Gebäudeabschlusswand Industriebau

Sven

Hallo zusammen,

zuerstmal möchte ich mich gerne bei Euch vorstellen. Mein Name ist Sven, ich komme aus der Nähe von Köln und ich bin von Hause aus bei der Feuerwehr tätig. Ich arbeite nebenher schon einige Jahre im Bereich Brandschutzdienstleistung und habe dieses Jahr meinen Fachplaner bei Eipos gemacht.
Dieser Bereich macht mir sehr viel Spaß und ich hoffe, dass ich hier noch einiges an Erfahrung und Wissen dazu erlangen kann.

In einem aktuellen Fall hier in NRW, sollen zwei Hallen von jeweils etwas über 500qm in einem neu erschlossenen Industriegebiet gebaut werden. Eine Halle soll als Schlosserei mit angrenzendem Büro und Aufenthaltsraum genutzt werden. Die andere Halle soll als Lager genutzt werden. Beide Hallen stehen jeweils mit einer Längstseite an der Grundstücksgrenze. Die Hallen sollen nach Industriebaurichtlinie bewertet werden. Es handelt sich um fh Stahltragwerke mit Sandwichpaneele bekleidet. Der Architekt hat als Gebäudeabschlusswände jeweils eine BaBW f30/f90 in die Pläne eingetragen. Nach LBO in GK3 würde das auch so funktionieren. Die Industriebaurichtlinie schließt aber die Verwendung von BaBW aus. Gibt es eine Möglichkeit hier auf Grundlage der IndBauRL trotzdem die BaBW zu verwenden, bspw. über eine Abweichung? Oder ist die Ausführung einer BW (fb,m,nb) auch in Sandwichbauweise problemlos möglich? Was würdet Ihr tun?

VG Sven

Karstens

Sven Es handelt sich um fh Stahltragwerke mit Sandwichpaneele bekleidet. Der Architekt hat als Gebäudeabschlusswände jeweils eine BaBW f30/f90 in die Pläne eingetragen. Nach LBO in GK3 würde das auch so funktionieren. Die Industriebaurichtlinie schließt aber die Verwendung von BaBW aus. Gibt es eine Möglichkeit hier auf Grundlage der IndBauRL trotzdem die BaBW zu verwenden, bspw. über eine Abweichung? Oder ist die Ausführung einer BW (fb,m,nb) auch in Sandwichbauweise problemlos möglich? Was würdet Ihr tun?

Eine Brandwand in Sandwichbauweise müsste eine Zulassung besitzen. Dafür müsste man mal bei Promatkonstruktionen hilfsweise suchen. Aber eine Brandwand muss immer noch mechanisch gehalten werden, ob Sandwich, Trockenbau, Mauerscheibe oder Betonwand.
Wenn man die F90/F30-Wand vermeiden will, kann man eine F90-Brandwand bauen. Die wird F90 ausgesteift oder Stahlbetonstützen der Wand werden im Boden eingespannt, d.h. eine frei stehende Brandwand. Massiv muss ja nicht dick heißen und Dämmung kann man raumseitig aufbringen, Paneele mit Dampfsperre sowieso. Das Tragwerk der Halle kann ja Stahl bleiben.

MfG. G.Karstens

Roland_Witzl

Hallo Sven,

warum eine Beurteilung nach IndBauRL und nicht nach LBO? Die Hallen sind doch nicht größer als 1.600 m2?

MkG, R.Witzl

Sven

Hallo Roland,

da es in NRW keine flächenmäßigen Vorgaben für die Anwendung der IndBauRL gibt, bin ich jetzt allein von der Nutzung ausgegangen. Wäre es in diesem Fall vorteilhafter die LBO anzuwenden? Die Lagerhalle hat Emporen. Müssten diese dann nach LBO als Decken betrachtet werden und fh ausgeführt werden? Ich bin mir noch nicht ganz sicher wie ich die Geschichte am besten anpacken soll. Die Brandwandgeschichte wäre nach LBO ja dann erledigt.

Roland_Witzl

Hallo Sven,

das „Brandwand-Problem“ wäre somit nach LBO zu lösen.
Die Emporen könnten als Galerien bewertet werden. Standsicherheit im Brandfall ja, Raumabschluss nein.
Natürlich müssen die Rettungswege und die Rettungsweglängen passen.

