Hallo Herr Witzl
In meinen Beiträgen steht, dass die besonderen Brand- oder vergleichbaren Gefährdungen bei der BS- Planung zu berücksichtigen sind (wie in der BauVorlV vorgegeben). Lediglich das gesellschaftlich zulässige Risiko kann aus dem Arbeitsschutzrecht entnommen werden (Arbeitsstättenrecht berücksichtigt nur die Arbeitsstätte und nicht die besonderen Gefährdungen).
Ich dachte dieses Thema hat sich bereits rumgesprochen. Denn in den letzten Jahren gab es immer wieder entsprechende Vorträge beim Feuertrutz (z. B. von Dr. Stöckmann und auch von Herrn Koch).
Nachfolgend ein Auszug einer Ausarbeitung von mir (schon 10 Jahre alt).
Beispielsweise ist bei der Prüfung von BS-Nachweisen oder Konzepten immer wieder festzustellen, dass im Zuge der Planungen die BS-Planer und Architekten nur baurechtliche Aspekte berücksichtigen. Die besonderen Gefahren, welche sich aus den Nutzungen ergeben oder die Berücksichtigung anderer Rechtsgebiete, werden schon bei den allgemeinen Angaben der Brandschutzplanungen ausgeschlossen. Diese Aussage trifft in besonderem Maße auf Industriegebäude oder im Gewerbebau zu.
Die Berücksichtigung der Nutzung selbst bzw. die besonderen Gefahren, welche sich aus der geplanten Nutzung ergeben, werden dem späteren Betreiber überlassen. Das trifft auch dann zu, wenn die spätere Nutzung schon bekannt ist.
Wenn der Betreiber vor Inbetriebnahme die obligatorische Gefährdungsbeurteilung durchführt, stellen sich oft Schwachstellen oder Abweichungen von einzuhaltenden Vorschriften des Arbeitsschutz- oder des Gefahrstoffrechtes heraus, welche zusätzliche Maßnahmen des baulichen, anlagentechnischen oder betriebliche Brandschutzes und teilweise auch zusätzliche Anforderungen an den abwehrenden Brandschutz, erforderlich machen.
Unabhängig von den gewerblich/industriell genutzten Gebäuden trifft diese Verfahrensweise auch in anderen Nutzungen zu, vor allem im Krankenhausneu- und -umbau. Die Brandschutzplaner wenden die in einigen Bundesländern eingeführten Brandschutzkonzepte vollständig (Sonderbauvorschriften) an, ohne die besonderen Gefahren auch nur ansatzweise zu berücksichtigen (z. B. die BbgKPBauV /28-1/, im Zusammenhang mit der Landesbauordnung, den eingeführten Technischen Baubestimmungen und den Verordnungen über technische Anlagen). Neben den krankenhaustypischen bzw. besonderen Bereichen wie Operationsbereiche, Kreißsäle, Intensivstationen werden Forschungsbereiche, Bereiche mit ABCDE Gefahren wie Labore, Lager für Medikamente, medizinische bzw. andere Druckgase, Röntgenstationen u.s.w. entweder erst gar nicht in den Brandschutzplanungen erwähnt oder den Betreibern aufgetragen, selbst erforderliche Sicherheitsmaßnahmen festzulegen.
Die nachfolgenden konkreten Beispiele sollen diese Problematik darstellen. Diese sind keine Einzelfälle, sondern eine Auswahl. In den Beispielen wird darauf verzichtet, alle erforderlichen und kostspieligen Umbauten aufzuzeigen, welche nach Übernahme des Betreibers erforderlich werden.
Beispiel 1, Neubau eines Laborgebäudes:
Ein Laborgebäude (Gebäudeklasse 3) wird nach Landesbauordnung geplant, von der Behörde geprüft und errichtet. Der Brandschutzplaner berücksichtigt die Laborräume oder Räume mit ggf. besonderer Nutzung durch feuerbeständige Einhausung (Tür T 30) und sieht vorsorglich zwei bauliche Rettungswege vor, da es sich um einen Sonderbau handelt.
