Barrierefreiheit für Brandschutztüren

HZeitter

Folgende Frage zur Vereinbarkeit:

Ein Hotelbetreiber will für sein großes Hotel bei der Abnahme des Neubaus keine Risiken eingehen. Daher verlangt er von den Planern, sich bei der Ausschreibung eindeutig für eine der beiden folgenden Optionen zu entscheiden:

Variante 1: Für alle Türen - auch denen im Zuge von Rettungswegen - wird eine Anbringungshöhe der Beschläge und Drückergarnituren von 85 cm vorgesehen: Vorteil: Auch die mobilitätseingeschränkten Personen haben die Möglichkeit, die Tür (besser) zu öffnen. Nachteil: Alle anderen Personen erwarten die Beschläge auf der üblichen Höhe von 105 cm. Auch die Einsatzkräfte greifen ohne Sicht beim ersten Mal ins Leere.

Variante 2: Für alle Türen wird die übliche Anbringungshöhe der Beschläge und Drückergarnituren von 105 cm vorgesehen. Besteht ein Risiko, dass eine behördliche Abnahme scheitert?

Da die Barrierefreiheits-Norm DIN 18040 aktuell enger mit der MBe-VO verknüpft wurde, stellt sich die Frage: Welche Vorschrift hat Vorfahrt?

clammer

Guten Tag,

DIN 18040 macht keine verbindlichen technischen Festlegungen, sondern nennt Schutzziele und macht Vorschläge zur Umsetzung.

Die Frage ist, ob die Türen immer oder nur im Gefahrenfall "barrierefrei" geöffnet werden sollen.

Die DIN 18040 sieht das eher so, dass Feuer- und Rauchschutztüren ständig offengehalten oder mit einem Antrieb versehen werden.

Da bei Feuer- und Rauchschutztüren (zumindest im Brandfall) keine "barrierefreien" Bedienkräfte erreicht werden können, stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit der niedrigen Türdrücker.

Dabei muss beachtet werden, dass sich bei den niedrig angebrachten Beschlägen die Öffnungskräfte für die "normalen" Personen erhöhen können.

Mir ist bisher kein Fall bekannt, dass an der Höhe der Drücker eine Abnahme gescheitert ist. Zumal die MBeVO als Mindestziel 10 % barrierefreie Betten nennt und nicht 100 %.

Vielmehr müsste im Brandschutzkonzept erläutert sein, wie die (Selbst-)Rettung der betreffenden Personengruppe ablaufen soll.

Sinnvoll ist ggf. die Einschaltung von Fachleuten für Barrierefreiheit, um eine Lösung zu finden, die allen Personen dienlich ist.

Gruß

C. Lammer

P.S.: Eine behördliche Abnahme kann nur auf Basis der Baugenehmigung erfolgen.

Benutzer_3439

Es gibt eine Anlage 7.3/01 zur DIN 18040-1 von der obersten Baubehörde in Bayern in der die Greifhöhen der Drücker konkretisiert werden. Darin heißt es, dass die 85cm nur in Sanitärräumen anzuwenden sind und überall anders das Maß in Abhängigkeit der Nutzung und des Nutzerkreises zwischen 85-105cm liegen kann.

Dazu gab es auch eine E-Mail vom 21.06.2013 in der die Angaben aus der oben erwähnten Anlage erläutert wurden.

Denke das ist eindeutig.

Benutzer_3290

Bitte beachten Sie auch die Kompatibilität von Panikfunktion, Drückerhöhe, ggf. Mehrfachverriegelung oder auch Brandschutzanforderung... Kann mir vorstellen, dass hier zu zulassungs-technischen Komplikationen kommen könnte. Vor Allem beim Thema Beschlagstechnik.

Benutzer_594

@ Herr Lammer

Die MBStättV geht von 10% der Betten in barrierefreier Ausführung aus, aber eben auch von der barrierefreien Erreichbarkeit aller öffentlichen Bereiche der Beherbergungsstätte.

Allgemein:

In der Praxis sind mir kaum Türen mit Brandschutzanforderungen bekannt, die so leichtgängig sind, das sie barrierefrei zu öffnen sind. und das eben nicht nur an Tag der Abnahme, sondern auch nach Jahren der Nutzung, bei Druckunterschieden usw.

Somit kann davon ausgegangen werden, das die meisten Türen mit Brandschutzanforderungen mit Antrieben, rauchmeldergesteuerten Offenhaltern usw. auszustatten sind. Dann kann der normale (mechanische) Griff auch auf 1,05m bleiben...

Auch im Evakuierungsfall sind ja nur einzelne Bereiche verraucht und dort die Türen ggf geschlossen. Dort wird aber (da ja ggf verraucht) die Selbstrettung eh schwierig, somit auch für die Behinderten.

