Abweichungsantrag ohne Bescheid/Zustimmung

Benutzer_1388

Für ein bestehendes Gebäude aus den 1960er mit Erweiterung aus den 1980er Jahren wird ein weiterer Anbau geplant und ein Brandschutznachweis erstellt. Gebäudeklasse 3, erdgeschossiger Kindergarten.

Nach Brandschutznachweis werden der Brandschutz ertüchtigt und 3 Abweichungsanträge mit dem Bauantrag eingereicht.

Die Genehmigung kommt, aber zu den Abweichungen gibt es keine ausdrückliche Zustimmung.

Auf Nachfrage heißt es: "Die Abteilung vorbeugender Brandschutz wurde am obigen Verfahren beteiligt. Da die beantragten Abweichungen alle den Bestand betreffen, sind diese nicht neu zu bescheiden."

Die Bauaufsicht hat einen Bestandsschutz bescheinigt oder pauschal zugestimmt. Das soll m.E. gut sein.

Wie wird mit Abweichungsanträgen anderswo umgegangen?

WernerMueller

Hallo Karstens,

wenn die Antwort schriftlich vorliegt, würde ich es dabei belassen.

Wenn nicht, würde ich der Rechtssicherheit halber auf eine Bescheidung der Anträge bestehen.

Gruß

Werner Müller

Benutzer_465

warum soll der Bestand bzw. dessen Abweichungen zum zweiten mal genehmigt werden?

würde ich prüfen, würde ich auf diese Anträge auch nicht eingehen.

Benutzer_1388

Der Brandschutznachweis stellt auf die aktuelle Bauordnung ab. Davon wird abgewichen. Das bedurfte der Abweichungsanträge.

Es mag sein, dass das Haus früher mal genehmigt worden ist. So wie ich es vorgefunden habe, hätte es im Detail nicht genehmigt werden dürfen. Vielleicht wurde auch abweichend gebaut oder es wurden später Änderungen vorgenommen. Das ist nichts Unnormales. Im Bestand müssen wir mit einer Summe von merkwürdigen Fakten umgehen. War etwas früher richtig und heute nicht? Besteht Bestandsschutz und Können wir den Bestand vertreten? Wenn ja, muss der Abweichungsantrag nach aktueller BO gestellt werden.

Und nun hat die Bauaufsicht diese weggeheftet. Ein Problem sehe ich aber gar nicht.

Ja, Herr Müller, die zitierte Antwort liegt als E-Mail vor. Man kann meinen, das sei keine Schriftform. Man kann meinen, die Behörde drückt sich um eine Unterschrift und Stempel.

Was sollte aber sein, der Planer verantwortet ohnehin alles allein. Ist das bei Ihnen nicht so?

Zurück zur Frage oder anders gefragt: Muss ein Abweichungsantrag nicht eigentlich jeder für sich genehmigt oder abgelehnt werden?

G.Karstens

brandsicher

Wenn für ein bestehendes Gebäude keine konkrete Gefahr festgestellt und abzuwenden ist, beschränken sich die Aussagen im BSN auf die geänderten oder neuen Bauteile / Bauarten. In der Regel ist davon auszugehen, dass die Abweichungen vom aktuellen Baurecht sich aus der Entwicklung des Baurechts oder der Gesellschaft ergeben haben.

So gibt es in Berlin inzwischen eine Vielzahl von Wohnungen, die keinen 2. Rettungsweg haben, weil die Straßen als Parkraum bewirtschaftet werden. (Das ist zwar in meinen Augen eine konkrete Gefahr, nicht aber für den Berliner Senat)

m.f.G.

U. Drechsler

clammer

Hallo Herr Karstens,

ich würde Ihre Frage mit einem klaren "Ja" beantworten.

Wenn ein Antrag gestellt wird, muss er entweder

- angenommen/zugestimmt,

- abgelehnt (verneint) oder

- zurückgewiesen werden.

Letzteres geht aber nur mit den kompletten (Bau-)Antrag.

Wenn Sie, so habe ich die Frage verstanden, einen neuen Nachweis für das Gebäude erstellt und eingereicht haben, dann muss darüber auch uneingeschränkt befunden werden.