MkG, R.Witzl

Sven

Vielen Dank schonmal für die Antwort, Roland.
Muss ich die Bewertung nach LBO vorher mit der Bauaufsicht abstimmen? Die IndBauRL ist hier ja über die VV TB NRW eingeführt und der Bau fällt unter den Anwendungsbereich der IndBauRL.

Roland_Witzl

Hallo Sven,

also wenn ich mich richtig erinnere, muss die IndBauRL in NRW nicht zwingend angewendet werden, sie KANN angewendet werden. Der Bauherr bzw. der Planer hat die Wahl, entweder nach LBO oder nach IndBauRL.
Da die IndBauRL für große Industriebauten „erarbeitet“ wurde, sollte genau geprüft werden, ob die IndBauRL für Ihre doch recht kleinen Hallen mit rd. 500 m2 mehr Vorteile als Nachteile gegenüber der LBO hat.

Hinweis:
In Bayern besteht die PFLICHT zur Anwendung, wenn der Industriebau größer 1.600 m2 ist.

MkG, R.Witzl

clammer

Für Sonderbauten, also Geschossflächen > 1.6000 m², gilt Abschnitt A 2.2.2.8 der MVV TB (ist auch in NRW eingeführt mit zusätzlichen Ergänzungen).
Für Gebäude, die nicht darunter fallen, gilt dagegen Abschnitt A 2.2.1.15. Dazu gilt Fußnote 2:
"Für bauordnungsrechtliche Anforderungen in dieser Technischen Baubestimmung ist eine Abweichung nach § 85a Abs. 1 Satz 3 MBO ausgeschlossen; eine Abweichung von bauordnungsrechtlichen Anforderungen kommt nur nach § 67 MBO in Betracht. § 16a Abs. 2 und § 17 Abs. 1 MBO bleiben unberührt."
Somit ist Ihre Frage, ob ein BaBW über eine Abweichung möglich ist, beantwortet.

So ganz habe ich aber das Projekt nicht verstanden. Der Architekt hat wohl nach BauO NRW geplant, also mit fh-Tragwerk und entsprechender Abschlusswand. Da macht ja die IndBauRL keinen Sinn.
Bei Anwendung der IndBauRL wäre zunächst einmal zu klären, ob Abschnitt 6 oder Abschnitt 7 zum Tragen kommt.
Nehmen wir mal an, wir würden Abschnitt 6 nehmen, könnten die Hallen in "F0" ausgeführt werden, wenn das Tragwerk aus nichtbrennbaren Baustoffen besteht. Das gilt dann auch für die Außenwand zur Grundstückgrenze. Aber: es muss ja auch Abschnitt 5 beachtet werden.
Die Anwendung der IndBauRL erfordert m. E. viel Erfahrung und ist mit einigen "Tücken" verbunden.

Auf die Frage, "Was würdet Ihr tun?" hier die (geschäftsschädigende) Antwort:
Der Architekt hat einen Regelbau nach BauO NRW geplant. Damit ist auch Sachverständiger für den vorbeugenden Brandschutz überflüssig.
Ob dem Bauherrn mit der Anwendung der IndBauRL am Ende wirklich besser gedient ist, kann aus der Ferne und ohne konkrete Projekterkenntnisse nicht beantwortet werden; Zweifel sind aber durchaus angebracht.

Gruß
C. Lammer

Roland_Witzl

Hallo Herr Lammer,

kurze Frage (nur aus Interesse):
In der Anlage zur VV TB NRW mit Ausgabe Oktober 2023 wird unter A 2.2.2.8 (als weitere Maßgaben) auf die Anlagen A 2.2.2.8/1 hingewiesen. Wo wird in NRW geregelt, dass bei Industriebauten >1.600 m² die IndBauRL zwingend anzuwenden ist?

In der Anlage A 2.2.2.8/1 heißt es (nur):
"Bei Anwendung der technischen Regel ist Folgendes zu beachten: (...)."

Im Gegensatz zur bayerischen Ausgabe (BayTB) wird in der VV TB NRW für mich nicht erkennbar die Forderung gestellt, das bei Industriebauten >1.600 m² die IndBauRL zwingend anzuwenden ist.

Nachfolgend ein Auszug aus BayTB, Anlage A 2.2.1.15/1Bay:
"Die Richtlinie gilt für Industriebauten, die Sonderbauten nach Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayBO sind (Gebäude mit
mehr als 1.600 m² Fläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung)."

