Hallo Herr Lammer,
eine Pointe habe ich noch nicht gefunden. Es ist m.E. doch zutreffend, was Sie schreiben.
In der Praxis ist das mit den Abweichungen "so eine Sache". Ich behaupte mal, viele Abweichungen von der Bauordnung )oder auch vom Verwendbarkeitsnachweis) werden nicht bemerkt, und wenn, dann durchaus auch unter den Tisch gekehrt und den Beteiligten schöngeredet. Das Schönreden findet i.d.R. gegenüber Nichtfachleuten statt. Das ist nicht nur im Brandschutzwesen so, sondern generell, wenn es um Zweifel oder Mängelrügen geht. Man wehrt sich halt und wenn es keinen Widerstand gibt, bleibt die Sache so. "Klag doch, petz doch, ruiniere dich doch", spricht man nicht aus.
Für den ordentlichen Abweichungsantrag ist die Mitwirkung, also ein besonderer Wille, des Bauherrn erforderlich. Dem wird die Abweichung gegebenenfalls auch schöngeredet. Anders geht das nicht? Doch, im Neubau! Zuerst einmal haben wir doch nach Bauordnung zu planen.
Es ist zivilrechtlich bestimmt nicht geschuldet, kleinere Fensteröffnungen zu planen, als für Rettungswege nach Bauordnung erforderlich. Die Bauordnung gibt ein MINDESTMASS an. Und im Straßenverkehr gibt die STVO die zul. Höchstgeschwindigkeit vor. Nicht der Polizist ist der Buhmann, wenn er kein kein Auge zudrückt. Manche Leute glauben, sie dürften 10% schneller fahren. (Das ist ja nur die Messtoleranz.) Mit unseren Zollstöcken können wir am Bau übrigens viel genauer messen. Tun wir es doch.
Es ist nicht Aufgabe der Baubehörden, Brandschutzplaner und Sachverständigen, bei solchen Abweichungen von Grenzwerten mitzumachen. Das ist m.E. zu oft falscher Ehrgeiz. Sicherlich ist das bequemer, als gegenzuhalten. Und wir werden oft von denen bezahlt, die Abweichungen durchsetzen wollen und wir fürchten Auswirkungen auf die Auftragslage. Und die Behörden fürchten um ihren Ruf, "pingelig" sind die...
Warum ist es denn so, wie Herr Bußmann oben schrieb: "...das Problem taucht hier im Schnitt einmal im Monat auf, meistens im DG- klassische Fehlplanung."
Wo man Fehlern bzw. Grenzwertüberschreitungen ständig nachgibt, etwa weil man nicht kleinlich erscheinen will, wird das Überschreiten und Abweichen zur Regel.
Ist schon klar, wer fällt bei 89 cm Geländerhöhe aus dem Fenster, während es heißt, 90 cm wären sicher. Mangel!
Der Planer hat Toleranzen zu berücksichtigen und zeichnet 92 cm, damit das Mindestmaß am Ende passt. Das schuldet er. Und der Schlosser hat das eher auch zu tun, auch weil er nicht weiß, wie dick letztendlich der Bodenbelag wird. Ich war bei Streitigkeiten beteiligt, wo der Schlosser die Schuld zugewiesen bekam. Er konnte den Maßbezug nicht mehr beweisen, weil der Meterriss verschwunden war, was ja üblich ist. Da lacht der Bauträger. Bei unseren Abweichungen geht es meistens noch um Größeres als einen Zentimeter.
MfG. G.Karstens