Dachaufbau Hochhaus, Genehmigung 04.1972

Benutzer_2149

Hallo Kollegen,

ich habe kürzlich das Flachdach über einem Hochhaus (10 Etagen, < 30 m) öffnen lassen und festgestellt, dass EPS als Dämmung verbaut wurde. Da stellt sich die Frage, ob man hier von Bestandsschutz ausgehen kann? Zum Zeitpunkt der Genehmigung galt ja bereits die DV zur BayBO vom 26.01.1972. In dieser finde ich aber nichts Genaueres zu den Anforderungen an Dächer über Hochhäusern. Nach intensiver Recherche im Netz bin ich dann auf eine Antwort des Bayerischen Landtags auf die schriftliche Anfrage des Abgeordneten Karl Feller gestoßen. Dort steht auf Seite 2:

„Auch vor der ersten Bayerischen „Nachkriegsbauordnung“ von 1962 gab es in Bayern bereits „Bauaufsichtliche Richtlinien für Hochhäuser“ mit speziellen Brandschutzanforderungen. Einschlägige Anforderung der Richtlinien von 1958 (MABl S. 157) wie auch der Richtlinien von 1954 (MABl S. 1051): Die Außenwände, die Dachkonstruktion und die Dachschalung müssen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen (jeweils Nr. 5).“

Wenn hier (bereits 1954) steht, dass die Dachkonstruktion aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen muss, ist m.E. auch die Dämmung gemeint? Und damit dürfte doch auch kein Bestandschutz gegeben sein? Wie ist euere Meinung dazu?!?

Gruß und frohes Schaffen

E. Kaufmann

vonhof

Hallo E. Kaufmann,

ob Bestandsschutz besteht oder nicht können Sie so nicht feststellen. Den Vorschrift widerspricht der Aufbau erst einmal nicht. Zwei Punkte:

1. Die HHRL war und ist eine Verwaltungsvorschrift, die - wie auch in der Bekanntmachung von 1958 stand (und was bei Verwaltungsvorschriften immer so ist) - von der Verwaltung bei der Prüfung eines Hochhauses zugrunde gelegt werden sollte. Die Richtlinie entfaltete also aus sich heraus keine Rechtswirkung und muss streng genommen vom Bauherren erst einmal nicht beachtet werden (was heute nicht anders ist). Das war dann mit den DVOen anders, aber da stand bezüglich Dächern von Hochhäusern auch nichts drin, wie sie bereits festgestellt haben.

2. Die Begriffe sind so zu verstehen, wie sie da stehen. Die Dachkonstruktion ist das Tragwerk, die Dachschalung die untere Lage der Bedachung, die den darauf liegenden Aufbau aufnimmt (also im Wesentlichen Dämmung und Dachhaut). Über die Dämmung wurde nichts gesagt, also wurden an diese auch keine "besonderen" Anforderungen gestellt außer normalentflammbar.

Welche Anforderungen tatsächlich gestellt waren können Sie so nicht feststellen. Das ergibt sich nur aus den Baueingaben und der Baugenehmigung.

Gruß

Alexander Vonhof

Feuer-Hewi

hallo Herr Kaufmann,

zu der Bau-Zeit hatte die Bayerische Versicherungskammer beim Brandschutz noch "das Sagen" und ein Merkblatt 3.2-1 (Ausgabe Mai 1972) mit den HH-Anforderugnen herausgegeben.

Dort heist es:

7. Dächer

7.1 Dachtragwerke

Dachtragwerke sollten im Hinblick auf die erschwerte Brand-

bekämpfung bei Hochhäusern möglichst aus nichtbrennba-

ren Baustoffen bestehen. Dachräume müssen gut Iüftbar

und vom Treppenraum unmittelbar zugänglich sein {Öffnun-

gen in feuerbeständigen Decken siehe Abschnitt 5}.

7.2 Dachhaut

Für Hochhäuser ist nur harte ‘} Bedachung zulässig. Die Ver-

wendung durchwegs nichtbrennbarer Baustoffe wäre dabei

zweckmäßig.