Gruß

C. Lammer

Benutzer_1470

In Bayern sind bestehende und genehmigte Abweichungen klar geregelt, soweit diese Bereiche nicht geändert werden (Art. 54 Abs. 4, 5 und 6 BayBO), keine neue Abweichungsentscheidung). Neu zu betrachten sind nur die Bauteile bzw. Gebäudeteile die geändert werden, ggf. auch noch die angrenzenden Bauteile. Für die Änderungen ist das aktuelle Baurecht zu beachten oder es sind entsprechend begründete und vertretbare Anträge zu stellen.

Warum soll den bei einem DG Ausbau die bestehende und vor 100 Jahren genehmigte Holztreppe (z. B. bei Einstufung in GK 5) neu genehmigt werden? Auch bei Feststellung von erheblicher Gefahr (Bestandsschutz entfällt) muss nur die erhebliche Gefahr abgewendet werden. Soweit ein zweiter Rettungsweg vorhanden ist, kann die Holztreppe in der Regel nicht zu einer erheblichen Gefahr führen. Da müssen noch weitere "Schwachstellen" vorliegen. In Bayern gibt es übrigens sehr viele Gebäude mit Holztreppe und ohne 2. Rettungsweg. Das wird offensichtlich geduldet bzw. nicht als erhebliche Gefahr eingestuft. Das gilt nicht bei genehmigungsbedürftigen Änderungen, was bedeutet für ein neues DG sind zwei Rettungswege gefordert, von denen auch nicht abgewichen werden kann. Die restlichen nicht geänderten Geschosse haben weiterhin Bestandsschutz (wenn nachweisbar durch den Bauherrn).

Die alten und unter Bestandsschutz fallenden Abweichungen sollten allerdings im BS- Konzept Erwähnung finden, soweit diese im Bereich des Bauvorhabens liegen. Dazu gehört auch eine Aussage über die weitere Vertretbarkeit, was allerdings noch keine neue Betrachtung/Genehmigung dieser Abweichungen durch die Bauaufsicht Folge hat. Es sind lediglich die vorhandenen Schwachstellen bei der Brandschutzplanung zu berücksichtigen, wenn alte Abweichungen überhaupt Schwachstellen sind.

Norbert Bärschmann

Benutzer_465

Danke für den Hinweis, Herr Bärschmann.

Das ist ja erstaunlich, wie eindeutig und pragmatisch sich die Bayerische Bauordnung dem Bestandsschutz widmet! Finde ich gut.

LaNie

Es macht wenig Sinn, bei jedem (kleinen) Umbau oder bei jeder Nutzungsänderung z.B. den Verzicht auf eine innere Brandwand immer wieder neu zu beantragen.

Deshalb haben Sie auch das "Problem", dass Sie u.U. die beantragte Abweichungen außerhalb der Erweiterung nicht (noch einmal) genehmigt bekommen, außer Sie ändern den Bestand so gravierend, dass völlig neue Voraussetzungen geschaffen werden(z.B. andere Sonderbauvorschrift usw.).

Wir handhaben das auch so, wie es Herr Bärschmann beschreibt. Wir erwähnen die Abweichung vom heutigen Baurecht (z.B. "nicht erfüllt, jedoch genehmigt mit Bescheid vom...ODER zulässig nach Bauordnung von 19XX...weiterhin keine Bedenken, da...).

Somit wird vom Brandschutzplaner die Abweichung festgestellt (und nicht übersehen) und ein Prüfer muss sich ebenfalls damit auseinandersetzen.

Letztendlich kommt es aber auch immer auf den Einzelfall an, aber die grundsätzliche Vorhensweise hat sich aus unserer Sicht in dieser Form als sinnvoll erwiesen.

Benutzer_822

Sie haben in Form der E Mail eine schriftliche Stellungnahme. Auch wenn die Formvorschriften von der Behörde verletzt wurden ist es doch beweisbar. Ausdrucken, bei Projekt abheften für die Ewigkeit und gut ist. Wenn die Behörden die Firm nicht kennen geht das nicht zu Lasten des Bürgers ...

mfg Schächer

Mattes

Allerdings...