In der BayTB ist klar genannt, dass bei Industriebauten >1.600 m² die IndBauRL anzuwenden ist.
In der VV TB NRW habe ich das so nicht gefunden.

Vielen Dank vorab für Ihre aufklärenden Wort!
MkG, R.Witzl

vonhof

Hallo zusammen!

Das ist auch in NRW klar benannt: Die Industriebaurichtlinie gilt in NRW laut A 2.2.2 VV TB NRW "Garagen und Sonderbauten" für (alle) Sonderbauten. Und da in NRW nun fast jede Hundehütte sofort ein Sonderbau ist, gilt auch für jedes noch so kleine Gebäude, das dem Anwendungsbereich der Industriebaurichtlinie unterliegt und mehr als 0 m² Grundfläche hat, die Industriebaurichtlinie. Nicht zu verwechseln mit den großen Sonderbauten: das sind die, die in der BauO NRW 2018 namentlich benannt sind, und da sind dann auch Gebäude mit einer Fläche von mehr als 1.600 m² dabei. Aber auch ein "kleiner" Sonderbau ist ein Sonderbau, und die Industriebaurichtlinie beschränkt sich eben nicht nur auf große Sonderbauten.

Die Industriebaurichtlinie ist hier also tatsächlich eine zwingend anzuwendende technische Regel. Ist im Übrigen in den meisten anderen Bundesländern genauso.

Gruß
Alexander Vonhof

Hannes

Auszug aus der aktuellen IndBauRL Baden-Württemberg
Abschnitt 2
Die Bestimmungen dieser Richtlinie gelten für alle Industriebauten mit einer Brandabschnittsfläche von mehr als 1600 m²; sie können für Industriebauten mit einer Grundfläche zwischen 400 m² und 1600 m² angewendet werden.

Der Föderalismus lässt grüßen…

Gruß
Hannes

Roland_Witzl

Hallo Herr Vonhof,

verstehe ich Sie richtig, dass in NRW ein Halle (hier: Schlosserei mit Büro und Aufenthaltsraum) mit 500 m² (Gebäudeklasse 3) regelmäßig ein ("kleiner") Sonderbau ist? Und wenn ja, wo steht das geschrieben?
Also nicht so für mich erkennbar in der BauO NRW, nicht in der VV TB NRW und nicht in der Anlage zur VV TB NRW vom Okt. 2023.

@ Hannes:
In Bayern steht was ähnliches in der BayTB, Anlage A 2.2.1.15/1Bay: "Für Industriebauten, die keine Sonderbauten sind [also eine Fläche von nicht mehr als 1.600 m²], kann die Richtlinie bei der Entscheidung über Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 BayBO von den entsprechenden Vorschriften der BayBO herangezogen werden; sie ist dann insgesamt anzuwenden."

MkG, R.Witzl

Sven

Hallo zusammen,

erstmal vielen Dank für die Beteiligung an dieser Diskussion.
Ich verstehe es hier in NRW so, dass ich einen Industriebau nach BauO NRW bewerten darf sofern er keinen Sonderbautatbestand erfüllt. Im ursprünglichen Sinne soll diese Richtlinie die Bewertung eines Industriebaus ja einfacher machen. Bei großen Industriebauten wird das auch zutreffen. Bei kleineren ist es regelmäßig fraglich, ob die Anwendung der Richtlinie vorteilhaft ist. Ich würde mir für NRW eine klare Abgrenzung zur 1600 qm Grenze wünschen, wie in manchen anderen Bundesländern. Dann würde sich diese Frage jetzt garnicht stellen.

vonhof

Hallo,

ohne jetzt groß in die Paragraphen einsteigen zu wollen: Es gibt in NRW zwei Bauantragsformulare, eines für den großen Sonderbau und eines für alle anderen Genehmigungsverfahren. Im dem letzteren kann man entweder "Wohngebäude" ankreuzen oder "Sonderbau". Was anderes gibt es in NRW nicht. Wohngebäude oder Sonderbau. Ein Industriebau egal welcher Couleur ist immer ein Sonderbau.

Gruß
Alexander Vonhof

Roland_Witzl

vonhof
Vielen Dank für Ihre aufklärenden Worte!
Habe mir auch die Anlage I/2 zur VV BauPrüfVO angesehen: alles außer Wohngebäude: Sonderbauten - echt verrückt in NRW! ;-)

MkG, R.Witzl