8.8 Dämmschichten

Dämmschichten auf oder in Wänden und Decken müssen

mindestens den gleichen Anforderungen genügen. wie sie

für Verkleidungen festgelegt sind. In mehrschaligen Wand-

tafeln mit mindestens einer feuerbeständigen Schale aus

mineralischen Baustoffen dürfen Dämmschichten jedoch

aus normalentflammbaren Baustoffen bestehen. wenn die

Dämmschicht im übrigen durch Schalen aus mineralischen

Baustoffen von mindestens B cm Gesamtdicke vor einer Ent-

flammung geschützt ist; leichtentflammbare Baustoffe dür-

fen verwendet werden, wenn sie in jeder Wandtafel zusätz-

lich an den Schmalseiten durch mindestens 2 cm breite

mineralische Baustoffe abgeschlossen sind.

in der Ausgabe Merkblatt 3.2-2, Mai 1973 heißt es:

6.4 Dämmschichten

Dämmschichlen auf oder in Wänden und Decken müssen

mindestens den gleichen Anforderungen genügen, wie sie

für Verkleidungen festgelegt sind. In mehrschaligen Wand-

tafeln mit mindestens einer feuerbeständigen Schale aus

mineralischen Baustoffen dürfen Dämmschichten jedoch

aus normalentflammbaren Baustoffen bestehen, wenn die

Dämmschicht im übrigen durch Schalen aus mineralischen

Baustoffen von mindestens 6 cm Gesamtdicke vor einer Ent-

flammung geschützt ist: leichtenlflammbare Baustoffe dür-

fen verwendet werden , wenn sie in jeder Wandtafel zusätz-

lich an den Schmalseiten durch mindestens 2 cm breite

mineralische Baustoffe abgeschlossen sind .

7. Dächer

In Gebäuden mit mehr als 2 Vollgeschossen ist nur harte ´)

Bedachung zulässig. Die Verwendung durchwegs nicht -

brennbarer Baustoffe wäre dabei zweckmäßig . Dachräume

müssen gut lültbar und vom Treppenraum unmittelbar zu-

gänglich sein (Öffnungen in feuerbeständigen Decken siehe

Abschnitt 5).

´) Als harte- Badachung gelten ohne besonderen Nachwis und ohne Rück-

sicht auf die Dachneigung folgende Bedachungan und Dachabdichtungen

(DIN 4102 B lan 4 Abschnitt 7.6):

Dacheindeckungen aus natürlichen und künstlichen Steinen .

Dacheindeckungen aus Betonplatten.

Dacheindeckungen aus Asbetzememtplatten nach DIN 274.

Stahl· und sonstige Metalldacher ohne Damm- oder Deckschichten aus Bau·

stoffen der Klasse B.

fachgerecht nach DIN 18338 auf Holzschalung oder einer anderen minde·

stens gleichwertigan Unlerlage ohne Dämmschichten aus Baustollen der

Klasse B verlegte

Teerdachpappen nach OIN 52121

Bitumundachpappen nach DIN 52128

Bitumen·Dachabdichtungsbahnen mit Rohfilzpappen-Einlage nach DIN 52130

oder Teer·Sonderdachpappen und Teer-Bitumendachpappen. beide mit beider-

seitiger Sonderdeckschicht nach DIN 5214O

Neben den vorstehend ganannten Dacheindeckungen und Dachabdichtungen

haben noch folgende Dacheindeckungen und Dachabdichtungen mit darun-

terliegenden Wärmedämmschichten, auch aus brennbaen Baustoffen (Klasse

BI auf Holzschalung oder einer anderen gleichwertigen Unterlage mit fol·

gandem Aufbau (von oben nach unten) den Nachweis erbracht, ausreichend

widerstandsfähig gegen Flugfeuer und Strahlende Wärme zu sein :

a) 1 Lage Bitumandachpappe 500 DIN 52128 und

1 Lage Glasvlies-Bitumen-Dachbahn 3 odar 5 gamäß RAL-Güte·

bedingungen

b) 2 Lagen Glasvlies·Bltumen-Dachbahnen l odar 5 gamäß RAL-Güte·

bedingungen

c) 2 Lagen Bitumandachpappen 500 OIN 52128 und

1 Lage Bitumendachpappe 333 oder 500 DIN 52128

In beiden Merkblättern gibt es kene explizide Aussage zur "Aufdach-Dämmung".