Nach Übergabe bzw. vor Nutzungsaufnahme wurde bei Erstellung der Gefährdungsbeurteilung vom Betreiber festgestellt, dass für die teilweise als BIO II und BIO III einzustufenden Labore bzw. Laborbereiche zusätzliche bauliche, anlagentechnische und gebäudetechnische Maßnahmen erforderlich sind. Das genehmigte BS- Konzept ist zu überarbeiten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang z. B. erhöhte Anforderungen an die tragenden und raumabschließenden Bauteile des gesamten Gebäudes (feuerbeständig), die Anzahl der Ausgänge aus den Laborräumen (Fluchtwege), die Feuerwiderstandsfähigkeit und Rauchdichtigkeit der Laborzugangstüren (Schleuse mit zweimal T 30 RS und Sichtfenster), die Baustoffanforderungen der Verkleidungen von Wänden, Decken und Böden der Labore, die Feuerwiderstandsfähigkeit der Belichtungsöffnungen ins Freie (öffenbare Fenster sind ab BIO III nicht zulässig), die Lüftungs- bzw. Absauganlagen sowie die Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, Sicherheitsbeleuchtung, Sicherheitsstromversorgung, Blitzschutzvorkehrungen und an die Rückhaltung von Gefahrstoffen, Abwasser und Löschwasser. Außerdem ist eine geeignete Löschanlage zu installieren /122/.
Die zusätzlichen betrieblich/organisatorischen Maßnahmen, wie die Bestellung eines Brandschutzbeauftragten, die Erstellung einer Brandschutzordnung, die Kennzeichnung der Gefahrenbereiche, die Ausstattung mit geeigneten Handfeuerlöschern, die Zugangsregelung bzw. die Verhinderung des Zutritts von Unbefugten und das Vorhalten von Informationen über biologische Arbeitsstoffe bzw. Gefahrstoffe, lassen sich in der Regel nachträglich ohne besonderen Aufwand sicherstellen.
Gleiches gilt für die zusätzlichen Anforderungen des abwehrenden Brand- und Gefahrenschutzes. Zu nennen sind: Erstellen eines Feuerwehrplanes, Organisation eines Lotsendienstes, Beratung der Einsatzkräfte durch fach- und ortskundige Betriebsangehörige und Vorhalten von geeignetem Desinfektionsmittel für die Einsatzkräfte.
Es ist aber leicht nachvollziehbar, dass der erforderliche Umbau des Neubaus vor der ersten Nutzung so nicht geplant war und vermeidbare Kosten verursachte.
Beispiel 2 Neubau einer Wertstoffsammelstelle
Die Brandschutzplanung wurde bei einer Brandschutzdienststelle vorgestellt. Der BS- Nachweis sollte sich weitgehend nur auf die baurechtlichen Anforderungen beziehen. Lediglich die feuerbeständige Einhausung von Gefahrstoffen wurde berücksichtigt.
Im Laufe der Besprechung wurden die Gefährdungen, welche sich aus der bekannten Nutzung ergeben, herausgearbeitet. Zu nennen sind beispielsweise:
• Nähe einer Hochspannungsleitung (Einwirkung auf die Leitungstrasse bzw. Gefahren für die Einsatzkräfte im Brandfall)
• Lagerung brennbarer Flüssigkeiten (besondere Brandgefahren und Explosionsgefahren für Mitarbeiter, Kunden und Einsatzkräfte)
• Lagerung von giftigen und teilweise wassergefährdenden Abfällen wie Feststoffen und Flüssigkeiten (Gesundheitsgefahren für Mitarbeiter, Kunden und Einsatzkräften, Gefahren für das Grund- bzw. Oberflächenwasser einschließlich der Kanalisation)
• Lagerung von Druckgasbehältern mit brennbaren, nichtbrennbaren und teilweise giftigem Inhalt (Druckgefäßzerknall mit Auswirkungen für Mitarbeiter, Kunden, Einsatzkräften)
Auf die „normalen“ Gefahren, welche mit der Nutzung von gewerblich genutzten Gebäuden im Zusammenhang stehen und die daraufhin erforderlichen Maßnahmen, wird hier nicht weiter eingegangen.
Festzuhalten ist, dass nicht nur Baurecht, sondern zusätzlich arbeitsschutzrechtliche, gefahrstoffrechtliche, wasserrechtliche Belange betroffen sind, was die Erweiterung der Schutzziele auf diese Bereiche erfordert. Die Schutzzielnachweisführung ist Inhalt der BS- Planung.
