Fachbauleiter als Auflage

peters

In der Baugenehmigung für die Erweiterung und Umbauten eines kleinen Sonderbaus in Hessen fordert die Bauaufsicht:
"Die Bauausführung ist durch einen Sachverständigen für Brandschutz ständig zu überwachen und die fachgerechte und übereinstimmende Bauasführung, sowie die Umsetzung aller brandschutztechnischen Maßnahmen, die sich aus der Baugenehmigung ergeben (Konformitätserklärung), ist zu bescheinigen (§§ 53, 84 HBO). Mit der Konformitätserklärung wird gleichzeitig auch die Mängelfreiheit der verwendeten Materialien in Bezug auf ihre Tauglichkeit und Betriebssicherheit bestätigt."

Ich soll die Fachbauleitung anbieten. Ich würde auch gerne, befürchte hier aber unklare und zu viele Haftungsrisiken auf mich zu nehmen. Mich stören vor allem die Formulierungen "ständig zu überwachen" und "Mängelfreiheit" von "Materialien" und deren "Tauglichkeit u. Betriebssicherheit".
Fragen: Darf die Bauaufsicht solche freien, tlw. unkonkreten Formulierungen, wahrscheinlich über Anforderungen der HBO hinausgehenden Anforderungen in Auflagen verwenden ?
Sind Widersprüche zu sochen Auflagen oder verbindliche, abweichende Vereinbarungen mit der Bauaufsicht auch nach der Widerspruchsfrist noch möglich?
Wie würdet Ihr Euch verhalten?

Gruß, J. Peters

firefly

Sollte hier insbesondere der letzte Satz "Mit der Konformitätserklärung wird gleichzeitig auch die Mängelfreiheit der verwendeten Materialien in Bezug auf ihre Tauglichkeit und Betriebssicherheit bestätigt" zum Vertragsbestandteil werden, kann ich eigentlich nur abraten. Ein "Rundum-Sorglos-Paket" für die Bauaufsicht! Hier würde man m.E. unnötiger Weise alle Verantwortung zu sich heranziehen. Wer solche Verträge unterschreibt, begeht vermutlich sogar eine Obliegenheitsverletzung gegenüber der eigenen Berufshaftpflichtversicherung.

Karstens

Anfang November erhielt ich (in Hessen) auch so eine ähnliche Anfrage von einem Bauherrn für ein Lagergebäude. Den genauen Text der Bauaufsicht kenne ich nicht. Ich hatte abgesagt, weil ich keine Zeit dafür hatte.

Im Prinzip ist doch das Überwachen kein Problem. Wenn ich überwachen soll, überwache ich auch, und wenn ich täglich kommen muss. Das Problem liegt meistens beim Auftraggeber, der ein angemessenes Honorar nicht bezahlen möchte. Ein ist auch verständlich, wenn man schon einen Bauleiter bzw. Bauüberwacher hat. Normalerweise sollte doch ein bauleitender Überwacher den Brandschutz im Blick haben.
Vor der Anforderung "ständig Überwachen" sollte man nicht Angst haben, mit Zeiteinsatz, Sachverstand und der angemessenen Honorarvereinbarung ist das zu schaffen. Man darf ja jetzt auch mehr fordern, als nach HOAI.
"Ständig" Überwachen ist eigentlich Bestandteil der HOAI-Leistungsphase 8. Das bedeutet nicht, dass man immer und jederzeit auf der Baustelle stehen muss. Wer keine Verantwortung tragen mag, sucht sich einen entsprechenden Job.

Alien1973

In Bayern wird bei den Gebäudeklassen 1-4 (kein Sonderbau) der Brandschutznachweis nicht geprüft und damit findet auch keine bauaufsichtliche Baustellenüberwachung statt. Deswegen obliegt bei diesen Gebäudeklassen das alleinige Risiko beim Bauherren und seinen Planern. Beim Sonderfall der Gebäudeklasse 4 wird jedoch zur Nutzungsaufnahme eine Konformitätserklärung verlangt. Ja wer soll denn die unterschreiben wenn nicht der Planer/Fachplaner?

Im oben geschilderten Fall (Sonderbau) wird also der Brandschutznachweis nicht bauaufsichtlich geprüft sondern durch einen Sachverständigen. So lese ich das aus der Schilderung heraus.
Und damit ist zumindest in Bayern die Behörde zu 100% raus. Sprich der Sachverständige gibt zur Baubeginnsanzeige eine Bescheinigung ab, dass er den Brandschutznachweis geprüft hat (Bescheinigung 1). Zur Nutzungsaufnahme wird bescheinigt, dass alle im BSN geforderten Maßnahmen auch umgesetzt wurden (Bescheinigung 2). Das ist doch genau das was oben gefordert wird und wer soll das denn sonst machen wenn nicht der Sachverständige? Also ist auch er dafür verantwortlich, dass die richtigen Materialien verbaut werden, dass die Vorgaben des BSN umgesetzt werden und dass sozusagen alles passt. Dies bestätigt er dann formal mit Unterschrift für die Behörde, ganz normaler Vorgang in Bayern.
Wenn wir als Behörde den BSN Prüfen haben wir meist nicht die Zeit für übertrieben viele Baustellenbesuche, da wird sich dann häufig mit Errichterbestätigungen und Materialnachweisen beholfen.

