Zweiter bauliche Rettungsweg über Balkon

Benutzer_3665

Liebe Kollegen,

Bei einem Neubau, GK III, 7 NE Gewerbe wird der 1.RW nach Baurecht sichergestellt. 1.+2. RW sind voneinander unabhängig.

Der 2.RW vom 1.OG+2.OG erfolgt über eine notw. Außentreppe.

Der Zugang zu der notw. Außentreppe erfolgt geschoßweise über einen durchgängigen Balkon vor den Nutzungseinheiten.

Wird der Balkon durch die Nutzung als 2.RW zu einem notwendigen Flur (Laubengang) mit entsprechenden baurechtlichen Anforderungen?

Oder erfolgt der 2.RW über den Balkon von NE1 zu dem Balkon von NE2 zu der notw. Außentreppe, dann ohne Anforderungen.

BayBO Art. 31 + 34 bieten mehrere Interpretationen an, sind aber nicht eindeutig.

Danke für Eure Sichtweisen.

WernerMueller

Hallo Apala,

formal wird der "Balkon" zu einem Laubengang (Art. 34 (1) S.1 i.V.m. (5) BayBO). Damit wäre auch geklärt, dass es keinen "Balkon zu NE 1" oder "Balkon zu NE 2" geben kann; das sind dann Allgemeinflächen (wegen Zugänglichkeit etc.).

Ob man diesen Laubengang nun streng nach Art. 34 (5) BayBO ausführt (eine (?) Fluchtrichtung), ist eben nun genau der Punkt und die Bewertung ist die Aufgabe eines BS-Planers.

Im Hinblick darauf, dass es einen (unabhängigen) 1. RW gibt, könnte man sich hier bestimmt mit Abweichungen (z.B. wg. Brüstungshöhe Fenster, Türqualitäten, feuerhemmende Umwehrung) anfreunden...

Gruß

Werner Müller

clammer

Guten Tag,

ich zitiere aus der Kommentierung* zur BauO NRW:

"Wird lediglich der zweite Rettungsweg über eine Außentreppe geführt, sind an die Außentreppe als zweiter Rettungsweg keine höheren Anforderungen zu stellen als an den Einsatz von Rettungsgeräten der Feuerwehr. Der Verlauf einer Außentreppe vor Fenstern der Nutzungseinheiten ist in solchen Fällen grundsätzlich möglich."

Gruß

C. Lammer

* Boeddinghaus et al

Kommentar zur BauO NRW

Benutzer_465

Danke, Herr Lammer.

das finde ich ja mal einen stichhaltigen Kommentar.

zur Ausgangsfrage meine Auffassung: dies sind keine Flure und keine notwendigen Flure, sondern verlängerte Balkone (oder Treppenpodeste).

Es gibt Laubengänge an Wohnhäusern, welche regulär als notwendiger Flur und 1.Rettungsweg geplant wurden (und dieser Fall ist in den Bauordnungen m.E. gemeint).

Gruß

M. Koeppen

Benutzer_3665

Besten Dank für die Hilfestellungen!

Mein geistiger Stolperstein war die allgemeine Behandlung von Rettungswegen:

BayBO, Art. 34 Notwendige Flure, offene Gänge

"(1) 1Flure, über die Rettungswege aus Aufenthaltsräumen oder aus Nutzungseinheiten mit Aufenthaltsräumen zu Ausgängen in notwendige Treppenräume oder ins Freie führen (notwendige Flure), müssen so angeordnet und ausgebildet sein, dass die Nutzung im Brandfall ausreichend lang möglich ist."

Nach mehrmaligen Recherchen im Feuertrutz bin ich auf folgenden Kommentar gestoßen:

"Als weitere Sonderlösung ist auch ein zweiter RW in andere Brandabschnitte bzw. brandschutztechnisch getrennte Bereiche oder über Terrassen und begehbare Dächer möglich. In diesen Fällen sind jedoch immer eine Abstimmung mit der den Brandschutz prüfenden Stelle und eine entsprechende Abweichung (Ausnahme/Befreiung) notwendig."

Die Sichtweise vom LRA werde ich nachtragen.

Einen schönen Abend!