Beispiel 3, Neubau Tankstelle:
Ein Shopgebäude einer Tankstelle wird in einem Baugenehmigungsverfahren geplant, ohne die direkt benachbarte und teilweise unterhalb der Shopüberdachung liegende Tankanlage, mit Zapfsäulen und Treibstofflagerung, zu berücksichtigen. Der BS- Nachweisersteller fühlt sich für die Tankanlage nicht zuständig. Gleiches gilt für die Bauaufsichtsbehörde. Wenn dieses Gebäude (Gebäudeklasse 3) nicht als Sonderbau eingestuft wird, gibt es eine Baugenehmigung ohne dass der Brandschutz geprüft werden muss.
Die Tankanlage wird nach Betriebssicherheitsverordnung geplant, beispielsweise vom TÜV geprüft und von der Gewerbeaufsicht genehmigt, ohne die benachbarte Shopnutzung zu berücksichtigen, da die Gewerbeaufsicht nicht für das Shopgebäude zuständig ist.
Die in einer Tankstelle möglichen Brand- oder Explosionsgefahren können nicht über unterschiedliche Rechtsgebiete separiert werden. Die gegenseitige Gefährdung ist vorhanden und deshalb für die zusammenhängende Nutzung zu berücksichtigen. Diese Aufgabe ist im BS-Nachweis/Konzept und für den Einzelfall sicherzustellen.
Beispielsweise sind die Rettungswege aus dem Shop so zu planen, dass einer nicht über den Tankbereich geführt wird. Auch bei der Auslegung der elektrischen Anlage (Ex- Schutz) und den Blitzschutz, sind für Shopbereiches die benachbarten Gefahren zu berücksichtigen.
Beispiel 4, Neubau einer Recyclinganlage
Die geplante Recyclinganlage besteht aus einem Bürotrakt, einer Lagerhalle von ca. 1800 m² mit Sortierbereich und dem Freigelände von ca. 10 000 m², auf dem große Mengen von Papier- und Kunststoffballen gelagert werden sollen. In der Nachbarschaft (30 m Entfernung) befindet sich ein Tanklager für Treibstoffe, welches die erweiterten Pflichten der Störfallverordnung erfüllen muss.
Der BS- Nachweis betrachtet nur die Halle und das Bürogebäude. Von der Nachweiserstellerin wird vorgebracht, dass ein BS- Nachweise nach BauVorlV nur für Gebäude zu führen sind und nicht für Freilager.
Beispielsweise wird die Löschwasserversorgung mit 1600 l/min festgelegt, was den Anforderungen der IndBauRL für die Hallengröße entspricht, ohne die enormen Brandlasten im Freilager zu berücksichtigen. Die zusätzlichen Anforderungen aus der eingeführten Kunststofflagerrichtlinie wurden nicht berücksichtigt, da diese nicht in einem Gebäude gelagert werden. Die Verordnung über die Verhütung von Bränden (VVB), in der beispielsweise die Abstände von brennbarer Lagerung im Freien zu Grundstücksgrenzen von anderen brennbaren Lagerungen und von Gebäuden geregelt werden, war nicht bekannt.
Die ggf. zu berücksichtigende Nachbarschaft und die sich dadurch ergebenen zusätzlichen Anforderungen wurden nicht akzeptiert, da
„jeder für sein Grundstück verantwortlich ist und die Nachbarprobleme nicht in den BS- Nachweis gehören“.
Vor Errichtung einer neuen Recyclinganlage ist als erstes zu prüfen, ob der Standort überhaupt für die Stationierung geeignet ist. Das gilt vor allem wenn in der Nachbarschaft von störfallrelevanten Anlagen gebaut werden soll (siehe auch § 50 BImschG). Sollte die Genehmigungsfähigkeit vorgenannter Recyclinganlage an diesem Standort möglich sein, sind im Zuge einer Gefährdungsbeurteilung ggf. zusätzliche Maßnahmen zu berücksichtigen, welche den sichern Betrieb gewährleisten (Einhaltung der bauaufsichtlichen Schutzziele, einschließlich der Schutzziele des Arbeitsschutz-, Umweltschutz- und Störfallrechtes). Es können Maßnahmen des baulichen, anlagentechnischen und betrieblichen Brandschutzes zur Anwendung kommen. Im vorliegenden Fall sind ebenfalls abwehrende BS- und auch Maßnahmen des Katastrophenschutzes erforderlich (erweiterte Pflichten der Störfallverordnung).