So steht das bei uns in den Bescheiden:
Bescheinigung 1
Über die Vollständigkeit und Richtigkeit des Brandschutznachweises und das Vorliegen der Voraussetzungen für die erforderlichen Abweichungen ist dem Bauordnungsamt vor Baubeginn eine Bescheinigung des Prüfsachverständigen für Brandschutz nach Art. 62b Abs. 2 BayBO i. V. m. § 16 der Verordnung über die Prüfingenieure, Prüfämter und Prüfsachverständige im Bauwesen (PrüfVBau) vorzulegen (Bescheinigung I).

Bescheinigung 2
Vor Aufnahme der Nutzung ist dem Bauordnungsamt eine Bescheinigung des Prüfsachverständigen über die ordnungsgemäße Bauausführung hinsichtlich des Brandschutzes nach Art. 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBO vorzulegen (Bescheinigung II).

Karstens

Bayern verlangt Bescheinigungen.
Hessen verlangt einen Bauleiter. Die Prüfer oder Nachweisberechtigten in Hessen müssen Stichproben machen und hiernach bescheinigen, dass das Konzept umgesetzt ist.
Ich halte eine bauaufsichtliche Forderung nach einer "Fachbauleitung" für einen Versuch, einem Mangelzustand im Bauüberwachungsbereich und bei der Ausführungsplanung entgegenzuwirken. Wenn man ohne wirkliche Ausführungspläne und nur mit den vergrößerten Plänen aus der Baugenehmigung baut, wird es für den Bauleiter schwieriger, die Ausführung auf Übereinstimmung zu überwachen. Bauleitung zu tätigen, ist zudem unbeliebt und wird gern an weniger umfangreich Ausgebildete delegiert. Das hat wohl dazu geführt, dass sich jeder vom anderen etwas bescheinigen lässt, der etwas montiert hat. Wenn die Gewerke dann nicht recht zusammen passen bzw. das Werk nicht zur Genehmigung, sollte es nicht wundern, dass Bauaufsichtsbehörden schließlich Fachbauleiter fordern. Ob das so kam, kann ich nicht sagen.
Die Bauleitung ist in § 59 HBO geregelt. In Abs. 2 findet sich der Begriff Fachbauleitung.

...Verfügt die mit der Bauleitung beauftragte Person auf Teilgebieten nicht über die erforderliche Eignung, insbesondere Sachkunde und Erfahrung, sind geeignete Personen für die Fachbauleitung heranzuziehen. Diese treten insoweit an die Stelle der Bauleitung. Aufgabe der Bauleitung bleibt es, die Tätigkeiten der Fachbauleitungen und die eigene Tätigkeit aufeinander abzustimmen.

Natürlich darf man diesen Fachbauleiter Sachverständigen nennen, denn der Sachverständigenbegriff ist nicht geschützt, man muss nur die Sache etwas besser verstehen, als der andere. Die von Peters zitierte Formulierung der Bauaufsicht finde ich aber nicht in Ordnung. Der Begriff Konformitätserklärung kommt doch aus dem Produktbereich. Das möchten die wohl so. Dann müssten sie begründen, dass sie das so fordern dürfen.

Hannes

aus BW kenne ich folgende Formulierung:

Der vom Bauherrn bestellte Bauleiter muss die Umsetzung des Brandschutznachweises während der Baumaßnahme bis zur Schlussabnahme begleiten, dokumentieren und die ordnungsgemäße Umsetzung der Baurechtsbehörde bestätigen.
Hat der Bauleiter nicht für alle ihm obliegenden Aufgaben die erforderliche Sachkunde und Erfahrung, hat er den Bauherrn zu veranlassen, einen geeigneten Fachbauleiter Brandschutz zu bestellen.

...ist doch gar nicht so verkehrt...verlangt nicht zu viel und auch nicht zu wenig.

Gruß
Hannes

Roland_Witzl

In der HolzBauRL (Entwurf vom Oktober 2020) wird auch ein geeigneter Fachbauleiter für Holz- und Trockenbau gefordert, der die Ausführung des Holzbaus überwacht.
MkG, R.Witzl

Karstens

Dann brauchen wir noch den Fachbauleiter Stahl, sowie Betonbau und Mauerwerk. Fachbauleiter Fundamente. Fachbauleiter Schallschutz. Fachbauleiter Glas und natürlich Treppen, Fachvermeider Wärmebrücken, Fachleiter Luftdichtheit, usw. Und ganz viele Bescheinigungen.
Merkt hier niemand was Komisches?

