Tür aus Technikraum : Notausgangsverschluss nach EN 179 erforderlich?

Lisa

Hallo zusammen,

muss bei einem Technikraum ein Panikverschluss (EN1125) vorgesehen werden? Wenn die Tür der einzige Rettungsweg aus dem Raum ist, müsste sie so ausgestattet sein, dass man auch bei abgeschlossener Tür jederzeit von innen rauskommt - also ein Notausgangsverschluss nach EN 179 (Drücker) oder?

Meine Frage an euch:

Verlangt ihr in Technik-oder Lagerräumen grundsätzlich Schlösser mit Panikfunktion (EN 179) sobald die Tür der einzige Rettungsweg ist?
Oder reicht hier eurer Erfahrung nach ein normales Schloss/ Türdrücker, solange es sich nicht um einen Aufenthaltsraum handelt?
Habt ihr vielleicht Normstellen oder Literatur, wo diese Abgrenzung klar beschrieben ist?

Vielen Dank schon mal für eure Einschätzungen!

WernerMueller

Hallo Lisa,

DIN EN 1125 ist baurechtlich nicht eingeführt/ erforderlich und im Übrigen normativ nur "speziell für die Benutzung in Paniksituationen in Fluchtwegen" einzusetzen. In der Norm gibt es hierzu ein sehr lustiges Bildchen. Der Begriff "Paniksituation" ist in der Norm nicht näher definiert, sodass die Schlossindustrie hier gerne Hilfestellung leistet.

Faktisch sind DIN EN 179/1125 nur Prüfnormen für die entsprechenden Produkte. Es gab von ca. 20 Jahren eine heiße Diskussion, in der sich auch den ARGEBAU bemüßigt fühlte, hier die Industrie einzubremsen, siehe z.B. ansatzweise hier (leider ist das Anlageschreiben nicht dabei): https://www.behindertenbeauftragte-mod.de/fileadmin/PDF/Barrierefreies_Bauen/Brief_OBB_an_Bauaemter_PushBar.pdf. Entscheidend ist der Satz: "Bezüglich der Verwendung von diesen Produkten nach DIN EN 179 und DIN EN 1125 möchten wir in diesem Zusammenhang noch grundsätzlich darauf hinweisen, das die Verwendung dieser Produkte bauordnungsrechtlich nicht verlangt ist."

Ob nun in einem Technikraum tatsächlich eine Panik auftreten kann, so dass der Nutzer den Drücker (aka Türgriff) nicht mehr bedienen kann: Ehrlich, das ist doch Quatsch.

Auch "Notausgangsverschlüsse" nach DIN EN 179 halte ich für einen "normalen" Technikraum für vollkommen überflüssig. Die Räume werden i.d.R. nur durch befugte Personen mit Schlüssel betreten. Einschließen wird sich da keiner, die Gefahr des "Eingeschlossenwerdens" setzt eine bewusste (bösartige) Handlung der einschließenden Person voraus.

Ich sehe DIN EN 179-Notausgangsverschlüsse i.d.R. für Räume nur dann vor, wenn diese über mehr als eine Tür verfügen. Denn hier kann es sein, dass der Raumnutzer durch die "andere" Tür flüchten will, als durch die, durch die er gekommen ist. Ansonsten gehören Notausgangsverschlüsse i.d.R. nur in Türen im Zuge von Rettungswegen.

Gruß
Werner Müller
...der zu Bedenken gibt, dass alles -auch DIN EN 1125-Pushbars- das Geld der Bauherrn kostet...
PS: Tatsächlich baurechtlich gefordert sind Notausgangsverschlüsse für elektrische Betriebsräume nach EltBauV.

Lisa

Hallo Werner,
vielen Dank für die Einschätzung! Den Hinweis auf die Bauordnung verstehe ich - EN179/1125 sind reine Produktnormen. Allerdings sehe ich aus Sicht der ASR A2.3 einen Unterschied: Dort steht, dass Türen in Fluchtwegen jederzeit ohne Hilfsmittel von innen zu öffnen sein müssen. Für Technikräume mit nur einer Tür heißt das ja praktisch, dass ein innen jederzeit bedienbarer Drücker vorhanden sein muss - also zumindest eine Panikfunktion nach EN179 oder eine vergleichbare Lösung. Wie seht ihr das?