Beispiel 4 b, Recycling Anlage neben Eisenbahnkesselentladung für Treibstoff
In unmittelbarer Nachbarschaft der Eisenbahnkesselwagenentladung des vorgenannten Tanklagers aus Beispiel 4 besteht bereits eine genehmigte Recyclinganlage mit Freilagerungen. Zwischen den beiden Grundstücken befindet sich eine Brandwand. Allerdings wurde die Möglichkeit der Brandübertragung über Flugfeuer, zwischen den brennbaren Lagerungen und den Eisenbahnkesselwagen (Entfernung von weniger als 10 m), nicht berücksichtigt. In diesem Zusammenhang wird auf die bei Entladung teilweise offenen Eisenbahnkesselwagen hingewiesen.
Auf dem Dach einer an der Grundstücksgrenze zum Bahngelände liegende Lagerhalle wurde nachträglich eine PV- Anlage installiert (grundsätzlich genehmigungsfrei). Die Abmessungen der Halle bzw. der PV-Anlage betragt ca. 150 x 40 m. Die Halle selbst wurde ohne Brandabschnittsunterteilungen genehmig (vollflächige Löschanlage). Das Lagergut ist im Wesentlichen gepresstes, teilweise loses Papier. Das Dach besteht aus 0.6 mm dickem Wellblech, also ohne jeglichen Feuerwiderstand.
Für diese bestehende Recyclinganlage einschließlich der vorgenannten Papierlagerhalle stellt sich die Frage nach dem Bestandsschutz. Schon durch die obligatorischen Gefährdungsbeurteilungen müsste diese Gefahr erkannt und entsprechende Schutzmaßnahmen vorgesehen werden. Bestandsschutz kennt das Arbeitsschutzrecht, das Gefahrstoffrecht und erst Recht das Störfallrecht nicht. Wenn es um die Abstellung von erkannten Gefahren geht ist das zu erreichende Sicherheitsniveau vom vertretbaren Risiko abhängig.
Beispiel 5, Neubau eines Flüssiggastanks
Es wurde eine Produktionshalle im Baugenehmigungsverfahren geplant, geprüft und genehmigt. Der BS-Nachweis berücksichtigte allerdings nicht den, im gleichen Zeitraum von einem anderen Planer und in unmittelbarer Nähe dieser Halle geplante Flüssiggasanlage. Diese Anlage wurde im Zuge eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens geprüft, ohne das benachbarte Gebäude zu berücksichtigen.
Aus brandschutztechnischer Sicht war die Produktionshalle, allein auf Grund der gegenseitigen Beeinflussung bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes, als Sonderbau einzustufen. Der Brandschutznachweis der Produktionshalle musste überarbeitet werden. Neben der eigentlichen Nutzung der Produktionshalle ist auch die gegenseitige Beeinflussungsmöglichkeit, zwischen der Halle und der Flüssiggasanlage, in diesem BS- Nachweis zu berücksichtigen. Beide Genehmigungsverfahren mussten „nachgebessert werden“.
Beispiel 6, Neubau Ärztehaus:
Im Keller werden mehrere Lagerräume für brennbare Flüssigkeiten, Druckgasbehälter und andere Gefahrstoffe vorgesehen. In den Obergeschossen werden Multifunktionsräume geplant (ggf. Nutzung als Labore, Röntgenräume, Kernspinanlagen oder Zahntechnikerwerkstätten). Vom BS-Nachweisersteller werden nur die baurechtlich erforderlichen Maßnahmen berücksichtigt.
Die zusätzlichen Maßnahmen, welche sich auf Grund der besonderen Nutzung ergeben, werden den späteren Nutzern überlassen.
Das Lager für brennbare Flüssigkeiten benötigt beispielsweise folgende zusätzliche Maßnahmen (auf der Grundlage der TRbF 20 /48/, TRGS 510): Festlegung von EX- Schutzzonen, Auslegung der elektrischen Anlage in diesen EX- Schutzzonen, Vorsehen einer Zwangsentlüftung in Abhängigkeit von der Lagerart, Anforderungen an die Baustoffe der Lagerbegrenzung, keine Zulässigkeit von Bodenöffnungen, Vorsehen von Auffangbehältnissen für die Gefahrstoffe, Verhinderung des Zutrittes von Unbefugten, Kennzeichnung, Vorhalten von geeigneten Feuerlöschern, in Abhängigkeit von der Lagermenge, vorsehen von Brand- oder Gasmeldeanlagen.