Alien1973

Schon klar, aber soll die Behörde denn die Bauleitung übernehmen? Kanns doch nicht sein.
Und das die Behörde eine Bestätigung einer fachgerechten Bauausführung bei einem Sonderbau verlangt dürfte auch klar sein. Wenn sich der Architekt das nicht zutraut, dann muss halt ein anderer ran. So einfach ist das.
Die Statik muss ab Gebäudeklasse 3 auch von einem Sachverständigen geprüft werden, das übernimmt die Behörde auch nicht selber. Auch bei der Statik gibt's dann Bescheinigung 1 und 2. Eins für die Statikprüfung und 2 für die korrekte Bauausführung. Bei Sonderbauten beauftragen wir als Behörde und erhalten dann natürlich auch die Rechnungen. Da sind regelmäßige Baustellenbesuche natürlich dabei, auf gerate Wohl unterzeichnet kein Sachverständiger irgend etwas wenn er seinen Beruf ernst nimmt.

In Bayern darf jeder den BSN erstellen und auch bestätigen, der für das Bauvorhaben bauvorlageberechtigt ist. Das war vor ein paar Jahren noch nicht so, da musste man für Gebäudeklasse 4 eine separate Ausbildung haben. Sonderbau und GKL 5 muss halt noch ein Sachverständiger oder eben die Behörde drüber schauen.

Karstens

Alien1973 Schon klar, aber soll die Behörde denn die Bauleitung übernehmen? Kanns doch nicht sein.

Nein, eigentlich nicht. Aber warum hat Bayern dann keine Bauleiterpflicht?
Oder wurde das dort inzwischen geändert?

vonhof

Ein zwingend vorgeschriebener Bauleiter würde gegenüber der bisherigen Regelung Mehrkosten am Bau bedeuten und ist daher in Bayern politisch nicht durchsetzbar. Dass das Bauen aus tatsächlichen Gründen sehr schnell viel teurer werden kann, wenn der Bauherr seine Baustelle selber koordiniert, anstelle einen Bauleiter zu bezahlen, liegt dann nicht in politischer Verantwortung, sondern eben im Verantwortungsbereich des Bauherren.

Wobei, solche Teuerungen können in anderen Bundesländern ja auch passieren, wenn der Bauherr seiner Pflicht, einen geeigneten (!) Bauleiter zu bestellen, nicht nachkommt und der Bauleiter sich selber überschätzt. Ist ja nun auch nicht so, dass nur in Bayern gemurkst würde und die Qualität im Rest von Deutschland tippi-toppi wäre. In den anderen Bundesländern wird genauso gemurkst, nur eben mit Sachkundenachweis.

Gruß
Alexander Vonhof

Roland_Witzl

Den verantwortlichen Bauleiter gabe es ja in Bayern bis 1982 (Art. 76 BayBO:1974)!
Aber aus gewissen Gründen (Kostendruck?!) sollte dieser wohl aus der Bauordnung verschwinden und nur noch vom Bauherrn "freiwillig" eingesetzt werden.

Mit der Einführung der BayBO:1982 wurde der "verantwortliche Bauleiter" dann gestrichen und es gibt seitdem nur das "Dreigestirn" (Bauherr, Entwurfsverfasser, Unternehmer).

Mit vorweihnachtlichen Grüßen,
R.Witzl

Alien1973

Wir haben zuletzt ein Hotel (Sonderbau) genehmigt und hatten auch die Prüfung des BSN. Die Genehmigung war schon schwierig, der Bauherr hat 3x den Planer gewechselt. Dann kam die Bauphase mit der Prüfung des BSN auch auf der Baustelle. Da wir wussten dies ist ein schwieriger Fall haben wir auch öfter die Baustelle besucht und div. Baumängel in Bezug auf den Brandschutz festgestellt. Es mussten div. Umbaumaßnahmen nachträglich getätigt werden, da sich der Bauherr nicht an die Genehmigung gehalten hat. Kostete alles Geld und ein Tekturantrag ist jetzt auch noch fällig geworden. Der Bauherr hat gemeint er macht das schon, stammt ja schließlich aus dem Trockenbaugewerbe. Pustekuchen, hat sich den Bauleiter gespart und hat jetzt eben die Mehrkosten zu tragen. Typischer Fall von selber schuld...

So viel Arbeit wie hier mit einer Prüfung, vor allem während der Bauphase, haben wir selten. Die Bauherren halten sich in der Regel an die Genehmigung. Stichprobenartige Prüfungen der Baustellen (wenn wir die Prüfung über haben) belegen das.