In den anderen, nicht verrauchten Bereichen, können sich Behinderte noch normal in sichere Bereiche (z. B. vergrößerte Treppenräume) begeben... Die Selbstrettung bis ins Freie ist bisher noch nicht klar geregelt... Aber auch da gibt es brauchbare Lösungen...

Zur eigentlichen Frage:

Die DIN 18040 ist bauaufsichtlich eingeführt, aber wie bei allen eingeführten Normen, können auch andere Lösungen möglich sein, wenn die allgemeinen Anforderungen in gleichem Maße erfüllt werden.

HZeitter

Noch eine Frage oben drauf:

Wenn in einer Tiefgarage Rollstuhlfahrerplätze zwingend ausgewiesen werden müssen, müssen dann nicht auch alle Schleusen barrierefrei ausgebildet werden? Ich kenne eigentlich nur nicht-barrierefreie Schleusen in Tiefgaragen. Oder genügt es, die eine Schleuse bei den Rolli-Stellplätzen entsprechend auszubilden? Darf man argumentieren, dass die Türöffnungskräfte für den Rollifahrer in Fluchtrichtung aufschlagender Türen unkritisch sind? Wenn nein, sind immer motorische Türantriebe zwingend, weil die 25 Newton nicht mit normalen OTS zu schaffen sind?

Gruß

Helmut Zeitter

clammer

In Hessen nicht ...

denn dort wurde die Barrierefreiheit von Wohnungen (siehe § 50 MBO) nicht übernommen.

Soviel zum Thema "müssen".

Gruß

C. Lammer

Feuer-Hewi

hallo Herr H. Zeitter,

das Thema ist etwas komplex, doch es gibt hierzu einige brauchbare Lösungen:

1. OTS /Türantriebe:

die Industrie bietet OTS mit verringertem Öffnungsmoment, speziell für die Barrierefreiheit an, die auch für Brandschutztüren geeignet sind;

n. DIN SPEC 1104; sie sind für die meisten Fälle geeignet und eine Alternative;

darüber hinaus gibt es Türantriebe mit einer automatischen Öffnungshilfe, die noch nicht zu den kraftbetriebenen Türantrieben zählen und daher der höhere Prüf- und Wartungaufwand nicht anfällt (Niedrigenergie-Antriebe/kraftunterstützte Antriebe);

interessant hierzu auch der Artikel: https://www.bfb-barrierefrei-bauen.de/barrierefreie-zugaenge-brandschutzabschnitte/

2. Türdrückerhöhen

auch hier gibt es mehrere Varianten: z.B. Schlösser und Drückergriffe, die als Druck- oder Zugdrücker funktionieren;

z.B.: https://www.hewi.com/de/beschlaege/drueckergriffe/

Diese Drücker können auf 85 cm Schlosshöhe eingebaut werden, sind aber für jedermann auch "normal" zu erreichen, da sie höher sind;

HEWI-TEXT: Flexible Greifhöhe - Einfache Bedienung

Damit auch Rollstuhlfahrer oder kleine Kinder schwere Türen einfach öffnen und schließen können, empfiehlt sich laut DIN 18040 eine Bedienhöhe von 85 cm. Hierdurch wird die Betätigung des Drückers für große Personen und Rollatornutzer unkomfortabel. Eine geeignete Lösung sind Drückergriffe – sie ermöglichen eine flexible Greifhöhe von 75 bis 120 cm.

Ähnliche Griffsysteme bieten auch andere Hersteller, z.B. FSB;

es gibt also viele Möglichkeiten, Sicherheit und Komfort miteinander zu verbinden und die Anforderungen des Brandshcutzes und der Barrierefreiheit zu kombinieren;

Hinweis: es gibt beim DIvB (divb.org) eine Arbeitsgruppe, "Brandschutz und Barrierefreiheit", die sich hier mit den Anforderungen und Lösungen auseinandersetzt; in ihr sind FP + SV Brandschutz und SV Barrierefreiheit, die zusammenarbeiten und Wege suchen, beides miteinander zu verbinden;

Hier kann ich C.LAmmer nur zustimmen:

....Sinnvoll ist ggf. die Einschaltung von Fachleuten für Barrierefreiheit, um eine Lösung zu finden, die allen Personen dienlich ist....!!

Ich selbst haben neben meiner Qualifikation des FP + SV Brandschutz (EIPOS) und Studium zum Sicherheitsingenieur (Arbeitsscherheit), auch eine Ausbildung bei der Architektenkammer Berlin zum SV-Barrierefreiheit in Gebäuden, Außenraum und Städtebau absolviert, da die drei Themen untrennbar zusammenwirken.

Es hat mir bisher sehr viel weitergeholfen!

mfG

der Feuerteufel