Beispiel 7, Neubau einer Brotfabrik:
Im BS-Nachweis werden die Produktionsgebäude nach Industriebaurichtlinie geplant, ohne die Gefahren der direkt benachbarten Mehlsilos bzw. die Staubexplosionsgefahr in einigen Produktionsräumen und eine direkt oberhalb des Betriebsgeländes verlaufende Hochspannungsleitung, zu berücksichtigen.
Auch hier sind weit reichende Änderungen erforderlich. Nur in Bezug auf die Hochspannungsleitung ist zu berücksichtigen, dass die Luft über dem Brandherd durch den hohen Rußanteil ionisiert wird. Dadurch kann es zu einem Spannungsüberschlag zwischen der Hochspannungsleitung und den Einsatzkräften kommen und das auch bei Einhaltung der vorgegebenen Schutzabstände. Bei entsprechender Erhitzung ist die Ausdehnung und bzw. das Durchhängen der Leitungen zu berücksichtigen, was bis zum Reißen der Leitungen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Einsatzkräfte, führen kann.
Beispiel 8, Neubau einer Brauerei:
Im BS-Nachweis werden die Produktionsgebäude nach Industriebaurichtlinie geplant ohne die Gefahren der Malzannahme oder Malzsilos, bei denen Staubexplosionsgefahr besteht, zu berücksichtigen. Auch die Kälteanlage der Brauerei bzw. die vom Kältemittel ausgehende Gefahr, wurde nicht berücksichtigt.
Nach Einzug ist vom Nutzer auf Grund der Gefährdungsbeurteilung beispielsweise die Staubexplosionsgefahr zu berücksichtigen, was zusätzliche bauliche, anlagentechnische, und betriebliche Maßnahmen erforderlich machen. Auch die Vorkehrungen für die Einsatzkräfte sind entsprechend der EX-Gefahren zu erweitern. Gleiches gilt sinngemäß auch für die Kälteanlage, das das Kältemittel giftig ist (Ammoniak). Der genehmigte BS-Nachweis ist kurz nach Nutzungsaufnahme nicht mehr aktuell.
Beispiel 9, Umnutzung einer bestehenden Halle in ein Gefahrstofflager:
Die Lagerhalle wurde nach Mieterwechsel/Nutzungsänderung umgeplant um alle Anforderungen der Industriebaurichtlinie einzuhalten. Die zusätzlichen Anforderungen aus der Nutzung, welche sich auf Grund der unterschiedlichen Gefahrstoffe bzw. Verpackungsarten ergeben (Druckgasgefäße, brennbare Flüssigkeiten oder giftige bzw. sehr giftige Stoffe), wurden im BS-Nachweis nicht ausreichend gewürdigt.
Vor Nutzungsbeginn mussten allein in Abhängigkeit von den Anforderungen an die Zusammenlagerung (TRbF 20 /48/, TRG 280 /50/, TRGS 514 /54/, TRGS 515 /55/, mittlerweile ersetzt durch die TRGS 510), die einzelnen Lagerbereiche feuerbeständig voneinander getrennt werden. Diese Maßnahme erforderte neben den baulichen Veränderungen, die kostspielige Neukonzeption der Lüftungsanlage. Gleiches galt auch für die bestehende Lösch- und Rauch- und Wärmeabzugsanlage.
Beispiel 10, Rettungswegführung aus einem Industriegebäude:
Eine ca. 10 000 m² große Halle mit abgetrennten Räumen in der Halle wurde nach IndBauRL geplant. Die abgetrennten Aufenthaltsräume erhielten entsprechend ihrer Größe entweder einen oder zwei Ausgänge in die Halle (Ziffer 5.5.2 IndBauRL).
Nach Genehmigung, Bau und Übernahme wurde bei der obligatorischen Gefährdungsbeurteilung festgestellt, dass auf Grund der Nutzung einiger der abgetrennten Räume als Aufenthaltsräume, diese als gefangene Räume einzustufen waren. Auf Grund dieser Tatsache mussten zusätzliche Maßnahmen zur Rettungswegsicherung der Aufenthaltsräume vorgesehen werden. Im vorliegenden Fall wurden Verglasungen eingebaut so, eine Sichtverbindung zur Halle möglich war. Zusätzlich wurde noch eine Brandmeldeanlage im gesamten Hallenbereich installiert mit Internalarmierung der betroffenen Aufenthaltsräume. Hätte man eine BMA bei der Auslegung der Halle von Anfang an berücksichtigt, wäre eine kostengünstigere Bauweise möglich (allerdings mit Aufschaltung zur Feuerwehr).