Karstens

Hannes ich kenne die Türen von elektr. Betriebsräumen so, dass sie außen nur über einen Knauf verfügen und damit immer ein Schlüssel zum Öffnen erforderlich ist.
Innen befindet sich ein Drücker an der Tür der sicherstellt, dass der Betriebsraum jederzeit wieder ungehindert verlassen werden kann.

.... wenn nicht ein Schelm oder Schließmeister von außen zuschließt, weil er nicht sieht, dass noch ein Menschen drinnen ist. Das kann gerade bei größeren oder verwinkelten Betriebsräumen passieren.
Dagegen hilft ein einfaches Schloss mit Panik-Wechselfunktion E, auch bezeichnet als Trafo-Wechselfunktion. Kostet keinen Fuffi, im Gegensatz zu den DIN-179-Schlössern. Man muss auch keinen DIN-179-geprüften Drücker- oder Wechselgarnitur montieren.

Lisa Für Technikräume mit nur einer Tür heißt das ja praktisch, dass ein innen jederzeit bedienbarer Drücker vorhanden sein muss - also zumindest eine Panikfunktion nach EN179 oder eine vergleichbare Lösung. Wie seht ihr das?

Wenn jemand von außen zuschließt, ist der innenseitige Drücker nur bedienbar, wenn wenn das Schloss eine Panikfunktion hat. Diese Funktion muss i.d.R. nicht DIN 179 entsprechen, s.o. Wendet man DIN 179 an, muss auch die Drücker- oder Wechselgarnitur mit dem Schloss nach DIN 179 geprüft werden. Schön und gut und teurer. Ein konventionelles Panikschloss funktioniert auch. Solche Schlösser sind nicht ohne Norm gebaut. DIN 18251/18250 geben Maße und Begriffe vor. DIN EN 12209 gibt Prüfungen vor. Das Einsteckschloss muss ja in die Schlosstasche passen. Drücker, Schilder und Rosetten müssen montiert und Schließzylinder eingebaut werden können.

Wenn es irgendwo heißt, dass Türen jederzeit ohne Hilfsmittel von innen zu öffnen sein müssen, meine ich, dass das auch für blöderweise oder sonstwie verschlossene Türen gilt. Standard-Panikschlösser sind keine 230-€-Schlösser.

MfG G.Karstens

3franken

Hallo Lisa,

die ASR fordert das im Verlauf von Fluchtwegen!
Der Ausgang aus einem Raum ist noch kein Fluchtweg.
Ich hatte auch schon den Fall, wo für jedes Büro eine Tür mit Panikbeschlag gefordert wurde.
Das haben wir aber nicht akzeptiert und wurde so auch nicht ausgeführt.

brandsichere Grüße

Hannes

@ Werner
ich kenne die Türen von elektr. Betriebsräumen so, dass sie außen nur über einen Knauf verfügen und damit immer ein Schlüssel zum Öffnen erforderlich ist.
Innen befindet sich ein Drücker an der Tür der sicherstellt, dass der Betriebsraum jederzeit wieder ungehindert verlassen werden kann.
Anforderung erfüllt…

@Lisa
Drücker, ja natürlich… aber warum Panikfunktion?
Derjenige der sich im Technikraumraum aufhält wird die Tür unter normalen Umständen doch nicht hinter sich zuschließen!

Gruß
Hannes

WernerMueller

Hallo Karstens,

leider nicht ganz richtig:

DIN 18250 wurde durch DIN 18251 ersetzt. Diese Norm enthält keine Festlegungen zu einer "Panikfunktion" o. dgl. DIN EN 12209 enthält keine Prüfungen bezüglich einer "Panikfunktion". Beide Normen verweisen diesbezüglich ausschließlich auf DIN EN 179/ DIN EN 1125.

