische Sirene oder so was wie vernetzte Rauchwarnmelder? Oder ist sie dem Aufbau und Zweck nach eine ausreichend ausgestaltete Alarmierungsanlage?
Man könnte auch auf die Idee kommen, in der SPrüfV würde eine Prüfpflicht erst dann eintreten, wenn es sich expressis verbis um eine Brandmelde- und Alarmierungsanlage handelt. Also reine Alarmierungsanlagen wären gar nicht prüfpflichtig. Dann würde aber etwa eine Alarmierungseinrichtung (sic!) in einer Verkaufsstätte nach Verkaufsstättenverordnung auch nicht durch einen Sachverständigen prüfpflichtig sein. Weil, ist ja eine Stand-alone-Anlage ohne Brandmeldung. Und von „Anlage‟ ist in der Verordnung ja schon mal überhaupt nicht die Rede. Also keine Prüfpflicht! Steile Thesen, da sind wir uns hoffentlich alle einig. Aber, wo sind die Grenzen der Auslegung?
Was läuft aus meiner Sicht bei der Sichtweise mancher technischer Sachverständiger falsch? Die oft vorgetragene Argumentation ist: weil die Brandwarnanlage technisch keine Alarmierungsanlage wäre, könnte und dürfte sie gar nicht bescheinigt werden. Na ja. Nur ist es aber so:
Bei anderen technischen Anlagen diskutieren wir auch nicht, welches Regelwerk wir heranziehen, um ein Schutzziel zu erreichen und eine Prüfpflicht auszulösen. Wenn im Brandschutznachweis steht, wir bauen eine automatische Sprinkleranlage ein, dann ist sie prüfpflichtig – und fertig ist die Diskussion. Ob eine DIN Anlage, eine CEA, eine FM oder NIST Anlage eingebaut wird, soll auch hier im Brandschutznachweis stehen, interessiert doch aber bezüglich der SPrüfV niemanden. Hauptsache, sie ist am Ende betriebssicher und wirksam.
Bei einer Alarmierungsanlage soll ich jetzt aber genau diese Diskussion führen? Welche Norm gut ist oder schlecht? Welche eine Prüfpflicht auslöst oder nicht? Das kann nicht sein. Wenn im Brandschutznachweis steht, in ein Gebäude wird eine Alarmierungsanlage eingebaut, und diese Alarmierungsanlage soll nach den Grundsätzen der VDE für Brandwarnanlagen projektiert werden, dann bleibt diese Anlagen eine Alarmierungsanlage. Ende der Diskussion.
Nach welcher Norm die Alarmierungsanlage gebaut wird, ist genauso egal wie bei der Sprinkleranlage oder jeder anderen technischen Anlage. Eine technische Anlage kann auch im Einzelfall frei erfunden werden. Ich habe auch schon Sprinkleranlagen gehabt, da wurden FM- und CEA-Richtlinie gemischt. Egal. Hauptsache, sie tut hinterher, was sie soll. Und ein Sachverständiger bescheinigt das. Aber bei Alarmierungsanlagen ist alles anders?
Ich weiß auch nicht, ob wir uns mit dieser Klein-Klein-Diskussion über die Auslegung der Prüfpflicht einen Gefallen tun. Wenn irgendwann der Eindruck entsteht, eine Brandwarnanlage ist nicht sicher genug, um als ein geeignetes baurechtliches Element einer Brandschutzplanung betrachtet zu werden, dann erreichen wir mit der Brandwarnanlage genau: nichts. Ich halte diese andauernde Diskussion, ob man sich im Zuge der Errichtung einer Brandwarnanlage zur Alarmierung eine Abnahme durch einen Sachverständigen schenken kann, für kontraproduktiv. Sie kann dazu führen, dass wir die Brandwarnanlage aus baurechtlicher Sicht in Zukunft wieder verlieren.
Ich bin der festen Meinung, eine in einem Brandschutznachweis als Alarmierungsanlage verbindlich festgelegte Brandwarnanlage ist eine bauordnungsrechtlich geforderte Alarmierungsanlage. Und kann das auch entsprechend gut begründen. Damit ist sie vor der Erstinbetriebnahme durch einen Sachverständigen prüfpflichtig. Wenn der beauftragte Prüfsachverständige dann sagt, er könne die Brandwarnanlage aber wegen der FAQ oder was auch immer nicht bescheinigen – dann muss ich sagen, dann soll der Bauherr die Anlage als dem Sachverständigen genehme Alarmierungsanlage planen, wenn er dem Sachverständigen folgen will. Oder er soll seinen Brandschutznachweis anpassen, wenn das möglich ist.
Die geführte Diskussion reiht sich für mich ein in andere derzeitige Versuche, das Baurecht durch die Vorder- oder auch Hintertür zu „entschlanken‟. Es stand auch schon die Frage im Raum, ob man die Prüfpflichten technischer Anlagen in Bayern ganz aufgeben könne zugunsten von rein privatrechtlichen Pflichten. In Baden-Württemberg gibt es auch so gut wie gar keine technischen Prüfungen. Gut, okay. Aber ob man in dieser Hinsicht bei Auslegungsfragen von Verordnungen in der heutigen Zeit die Messlatte direkt auf den Boden legen muss… das sehe ich als Sicherheitsingenieur jetzt nicht gerade. Dann soll doch bitte wirklich die Verordnung geändert werden.
Als Brandschutzprüfer würde ich übrigens nie auf die Idee kommen, eine Brandwarnanlage als Maßgabe aufzuerlegen. Nur so nebenbei… Aber das ist eine andere Diskussion.
So. Feuer frei.
Schöne Grüße
Alexander Vonhof