Beispiel 11, „Führung des zweiten Rettungsweges“:
Es wurde ein Callcenter, mit mehreren Bürobereichen, jeweils unter 400 m², geplant, genehmigt und erstellt. Die Rettungswegsituation entsprach, mit einem Zugang zum Treppenraum und einer Anleiterstelle, den baurechtlichen Vorschriften.
Vom Arbeitgeber wurde bei der Gefährdungsbeurteilung festgestellt, dass die ca. 95 Mitarbeiter je Nutzungseinheit keinen sicheren zweiten Rettungsweg haben. Es musste nachträglich eine Außentreppe angebaut werden, da die Rettung von 95 Personen über Leitern der Feuerwehr nicht in einer vertretbaren Zeit möglich ist.
In allen vorgenannten konkreten Beispielen müssen, nach Übernahme oder auf Grund der mit Nutzungsaufnahme durchzuführenden Gefährdungsbeurteilungen, vom späteren Betreiber zusätzliche Maßnahmen umgesetzt werden. Kostenintensiv sind vor allem:
• bauliche Nachrüstungen (z. B. Lage der explosionsgefährdeten Räume an der Außenwand mit Druckentlastungsmöglichkeiten über Fenster oder leichte Dächer, Verkürzung der Flucht- bzw. Rettungswege),
• gebäudetechnische Nachrüstungen (z. B. entsprechende Auslegung der Lüftungs- oder elektrischen Anlage in Explosions- oder anderen Gefahrenbereichen) und
• anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen (z. B. Vorsehen von Lösch- oder Gefahrenmeldeanlagen),
• fallweise auch zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung des abwehrenden Brandschutzes.
Betriebliche Maßnahmen reichen in den meisten Fällen nicht aus, um die nicht berücksichtigten Gefahren aus der Nutzung vollständig zu kompensieren.
Die genehmigten Brandschutznachweise oder Konzepte werden spätestens nach Gebäudeabnahme und Nutzungsbeginn abgelegt und dienen nicht als Grundlage für die spätere Nutzung, nicht einmal für die obligatorischen Gefährdungsbeurteilungen.
Die Möglichkeiten der Instrumente BS-Nachweis/Konzept und Gefährdungsbeurteilung werden nicht genutzt. Außerdem fehlt die erforderliche Verzahnung dieser Instrumente.
Inhalt von brandschutztechnischen Nachweisen
Nach § 11 Abs. 1 BauVorlV /11/ sind für alle nicht verfahrensfreie Bauvorhaben folgende Angaben im BS- Nachweis darzulegen.
• Brandverhalten der Baustoffe und Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile
• Bauteile, Einrichtungen, Vorkehrungen mit Anforderungen hinsichtlich Brandschutz
• Nutzungseinheiten, Brandabschnitte, Rauchabschnitte
• Erforderliche Abstände aus Gründen des Brandschutzes innerhalb und außerhalb des Gebäudes
• Erste und zweite Rettungswege, anleiterbare Stellen
• Flächen für die Feuerwehr, Zugänge und Zu- und Durchfahrten, Bewegungsflächen und die Aufstellflächen für die Hubrettungsfahrzeuge
• Löschwasserversorgung
Nach § 11 Abs. 2 BauVorlV /11/ sind für Sonderbauten, Mittel- und Großgaragen zusätzlich Angaben in Abhängigkeit der Nutzung und den vorhandenen Gefährdungen prüffähig darzulegen:
• Brandschutztechnische Einzelheiten der Nutzung, insbesondere Anzahl und Art der die bauliche Anlage nutzenden Personen einschließlich Einschränkungen auf Grund des Alters- oder Gesundheitszustandes
• Explosions-, erhöhte Brandgefahren, Brandlasten, Gefahrstoffe und Risikoanalysen
• Rettungswegbemessung, Rettungswegkennzeichnung, Sicherheitsbeleuchtung
• Einrichtungen zum anlagentechnischen Brandschutz
• Sicherheitsstromversorgung
• die Bemessung der Löschwasserversorgung, Einrichtungen zur Löschwasserentnahme sowie die Löschwasserrückhaltung
• Betriebliche und organisatorische Brandschutzmaßnahmen
Nach § 2 Satz 3 BauVorlV /11/ sind die Bauvorlagen, bei entsprechenden Gefährdungspotentialen in Arbeitsstätten, der zuständigen Arbeitsschutzbehörde zur Beurteilung zuzuleiten. Das erfordert gezwungenermaßen in den Brandschutzplanungen eindeutige Angaben zu den „Gefährdungspotentialen“ und die Festlegung entsprechender Gefahrenabwehrmaßnahmen.