Ein "konventionelles Panikschloss" oder ein "Standard-Panikschloss", das nicht DIN EN 179 entspricht, wirst Du auf dem europäischem Markt daher wahrscheinlich nicht mehr finden. Macht aber nichts. Ein sog. "Notausgangstürverschluss" (mittlerweile der aktuelle Fachbegriff) nach DIN EN 179 gibt es auch schon für 'nen "Fuffi". Ob man dann auch eine geprüfte "Garnitur" dranschraubt, kann ja jeder selber entscheiden.

Die sog. "Panikfunktionen" (B, C, D und E) sind übrigens ausschließlich Komfortmerkmale und nicht sicherheitsrelevant, daher auch nicht normiert.

Gruß
Werner Müller

Karstens

Hallo Herr Müller,

nein, DIN 18250 ersetzt nicht 18251. DIN 18251 beschreibt Einsteckschlösser, Maße usw. Richtig ist: Dort steht nichts von Panikfunktionen. Es geht darum, dass die Schlösser in Türen passen. Das ist der eigentliche Sinn und Zweck von Normen (die Mutter passt zur Schraube). Niemand muss sich dran halten....
DIN 18250 ist zwar zurückgezogen und beschreibt speziell Anforderungen Einsteckschlösser für Feuer- und RS-Türen (mit 9 mm Nuss). Trotzdem gibt es diese Schlösser weiterhin. Die Norm ist zudem auch nicht verschwunden. Die Vielfalt ist halt größer geworden. Auch Panikschlösser ohne DIN 179 Zertifikat gibt es weiterhin.

Es mag Sonderangebote und Rabatte geben, aber ein irgendwie zertifizertes Schloss wie "179" verkauft man i.d. R. teurer.

Mfg. G. Karstens

WernerMueller

Hallo Karstens,

Deckblatt DIN 18251, ganz rechts: "Ersatz für DIN 18250:2006-09"
DIN 18250:2006-09, Eintrag in Nautos (ex perinorm):
"Zurückziehungsdatum 2020-04-00" und
"Nachfolgedokument DIN 18251 (2020-04)"

Weiß jetzt auch nicht weiter. Oder vielleicht doch: Eine "Anti-Panikfunktion" war tatsächlich bis DIN 18250:1999-06 in der Norm benannt bzw. beschrieben. In der Neufassung 2003:10 war davon nichts mehr zu finden. Warum? Weil das Prüfverfahren der DIN EN 179 zu dieser Zeit schon "auf dem Markt" war...

Kosten für ein Panikschloss: https://kurzlinks.de/yyva: 39,99 EUR
Und ja, auch wenn es nicht gleich dasteht: Das IST nach 179 geprüft.

Wie weist denn der Hersteller deiner "konventionellen Panikschlösser" bzw. deiner "Standard-Panikschlösser", nach, dass sein Schloss eine "Panikfunktion" hat? Kann er eine Leistungserklärung ausstellen? Oder muss er das sogar? Fällt ein solches Schloss unter die Bauproduktenverordnung? Und was ist so eine komische OJEU-Eintragung schon wieder? https://kurzlinks.de/mis9.

Fragen über Fragen...

Gruß
Werner Müller

Karstens

WernerMueller
Danke, so viel habe ich nicht gelesen. Ich nehme meine Behauptung "kein Ersatz für" zurück.

WernerMueller Kosten für ein Panikschloss

Meine Preiseinschätzung nehme ich auch zurück. 179 ist offenbar längst gängig.

WernerMueller Wie weist denn der Hersteller deiner "konventionellen Panikschlösser" bzw. deiner "Standard-Panikschlösser", nach, dass sein Schloss eine "Panikfunktion" hat? Kann er eine Leistungserklärung ausstellen? Oder muss er das sogar? Fällt ein solches Schloss unter die Bauproduktenverordnung? Und was ist so eine komische OJEU-Eintragung schon wieder?

