Dichtschließend und Glastüren

Benutzer_3172

Sehr geehrte Kollegen,

nachdem ich zu dieser Frage unterschiedliche Aussagen von Prüfern bekommen habe möchte ich diese einmal allgemein stellen:

Türen in notw. Fluren müssen im allgemeinen "dichtschließend" sein. (BayBO, HBO, LBOBW etc..)

Meine bisherige Auffassung war, dass dichtschließende Türen auch vollwandig sein müssen. Dies habe ich mir mit der

ETB DIN 18095 T1 begründet.

Hier steht Zitat: "Nach der Verwaltungsvorschrift

zur Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen (Nr 17.1

WBauO NW) gelten als dichtschließend Türen mit stumpf

einschlagendem oder gefälztem, voliwandigem Türblatt und

einer mindestens dreiseitig umlaufenden Dichtung; Vergla¬

sungen in diesen Türen sind zulässig."

Nun möchte einer meiner Bauherrn Ganzglastüren ohne Feuerwiderstand einbauen (natürlich mit Zarge und 3-seitiger Dichtung)

Nachdem eine vollwandige Türe bekanntermaßen zumindest ein paar Minuten dem Feuer widersteht kann man das von einer Glastüre nicht behaupten.

Nun meine alles entscheidende Frage:

Ist die Vollwandigkeit erforderlich??

Wenn Ja: Müssen Ganzglastüren einen Feuerwiderstand aufweisen?

Besten Dank bereits für eure Antworten.

Mit besten Grüßen

Thorsten Götz

Benutzer_2865

Hallo Herr Götz,

dieses (in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ausgelegte) Thema wurde immer wieder einmal hier im Forum diskutiert. Daher anbei der Link zu einer Antwort:

http://www.brandschutzfachplaner.de/index.php?inhalt=Forum.php&art=antwort&uid=720&frageID=6537&li=#27352

VG,

mc.greg

bskonzept

Hallo,

eine sehr gute Frage!

Es gibt bspw. einen Artikel, der das Ganze auch schon durchdiskutiert, siehe hier:

http://www.quadriga-news.de/www.quadriga-news.de/data/media/1912/23_27_Schopbach.pdf

Wenn man genau nach dem Wortlaut der von Ihnen genannten Definition geht, geht die Ganzglastür nicht, denn dort heißt es: "...Verglasungen IN diesen Türen sind zulässig." Somit bedeutet das, dass Sie ein Türblatt brauchen, welches als vollwandig gilt, und dort bauen Sie dann die Verglasung ein. Wie groß Ihr Glasausschnitt sein darf, wird nicht geregelt.

Würde eine Ganzglastür auch gehen, so müsste es in der Definition heißen:"Ganzglastüren sind ebenfalls zulässig" (oder so ähnlich). Da jedoch nur von Verglasungen IN Türen gesprochen wird, sehe ich es so, dass Ihre Ganzglastür nicht zulässig ist.

Ich bin jedoch gespannt, welche anderen Meinungen zu diesem Thema kommen. Ist wirklich super interessant, wenn solche nicht klar definierten Begriffe im Baurecht vorkommen.

Benutzer_1388

?? "Nach der Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen (Nr 17.1 WBauO NW) gelten als dichtschließend Türen mit stumpf einschlagendem oder gefälztem, vollwandigem Türblatt und einer mindestens dreiseitig umlaufenden Dichtung; Verglasungen in diesen Türen sind zulässig."

Wenn eine vollwandige Tür verglast wird, ist sie doch nicht mehr vollwandig. Und wenn schon, dieser Satz hört sich nach einer nicht unbedingt abschließenden beispielhaften Aufzählung an. Plexiglas sollte nicht zulässig sein? Eine Füllung aus Tischlerplatte auch nicht? Wenn man eine Sache nicht eindeutig regelt, hat man Freiheiten.

?? "Nachdem eine vollwandige Türe bekanntermaßen zumindest ein paar Minuten dem Feuer widersteht kann man das von einer Glastüre nicht behaupten".

Eine Ganzglastür wird aus Einscheibensicherheitsglas (ESG) gebaut. Ich meine, ESG hält bei jeder Einwirkung länger stand als ein verwaltungsvorschriftgemäßes Glas der Füllung in einem Ausschnitt. Mehr als Normalglas ist ja wohl nicht vorgeschrieben.

Was für ein Schutzziel kann dahinter stecken? Vielleicht so: Wenn ein PC qualmt, die BMA anspricht, die Leute hinausrennen, dann könnte das Schließen der Tür durchaus sinnvoll sein. Es könnte ja jemand nach 1 Minute mit einem Feuerlöscher zurückkommen...

MfG. G.Karstens

Benutzer_3368

Noch (m)eine Einzelmeinung unter vielen:

Nachdem diese Flurtüren ja nicht selbstschließend sein müssen, ist m. E. eigentlich jede höhere Anforderung an Feuerwiderstand und Raumabschluss sinnlos bzw. zu hinterfragen, wenn die Türe nachher eh offen stehen darf, bzw. das vorher schön definierte Schutz- und Qualitätsziel davon abhängt, ob im Ernstfall noch jemand die Tür zu macht...