Im § 9 BauVorlV /11/ wird festgelegt, dass das Vorhaben einschließlich Nutzung, Nutzergruppe und den besonderen Gefahren in der Baubeschreibung zu erläutern ist.
Im vorgegebenen Formular zur Baubeschreibung sind unter Ziffer 7 auch folgende Angaben festzuhalten:
Angaben über die
• „Art der zu verwendenden Rohstoffe,
• Art der herzustellenden Erzeugnisse,
• Lagerung der Rohstoffe und Erzeugnisse, soweit EX- oder Gesundheitsgefahren zu berücksichtigen sind
• und chemische und physikalische Einwirkungen auf die Beschäftigten oder die Nachbarschaft.“
Auch unter Ziffer 2 IndBauRL 2000 /29/ wird auf weitergehende Anforderungen für Industriebauten hingewiesen,
...,welche sich aus den Regelwerken hinsichtlich des Umgangs oder des Lagerns bestimmter Stoffe ergeben, wie beispielsweise Technische Regeln für Gefahrstoffe, Technische Regeln für brennbare Flüssigkeiten, die Löschwasserrückhalterichtlinie und die Kunststofflagerrichtlinie.
Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BauVorlV /11/ kann für Sonderbauten ohne Sonderbauverordnung oder Sonderbaurichtlinie bzw. bei weit reichenden Abweichungen von den Vorgaben aus den vorgegebenen BS-Konzepten, ein objektbezogenes Brandschutzkonzept erforderlich werden.
In diesem objektbezogenem Brandschutzkonzept sind, die auf Grund der in Abhängigkeit des vorliegenden oder besonderen Gefahrenpotentials anzufertigenden Risikoanalyse, geeignete Brandschutzvorkehrungen festzulegen.
Dabei sind nicht immer höhere Anforderungen gegenüber den Standardbrandschutzkonzepten erforderlich. Es können sich auch geringere Anforderungen ergeben. In diesem Fall ist allerdings im BS- Konzept festzuhalten, warum geringere Anforderungen ebenfalls die Schutzzielerreichung sichern. Da die nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BauVorlV /11/ geforderten Risikoanalysen ggf. entsprechende Maßnahmen nach sich ziehen, sind diese mit Gefährdungsbeurteilungen vergleichbar. Daraus kann abgeleitet werden, dass bei Vorliegen entsprechender Gefährdungen eine Gefährdungsbeurteilung schon im Baugenehmigungsverfahren zwingend vorgeschrieben ist. Diese Aussage gilt nur für entsprechende Sonderbauten.
Die Liste der Sonderbauten, mit Erfordernis der dafür zusätzlichen Inhalte von Bauvorlagen, ergibt sich aus Art. 2 Abs. 4 BayBO /6/. Im Zusammenhang mit dem Thema der Abschlussarbeit und der damit hauptsächlich für den gewerblichen Bereich beziehenden Aussagen, wird besonders auf folgende Sonderbauten hingewiesen:
3. Gebäude mit mehr als 1600 m² Fläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung, ausgenommen Wohngebäude und Garagen,
Im Zusammenhang mit der Anlage 3.3/1 der Liste der eingeführten Technischen Baubestimmungen /29/, welche die Anforderungen der Industriebaurichtlinie als eingeführte Technische Baubestimmung konkretisiert, sind in Bayern Industriebauten erst ab 1600 m² als Sonderbauten einzustufen.
16. Regale mit einer Lagerguthöhe von mehr als 7,5 m,
17. bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang mit oder Lagerung von Stoffen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist,
18. Anlagen und Räume, die in Nr. 1 bis 17 nicht aufgeführt und deren Art oder Nutzung mit vergleichbaren Gefahren verbunden sind.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in ungeregelten Sonderbauten nicht nur die baulichen Belange zu berücksichtigen sind, sondern auch die besonderen Gefahren, welche sich aus den Nutzungen oder den erforderlichen Risikobetrachtungen ergeben. Das trifft im besonderen Maße im Gewerbebau zu, da im vorgegebenen Standardbrandschutzkonzept nicht auf alle möglichen Nutzungsarten eingegangen werden kann (Landesbauordnung mit Industriebaurichtlinie, „Eingeführte Technische Baubestimmungen“, die Bauregelliste und die Verordnungen für Technische Anlagen).
