Nachhaltiger Brandschutz mit Augenmaß, so wird das nicht funktionieren!
Ein Neubau (erdgeschossige Spielothek) mit ca. 22 Breite und ca. 83 m Länge ist jeweils nach einem Drittel der Länge um ca. 4 m versetzt. Dieses erdgeschossige Gebäude soll in drei Brandabschnitte unterteilt werden. Die beiden Brandwände (hochfeuerhemmend da GK 3) sind jeweils im Versatz geplant, so dass die Brandabschnitte ca. 27 m x 22 m betragen.
Bei dieser Planung stellt sich doch sofort die Frage, ob nicht auf eine Brandwand verzichtet werden kann. Nach Anfrage bei den Zuständigen (ob das nun der Planer, die Behörde oder ein beauftragter Prüfsachverständiger ist tut hier nicht zur Sache), kam die Antwort, dass bei nur einer Brandwandunterteilung die Bauordnung nicht eingehalten wird (Überschreitung der zulässigen Brandabschnittsausdehnung von 40 m, jeweils um 1,5 m). Abweichungen werden im Neubau grundsätzlich nicht zugelassen.
Nach dieser Antwort war ich sprachlos und musste mich erst mal sammeln. Nachfolgend meine Meinung dazu. Ich habe mich auf das bayerische Recht bezogen. Die getroffenen Aussagen gelten sinngemäß in allen anderen Bundesländern.
Lediglich in Rheinland-Pfalz sind Brandabschnittsausdehnungen von bis zu 60 mal 40 m baurechtlich zulässig (2.400 m²). Dort brennt es nicht anders als in Bayern.
Statt Unterteilung in 3 Brandabschnitte sind zwei Brandabschnitte risikogerecht, auch wenn es sich rein formal um eine Abweichung von Art. 28 Abs. 2 BayBO handelt.
Begründung für die Vertretbarkeit dieser Abweichung:
Das Schutzziel von Brandwänden ist im Wesentlichen die Brandausbreitung in Standardgebäuden auf eine Länge von 40 m in beiden Richtungen zu begrenzen, so dass bei einem Vollbrand die Feuerwehr noch wirksame Löschmaßnahmen durchführen kann. Die Rettungswege bzw. die Sicherung der Rettungswege werden durch andere Maßnahmen sichergestellt (Lage, Anzahl und Länge der Rettungswege ggf. noch anlagentechnische oder betriebliche Maßnahmen, siehe auch Grundsatzpapier der ARGEBAU von 2008).
Nach BayBO sind für Standardgebäude Brandabschnittsausdehnungen von bis zu 40 m mal 40 m (also bis 1.600 m²) zulässig und das ohne Begrenzung der Geschosszahl (auch mehrere Kellergeschosse). Das gilt sogar für Hochhäuser.
In einigen Sonderbauverordnungen sind die zulässigen Brandabschnittsflächen abhängig von der Geschosszahl. Für erdgeschossige Gebäude erhöhen sich die zulässigen Brandabschnittsflächen teilweise um ein mehrfaches, als das bei mehr als 5 Geschossen zutrifft.
Eine Spielothek ist ein Sonderbau ohne Sonderbauverordnung (ein sogenannter nicht geregelter Sonderbau). Der Brandschutzplaner hat die Aufgabe für nicht geregelte Sonderbauten den Brandschutz für den konkreten Einzelfall zu planen, also für die vom Standardfall abweichende Nutzung und der sich daraus ergebenen Gefährdung.
Nach Art. 54 Absatz 3 BayBO sind für Sonderbauten nicht nur höhere Anforderungen zu stellen, sondern wenn das die konkreten Nutzungen und die sich daraus ergebenen Gefährdungen zulassen, auch geringere. In diesem Zusammenhang wird auf die Verwaltungsgrundsätze verwiesen, wonach das behördliche Eingreifen nur erforderliche, geeignete und angemessene Maßnahmen zulässt.
Die strikte Einhaltung des Brandschutzkonzeptes von der Stange (BayBO) hat für die meisten nicht geregelten Sonderbauten zur Folge, dass entweder die grundlegenden Schutzziele aus Art. 3 und 12 BayBO nicht erreicht werden oder zu viel Brandschutz eingeplant wird. Das gilt nicht nur für die Ausdehnung von Brandabschnitten oder die sich daraus ergebene Anzahl von Brandwänden.
Nachfolgend günstige Bedingungen in der Spielothek in Bezug auf die Erreichung des Schutzzieles von Brandwänden auf andere Art im vergleichbaren Sicherheitsniveau, weshalb diese Abweichung vertretbar ist (siehe Art. 63 Abs. 1 BayBO).