Wenn, dann müsste man eher in die Richtung denken, dass Personen innerhalb eines Aufenthaltsraumes sich noch etwas vor Rauch schützen können, der bereits auf dem Flur ist, indem sie die Türe aktiv zumachen (das würde ich dann wieder voraussetzen) - macht aber natürlich nur Sinn, wenn ich aus diesem Aufenthaltsraum noch einen 2. Rettungsweg (zumindest über Anleiterung) habe und nicht beide RW über den notw. Flur führen.

Benutzer_1525

In der BayBO gibt es die Anforderung vollwandig, dicht und selbstschließend für Türen in notwendigen Treppenräumen.

Der Gesetzgeber kennt und verwendet also den Begriff "vollwandig". Bei Treppenraumtüren stellt er diese Anforderung, bei Flurtüren nicht. Das ist dann doch ziemlich eindeutig, oder?

Gruß,

J. Grath

Benutzer_3172

Hallo Herr Grath,

Simon Busse stellt in seinem Kommentar auch fest, dass dichtschließende Türen Vollwandig sein müssen. RN 50 zu Art. 34.

Ich weiss, dass der Kommentar nicht der Gesetzestext ist. Diese Feststellung ist jedoch schon seit 2009 aufgenommen. Wenn die das irgendwann einmal anders sehen würden hätten sie dies wohl rausgenommen.

Er begründet es im übrigen damit, dass sich ein Röhrenspan oder Papptüre bei einer Hitzeentwicklung im Raum verziehen würde und somit die Funktion dichtschließend nicht mehr gegeben ist.

Ich sehe schon - das Thema ist nicht abschließend geregelt und fordert vielmehr Sachverstand.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Aussage von Herrn Karstens, dass ESG eine gewisse Temperaturbeständigkeit aufweist.

Die Temperaturwechselbeständigkeit von ESG liegt bei +/- 100 °C.

Das würde ja bedeuten, dass die Prüfbedingungen einer RS-Türe mit 200° quasi eingehalten werden - oder? - In diesem Fall gebe ich ihm Recht, dass eine Ganzglastüre tatsächlich das Schutzziel der Rauchdichtigkeit für einen gewissen Zeitraum von vielleicht 3 - 4 Minuten bei einem ETK-Brand standhält.

Hannes

im Gegensatz zu Türen in Öffnungen von Treppenräumen müssen Türen in Öffnungen von Fluren nach der BayBO nicht dichtschließend und vollwandig, sondern tatsächlich nur dichtschließend sein.

Das ist dann schon ein gewaltiger Unterschied, der einen damit in Flurwänden bestimmt auch in Richtung Ganzglastüren tendieren lassen kann.

Vollwandig geht dabei schon in Richtung eines nicht näher definierten, aber trotzdem nicht von der Hand zu weisenden Feuerwiderstands.

Dichtschließend wird sich dagegen sicher noch hinter rauchdicht einordnen müssen.

Gruß

Hannes

Benutzer_2140

Der BPD 05/2012 der Stadt Hamburg sagt dazu: "Türen gelten im bauaufsichtlichen Sinne als „dichtschließend“, sofern sie mit einer mindes-tens dreiseitig umlaufenden und ggf. mit einer im Mittelfalz angeordneten dauerelastischen Dichtung zur Behinderung des Durchtritts von Rauch ausgeführt werden (s. DIBt-Mitteilungen 1/2006, S.3). Eine Dichtung an der Schwelle ist nicht erforderlich. Verglasungen in diesen Türen sowie Ganzglastüren sind zulässig."

clammer

@bskonzept

Wenn man es ganz genau nimmt, besteht eine Türe normativ aus mehreren Teilen, wie dem Türflügel, der Zarge oder dem Türschließer.

Insofern wäre ja eine Ganzglastüre mit dreiseitiger Dichtung wieder dichtschließend ...

Denn es heißt ja nicht Verglasungen "im Türflügel" oder "im Türblatt".

Und Glas ist nicht gleich Glas. Bei einer RS-Türe haben wir ja auch "nur" ESG oder VSG.

Da ganze mag, nicht ganz unbeabsichtigt, etwas lächerlich oder kleinkariert klingen; wenn man aber mit der Bauaufsicht ins Gehader kommt, wie in einem Bestandsgebäude die Türen zu beurteilen sind, wird der Ernst der Sache deutlich.

Gruß

C. Lammer

clammer

@tgoetz

Die Ansicht von Herrn Busse ist die "allgemein gültige" Definition von "vollwandig" im diesem Zusammenhang, da sie auch so in den amtlichen Begründungen verschiedener Länder zu finden ist.

Die Diskussion eines möglichen Feuerwiderstandes ist hier nicht zielführend; sie hat einfach keinen.