Benutzer_1470

Der 2. Rettungsweg ist eine anleiterbare Stelle der Nutzungseinheit oder er muss über einen notwendigen Flur bzw. Laubengang zu einer weiteren notwendigen Treppe führen, welche die Vorgaben von Art. 32 und 33 BayBO entspricht (Art. 31 Abs. 2 mit Art. 34 BayBO). Es ergibt sich kein Spielraum ohne dass vom Baurecht abgewichen wird.

Die Rettungswegführung über andere Nutzungseinheiten bzw. fremde Balkone sieht das Baurecht definitiv nicht vor. Das gilt auch für die Führung einer notwendigen Außentreppe vor Fensteröffnungen.

Herr Müller hat die Lösung bereits dargestellt (keine Balkone sondern ein notwendiger Laubengang welcher algemein zugänglich ist).

Ob nun die Abweichungen in Bezug auf die Decken des Laubenganges und die Außenwandanforderungen im Bereich des Laubengangs bzw. vor der Außentreppe vertretbar sind, muss unter Berücksichtigung der konkreten Randbedingungen geprüft werden.

Im Übrigen ist auch die Anleiterung eines Laubenganges oder eines notwenigen Flures im Baurecht nicht vorgesehen.

Norbert Bärschmann

Benutzer_3665

Hier die Sichtweise vom LRA:

"Prinzipiell werden Abweichungen nicht gerne gesehen, erst recht nicht beim Neubau.

Man könne auch so planen, dass keine Abweichungen notwendig wären."

Aua!

Die Außentreppe bedient nun nur eine NE, die anderen NEen werden angeleitert.

Dem Baurecht ist Genüge getan, der Bauherr freut sich, nicht aber die Feuerwehr!

Gruß, Apala

Mattes

Hallo Diskutanten,

mir fehlt noch das Verständnis:

Gemäß Baurecht reicht zur Sicherstellung des zweiten Rettungsweges im Wohnungsbau oder wohnungsähnlicher Nutzung eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr anleiterbare Stelle, also ein Fenster.

Ist ein Balkon vorhanden, freut das die Feuerwehr, weil Menschenrettung und Brandbekämpfung über einen Balkon viel leichter möglich sind. An die Bauteile des Balkons werden in diesem Fall keine Anforderungen an den Feuerwiderstand gestellt.

Nun wird zusätzlich eine Außentreppe an den/die Balkone angeschlossen. Spitze. Und als Belohnung soll der Bauherr nun Anforderungen an einen zweiten baulichen Rettungsweg erfüllen?

Jetzt lese ich gerade noch einmal die Ausgangsbeschreibung von Apala: Liegt es in dem angefragten Fall möglicherweise an der Nutzung "Gewerbe" mit entsprechenden Flächen oder Personenzahlen? Das könnte heißen, dass die Sicherstellung des 2. RW über Leitern der Feuerwehr ohnehin nicht zulässig wäre, dann wäre ich bei der Antwort von baersch.

Wäre auch für ein Gewerbe, z.B. eine Arztpraxis, der 2.RW über die Leitern der Feuerwehr ausreichend, bin ich bei Herrn Lammer mit dem Kommentar zur LBO NRW...

Gruß

Matthias Bußmann

Benutzer_1470

So wie ich die Ausgangsfrage verstanden habe, führen die 2. RW über fremde Balkone. Das ist nicht zulässig. Diese Balkone können zu notwendigen Laubengängen werden, wenn die Anforderungen weitgehend erfüllt werden (vor allem sind das keine Balkoneder einzelnen Wohnungen mehr.

Da nur einer von zwei Rettungswegen über die Laubengänge führt, ergeben sich auch keine Anforderungen an die davorliegenden Außenwände. Diese Laubengänge sind so auszustatten wie Laubengänge mit zwei Richtungen.

Weitere Erleichterungen sind als Abweichungen im Einzelfall zu beantragen.

Ohne die Umwitmung der durchgehenden Balkone als Laubengänge muss jede Nutzungseinheit angeleitert werden können. Das gilt natürlich auch für einen Balkon der jeweiligen Nutzungseinheit. Dann ist auch keine Außentreppe erforderlich.

Wenn diese trotzdem vorgesehen wird, ergeben sich an diese Außentreppe keine Anforderungen, ggf. wird die Bauaufsichtsbehörde was dagegen haben, aber nicht aus Brandschutzgründen.

Im Grunde "fischen wir in trüben Gewässer", da jeder ein anderes Bild vor aucgen hat.

Norbert Bärschmann