Sieht man das Dach als Decke des obersten Geschoss, wäre in Verbindung mit einer Kiesschüttung, die damals durchaus üblich war, eine Interprtation analog einer Geschossdecke möglich (wenn auch nicht unbedingt sinnvoll).

mfG

der Feuerteufel

Schreibfehler in dem zitierten Text sind dem schlechten Scann/Kopieren geschuldet; habe versucht, diese zu finden, kann aber noch was übersehen haben - sorry;

Benutzer_1388

Interessante Frage, ob das damals zulässig war. Aber ist die korrekte Antwort wichtig? Helfen Antworten auf Rechtsfragen in der Sache weiter?

Warum sollte die Dämmung auf einem Hochhaus damals und heute nichtbrennbar sein? Weil man nicht zum Löschen dran kommt?

Warum öffneten Sie jetzt das Dach, Edika? Weil es sanierungsbedüftig ist und/oder weil die Wärmedämmung verbessert werden soll? Wie dünn ist die EPS-Dämmung von 1972 (vor der 1. "Ölkrise")? Will man die Dämmung verbessern und Steinwolle drüberkleben? Das ist technisch u.U. machbar. Lohnt sich der Erhalt der alten Dämmung? Wenn nein, erübrigt sich die Frage zumindest für das Objekt. Wenn ja: Wie schlimm wäre die brennbare Schicht, wenn sie nichtbrennbar mit Steinwolle abgedeckt wird?

Die konstruktive Frage wäre noch: Ist ein weiches Dämmpaket noch sinnvoll, wenn es sehr dick sein soll? Reicht das Geld nicht für Schaumglas?

Wie ist die Dachdecke bzw. das Dach konstruktiv aufgebaut? Der Begriff Konstruktion bezeichnet nicht nur die standsicherheitsrelevanten Teile. Man konstruiert auch in bauphysiklischer und architekonischer Hinsicht.

Also: Wie ist der genaue Sachverhalt?

Benutzer_1470

Die Merkblätter von den Versicherungskammern hatten damals wie heute keine rechtliche Relevanz. Für damals galt sinngemäß, das was Herr Vonhof im 1. Beitrag zu den Richtlinien geschrieben hat und das auch nur für die brandschutztechnischen Stellungnahmen der Versicherungskammer.

Auch in den 70ger Jahren war die Bauaufsichtsbehörde zuständig, welche auf dem Land (ohne Berufsfeuerwehr) die bayerische Versicherungskammer um Stellungnahme zum Brandschutz gebeten hat. Die Hinweise der Versicherungskammer wurden teilweise bzw. in der Regel in den Baugenehmigungen übernommen.

Da es auf dem Land selten Hochhäuser gab, ist davon auszugehen, dass die zuständige Bauaufsichtsbehörde die brandschutztechnische Stellungnahme durch die in den Großstädten zuständige Berufsfeuerwehr gewürdigt hat. Inwieweit die Merkblätter der Versicherungskammer dabei damals berücksichtigt wurden, lag im Ermessen der jeweiligen Berufsfeuerwehr (ggf. des jeweiligen Mitarbeiters).

In den letzten 30 Jahren waren die Merkblätter der Versicherungskammer keine Grundlage von brandschutztechnischen Stellungnahmen der Berufsfeuerwehren im Baugenehmigungsverfahren. Das ergibt sich schon aus den unterschiedlichen Schutzzielen zwischen den baurechtlichen Vorgaben und denen der Versicherungen. Aus gleichem Grund wird die bayerische Versicherungskammer nicht mehr im Baugenehmigungsverfahren beteiligt (es gab noch andere Gründe).

Norbert Bärschmann