Hier geht es um den Rauchdurchtritt unterhalb des Niveaus einer RS-Türe.

Dies wird auch deutlich, wenn man sich die neueren Zulassungen* anschaut; dort wird explizit erwähnt, dass ein Feuerschutzabschluss auch dichtschließend ist.

Gruß

C. Lammer

*Beispiel aus der Zulassung Z-6.20-2063:

"Der Zulassungsgegenstand erfüllt die Anforderungen

a) an einen Feuerschutzabschluss der Feuerwiderstandsklasse T30 nach DIN 4102-5 und ist damit im bauaufsichtliche Sinne verwendbar als feuerhemmender, dichtschließender und selbstschließender Abschluss ...

oder

b) an einen Feuerschutzabschluss der Feuerwiderstandsklasse T30 nach DIN 4102-5 sowie an einen Rauchabschluss nach DIN 18095 und ist damit im bauaufsichtliche Sinne verwendbar als feuerhemmender, rauchdichter und selbstschließender Abschluss ..."

Benutzer_3285

Liebe Kollegen,

ich würde diesbezüglich anraten einen "Blick in die Zukunft" zu wagen und in die Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen zu schauen. Dort lautet es zu dichtschließenden Türen:

"Türen sind dann dichtschließend, wenn sie formstabile Türblätter haben und mit dreiseitig umlaufenden dauerelastischen Dichtungen ausgestattet sind, die aufgrund ihrer Form (Lippen- /Schlauchdichtung) und des Dichtungsweges bei geschlossenen Türen sowohl an den Zargen als auch an den Türflügeln anliegen.

Türblätter sind dann formstabil, wenn sie geschlossen sind und Verformungen ≤ 2 mm aufweisen."

Leider lässt uns der Gesetztgeber noch im Unklaren wie das Kriterium "formstabil" konkret nachzuweisen ist. In der Übersetzungstabelle zur DIN EN 13501 im Anhang erfüllt jedoch eine Sa-Tür (Smoke unter Umgebeungstemperatur) in jeden Fall die Anforderung "dichtschließend". Ohne konkreten Nachweis würde ich jedoch eine "normale" Ganzglastür unter diesem Gesichtspunkt nicht als dichtschließend auffassen.

Viele Grüße

P. Gerhold

derbrandschützer.de

clammer

@derbrandschützer.de

Dichtschließende Türen benötigen momentan keinerlei Nachweis.

Und ob eine (Ganz-)Glastüre Verformungen > 2 mm hat, wage ich zu bezweifeln.

Gruß

C. Lammer

P.S. Ihr "Blick in die Zukunft" deckt sich mit den bestehenden Regelungen in vielen Ländern, dort heißt "formstabil" eben nur "vollwandig".

Benutzer_822

Anforderungen an Bauteile wertden fortgeschrieben, wenn es richtig gekracht hat. Und bleiben so unvollständig wie gehabt, solange nichts wesentliches passiert.

Schutzziel orientiert soll der (notwendige) Flur die Flucht zum ersten und evtl auch zum zweiten Treppenraum offen halten, um fliehen zu können. Wenn die Tüpr zur brennenden Nutzeinheit zusammenbricht oder gleich offen steht, breitet sich der Rauch aus. Habe ich "meine" NE mit einer guten Tür geschlossen, bleibt die zu und ich kann in Ruhe auf die Feuerwehr warten. Hä#lt meine Tür nicht, weil die Brandtür sehr nahe ist, drückt der Rauch zu mir herein und ich "bekomme Husten", möglicherweise heftigen, irreparablen Husten bis hin zum Tod, weil die Feuerwehr auch Z e i t braucht. Meine Flurtüre kann also m i r Zeit spenden oder eben nicht. Eine abgebrannte Einheit ist Murks, ein ganzer Flur voller rauchiger Einheiten ist Obermurks. Das kann man seinem Bauherrn in Ruhe erklären und für geschlkossene, vollwandige, ribuste und formstabile Türen im Flur werben.

Das Gesetz ist lückenhaft, wir dürfen aber für bessere, fast gleich teure Lösungen w e r b e n. mfg Schächer

Benutzer_3285

Sehr geehrter Herr Lammer,

meine Anmerkungen bezogen sich auch ausschließlich auf die in der Zukunft maßgebliche VV TB. Sie merken richtigerweise an, dass derzeit dichtschließende Türen noch keinen Verwendbarkeitsnachweis benötigen.

Ob eine Glastür das Verformungskriterium erfüllt oder nicht können Sie nicht einschätzen, da meines Wissens die Umgebungsbedingungen für dieses Kriterium noch nicht bekannt sind.

Der Begriff "formstabil" (Verformungskriterium) ist nicht mit "vollwandig" (i.d.R. vollwandiges Türblatt) gleichzusetzen, wobei die Vermutung aufgestellt werden kann, dass eine vollwandige Tür auch formstabil ist.

Mal sehen was da noch so auf uns zu kommt...

Viele Grüße

P. Gerhold

derbrandschützer.de