Hm. Der Hersteller weist mir gegenüber nichts nach, wenn ich nicht frage. Die Frage ist m.E.: Was ist nachzuweisen. Als Bauleiter prüfe ich durch Abschließen der Tür, ob die Türöffnung ohne Schlüssel von innen funktioniert und ob die Schließfunktion außen die vereinbarte Funktion ist. Weiter wird es akademisch.
Das verlinkte BKS-Schloss https://kurzlinks.de/yyva trägt einen Aufkleber mit "DIN EN 179..." Es gibt auch Prägungen im Stulp, oben ist ein "P" geprägt. Jetzt könnte ich vor Abnahme vom Schlosser den Nachweis verlangen, der vom Großhändler und dieser vom Hersteller, ob das Schloss an einer betreffenden Tür zulässig ist. Werde ich mal machen. Was machen wir im Baubestand, wenn wir gefragt werden? Fluchtfunktion prüfen.

Mit den Suchbegriffen "Panik Schloss Baurecht" fand ich mit einer Suchmaschine als ersten Eintrag diesen:
https://www.baunetzwissen.de/sicherheitstechnik/fachwissen/notausgang-rettungsweg/einsatz-von-notausgangs--und-panikverschluessen-164792
Zitat komplett,
Stand 06.10.2025:
"Einsatz von Notausgangs- und Panikverschlüssen:
Seit April 2003 gelten für Flucht- und Rettungswege die harmonisierten europäischen Produktnormen DIN EN 179 für Notausgangsverschlüsse und DIN EN 1125 für Panikverschlüsse. Beide Normen sind seit Ende Februar 2004 in die Bauregelliste (Teil B) aufgenommen und wurden somit Bestandteil des deutschen Baurechts.
Das Baurecht obliegt in Deutschland über die Landesbauordnungen (LBO) den einzelnen Bundesländern. Trotz Bekanntmachung der beiden Normen in der Bauregelliste B ist nach wie vor ungeklärt, ob die Verwendung nach diesen beiden Normen geprüfter und zertifizierter Produkte zwingend vorgeschrieben ist oder nicht. Die bauaufsichtlichen Behörden der Länder haben bis jetzt hierzu noch keine eindeutige und verbindliche Aussage getroffen.
Zum Einsatz und zur Verwendung von Notausgangsverschlüssen nach DIN EN 179 und Panikverschlüssen nach DIN EN 1125 gibt es unterschiedliche Auffassungen. Notifizierte Prüf- und Zertifizierungsstellen wie die Materialprüfanstalt in Dortmund (MPA) oder die über den Fachverband Schloss und Beschlag organisierten Firmen weisen in unterschiedlichen Stellungnahmen auf die Verwendung von nach DIN EN 179 und DIN EN 1125 geprüften und zertifizierten Produkten (CE-Kennzeichnung) hin. Eine gegensätzliche Auffassung hierzu vertritt die Fachkommission der Bauaufsicht der Bauministerkonferenz. Durch die beiden harmonisierten Produktnormen bestehe nur eine Festlegung im Bezug auf das „Inverkehrbringen“ und dem freien Warenverkehr der Notausgangs- und Panikverschlüsse innerhalb Europas. Eine verbindliche Vorgabe, welche Produkte wo zum Einsatz kommen müssen, lässt sich nach Aussage der Behördenvertreter hieraus nicht ableiten. Diese Festlegungen werden nach wie vor durch den nationalen Gesetzgeber über die Landesbauordnungen (LBO) und Sonderbauverordnungen getroffen. Die Bauministerkonferenz folgert hieraus, dass auch andere Verschlüsse als nach DIN EN 179 und DIN EN 1125 verwendet werden können. Bis hierzu eindeutige Stellungnahmen und Aussagen getroffen werden, sollten im Rahmen von Ausschreibungen und Beratungen auf Notausgangsverschlüsse nach DIN EN 179 und Panikverschlüsse nach DIN EN 1125 Bezug genommen werden, um im Ernstfall ein Haftungsrisiko bei Personenschäden minimieren bzw. ausschließen zu können."_

MfG. G.Karstens