-Erdgeschossiges Gebäude, was wirksame Löschmaßnahmen besonders günstig beeinflusst;
-Fläche von zwei Brandabschnitten lediglich jeweils ca. 900 m², also viel weniger als die nach BayBO möglichen 1.600 m²;
-Gebäude mit ca. 22 m viel schmaler als die zulässigen 40 m, weshalb sich die Eindringtiefe für die Feuerwehr verkürzt, was wiederum wirksamen Löscharbeiten besonders günstig beeinflusst;
-Zugänglichkeit von allen vier vor allem von den zwei gegenüberliegenden Seiten, was wirksame Löschmaßnahmen besonders günstig beeinflusst (nochmalige Verkürzung der erforderlichen Eindringtiefe);
Die Kosten sollten bei der Brandschutzplanung zwar kein Argument sein. Diese beeinflussen aber die Akzeptanz der Brandschutzmaßnahmen und vor allem die Nutzbarkeit wesentlich.
-Die geplante Anordnung der Brandwände im Versatz erfordert jeweils auf beiden Seiten eine Weiterführung der Brandwände in den inneren Ecken. Bei Anordnung nur einer Brandwand etwa in der Gebäudemitte ist eine Weiterführung über die Außenwand nicht erforderlich. Nur durch den Entfall der Weiterführung der Brandwände über die inneren Ecken hinaus fallen 2 mal ca. 10 m Brandwand weg. Zusätzlich kommt noch die dadurch eingesparte Brandwand und das ohne Sicherheitsverlust gegenüber den baurechtlichen Vorgaben;
-Einsparung einer hochfeuerhemmenden Brandschutztür (bei Entfall einer BW);
-Einsparung mehreren Schotts und Brandschutzklappen, da die Leitungsanlagen und die Lüftungsleitungen nicht zweimal sondern nur einmal eine Brandwand überbrücken müssen;
-Weniger Brandwände bedeutet weniger Vorgaben wegen der sonst erforderlichen Abstände zwischen Brandwänden und Lichtkuppeln oder PV bzw. Solaranlagen;
-Weniger Anforderungen im Bereich der Außenwände, da beispielsweise die brennbaren Wärmedämmungen bei jeder Brandwand unterbrochen werden muss (Materialwechsel);
-Auf die betrieblichen Einschränkungen, welche sich durch die Brandwände ergeben, sollte auch noch hingewiesen werden.
Die Gesamtfläche der Spielothek beträgt ca. 1.800 m².
Nach IndBauRL sind eingeschossige Brandabschnitte mit vergleichbarer baulicher Auslegung von bis zu 3.000 m² zulässig und das ohne jegliche brandschutztechnische Infrastruktur. Die zulässigen Längen und Breiten der Brandabschnitte sind im Gegensatz zur BayBO in der IndBauRL aus gutem Grund nicht vorgegeben (Quadratische Kubatur am ungünstigsten). Das zu betrachtende Schutzziel von Brandwänden (Ermöglichung von wirksamen Löscharbeiten) ist bei gewerblicher Nutzung mehr in Frage gestellt als das in einer Spielothek der Fall ist. Es sind in gewerblich genutzten Gebäuden zusätzliche Randbedingungen zu erwarten, wie z. B. Gefahrstoffe, Maschinen und Anlagen, welche ebenfalls Gefahren für die Einsatzkräfte bergen können bzw. wirksame Löschmaßnahmen eher negativ beeinflussen.
In erdgeschossigen Verkaufsstätten sind Brandabschnitte bis zu 3.000 m² möglich und ohne Löschanlage.
Daraus lässt sich ableiten, dass bei Errichtung der erdgeschossigen Spielothek ganz ohne Brandwandunterteilung das gesellschaftlich zulässige Risiko nicht überschritten ist. Als Kompensation für den Entfall beider Brandwände könnten die anlagentechnischen (z. B. BMA) und betrieblichen Maßnahmen aus der Verkaufsstättenverordnung Berücksichtigung finden.
Die vorgenannten günstigen Randbedingungen gelten auch wenn auf beide Brandwände verzichtet wird.
Festzuhalten ist, solche überzogenen Forderungen tragen nicht zur Akzeptanz des Brandschutzes bei. Das gilt auch wenn nur die zutreffenden Vorschriften ohne Hinterfragung des Sinns der betreffenden Maßnahmen umgesetzt werden. So werden Mittel verschwendet, welche an anderer Stelle gebraucht werden oder auch sinnvoller eingesetzt werden können.
Die zuständigen Brandschutzplaner, Bauaufsichtsbehörden und die beauftragten Prüfsachverständigen sind in der Verantwortung nicht nur „Dienst nach Vorschrift“ zu machen.
Die für das Bauen zur Verfügung stehenden Mittel und Ressourcen sind begrenzt.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Bärschmann
www.nba-brandschutz.de