Beispielsweise werden bei der Erstellung von Sonderbauvorschriften Maßnahmen aus dem Arbeitsschutzrecht und anderen Rechtsgebieten berücksichtigt bzw. in diese baurechtlichen Vorschriften übernommen, da bei der Umsetzung von „reinen baurechtlichen Vorschriften“ nicht alle Brandgefahren abgestellt werden, welche durch die geplanten Nutzungen möglich sind. Aus diesem Grund arbeiten bei der Erstellung von Sonderbauvorschriften auch Vertreter des Arbeitsministeriums, der Unfallversicherungsträger und auch Mitarbeiter anderen Behörden aus anderen betroffenen Rechtsgebieten mit.
Beispiele für ins Baurecht aufgenommene arbeitsschutzrechtliche Anforderungen bei der Erstellung der Sonderbauverordnung für Krankenhäuser in Brandenburg (BbgKPBauV), mit dem Ziel die Schutzzielerreichung in Abhängigkeit der besonderen Nutzungen sicherzustellen,.
• Erstellung einer Brandschutzordnung
• Bestellung von Brandschutzbeauftragten
• Bereithalten von Löschgeräten und Löschdecken
• Beschilderung von Rettungswegen
• Aufstellung von Flucht- und Rettungswegplänen
• Freihalten von Rettungswegen
• Kennzeichnung von Räumen mit Gefahrstoffen entsprechend der GefStoffV
• Sicherheitskennzeichnung von Rettungswegen
• Sicherheitsbeleuchtung
• Sicherheitsstromversorgung
• Maßnahmen zur Abführung, Beseitigung von gefährlichen Gasen, Stäuben oder vergleichbarer Gefährdungen z. B. durch entsprechend ausgelegten Absauganlagen
• Aufschlagrichtung von Türen im Verlauf von Rettungswegen
• Zusätzliche Rettungswege aus Räumen mit erhöhter Gefahr
• Verkürzung von Rettungswegen bei erhöhter Gefahr
• Anforderungen an Inhalt und Zeitabständen von Belehrungen der Beschäftigten
Alle anderen Sonderbauvorschriften enthalten ebenfalls im Arbeitsschutzrecht geregelte Anforderungen. Das trifft auch auf andere zutreffende Rechtsgebiete zu. Allerdings werden in den moderneren Sonderbauverordnungen nicht alle Anforderungen aus benachbarten Rechtsgebieten übernommen, da viele von sich heraus gelten.
Im Gewerbebau konnte auf Grund der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten bzw. der zu berücksichtigenden Gefährdungen nicht jede Nutzung bei der Erstellung von Sonderbauvorschriften Berücksichtigung finden. Darauf, dass diese Anforderungen aus dem Arbeitsschutz- oder Gefahrstoffrecht trotzdem zu berücksichtigen sind, wurde beispielsweise in Ziffer 2 IndBauRL 2000 hingewiesen (letzter Satz).
Festzuhalten ist, dass in Sonderbauten, ohne Berücksichtigung von zutreffenden Brandschutzmaßnahmen aus anderen Rechtsgebieten (z. B. aus dem Arbeitsschutzrecht), die brandschutztechnischen Schutzziele nicht erreicht werden können und das unabhängig davon, ob diese explizit ins Baurecht aufgenommen wurden oder nicht. Das bedeutet, wenn bei vorgenannten Nutzungen nur die baurechtlichen Vorschriften umgesetzt werden, können diese Sonderbauten zwar errichtet aber nicht sicher genutzt werden.
Deshalb müssen die, in Abhängigkeit von der vorhandenen Gefahr, für den Brandschutz erforderlichen Anforderungen im BS- Konzept Berücksichtigung finden, auch wenn diese nicht in den entsprechende Sonderbauvorschriften enthalten sind. Diese Forderung ergibt sich schon aus der Tatsache, dass vom Gesetzgeber nicht alle Nutzungen berücksichtigt werden konnten oder diese sowieso gelten. Das BS- Konzept konkretisiert die zutreffenden Sonderbauverordnungen für den Einzelfall. Das Ziel ist der Nachweis der Schutzzielerreichung.
Norbert Bärschmann