Ich bekomme immer mal wieder genehmigte Bestandsbauten (mit untergeordneten Baumaßnahmen) auf den Tisch, für die der Antragsteller pauschal Bestandsschutz geltend macht und welche die gemäß aktuellem Recht abweichenden Anforderungen nicht benennt.

Das finde ich dann nicht so prickelnd: die Schwachstellen des Gebäudes sind aus meiner Sicht zu benennen, auch um zu sehen, ob sie vom Antragsteller/SV erkannt wurden.

Eine Neugenehmigung von Abweichungen ist aus meiner Sicht natürlich nicht erforderlich (zumal mit Gebühren verbunden), aber eine Benennung und Bewertung bestehender genehmigter Abweichungen ist aus meiner Sicht nichtsdestotrotz erforderlich...

Gruß

Matthias Bußmann

Benutzer_3368

Zum Thema Bestandsschutz bei offensichtlichen Abweichungen von den (damaligen) Vorgaben hätte ich auch eine Frage in die Runde:

In den bisherigen Beiträgen ist immer von "genehmigten Abweichungen" o. Ä. dir Rede... in der Praxis liegt aber ja häufig keine Baugenehmigung bzw. genehmigte Eingabepläne und erst recht kein genehmigter Brandschutznachweis vor.

Bei Abweichungen, die im Bauantrag höchstwahrscheinlich offensichtlich waren (z. B. ein notw. Treppenraum ohne unmittelbaren Ausgang ins Freie) kann man dann sicherlich noch von einer genehmigten Abweichung ausgehen.

Wie sieht es aber bei Abweichungen aus, die in den Eingabeplänen nicht zwingend sichtbar waren, ggf. auch erst später durch Umbauten aufgetreten sind - gehen Sie dann auch automatisch von einem genehmigten Bestand aus, für den im Rahmen einer Neubewertung KEIN erneuter Abweichungsantrag erforderlich ist?

Gruß, Brandwart

Benutzer_822

Hier ging es nicht darum, keinen Antrag zu stellen sondern die gestellten Anträge nicht beschieden zu bekommen.

Ich bin bei Ihnen : man muß Abweichungen benennen (sichtbar machen ), man muß Abweichungen im genehmigten bestand aber nicht neu beantragen. Wenn unklar ist,ob genehmigt oder nicht, muß man sie natürlich beantragen. Aber wenn das Amt keine Lust hat, sie zu bescheiden, tritt der Bürger auf der Stelle.

A b e r : früher wurden alle bauanträge vonnständig geprüft, das "vereinfachte Verfahren", was heute dominiert, ist noch nicht so alt und mußte früher gesondert beantragt werden. Im Regelfall war also eine Vollprüfung gegeben und diese löst auch Vertrauensschutz aus. Bei Altsachen kann man schon davon ausgehen, dass sie auch genehmigt waren, insbesondere, wenn man sich die Schjlußabnahme kopiert: "ohne Mängel abgenommen". Dann bleibt nur noch die Frage, was zwischenzeitlioch "gefummelt" wurde ...

mfg Schächer

Benutzer_1388

Wenn ein Haus aus dem Jahre X angebaut oder teilweise geändert werden soll, betrachte ich als Planer oder BS-Planer nicht nur die Änderung.

Was weiß ich, was früher mal genehmigt worden ist oder ob es bei der Genehmigung damals mit rechten Dingern zugegangen ist. Die Erfahrung zeigt mir, dass oft abweichend ausgeführt wird und wurde.

Wenn ich für meine Planungen haften muss und vor allem weil ich Brandschutz und nicht nur Broterwerb betreiben will, schaue ich mir das ganze Objekt an. Bei Abweichungen von der jetzigen Bauordnung werden mit dem bauaufsichtlich vorgesehen Formular Abweichungsanträge gestellt. Wenn ich das bei einem Regelbau nicht tue, wird der Brandschutznachweis von der Bauaufsicht unbesehen abgeheftet. Wenn auf einen Bauantrag mit Abweichungsanträgen eine allgemeine Genehmigung erfolgt, dürften die Abweichungen bauaufsichtlich akzeptiert sein. Die Bauaufsicht kann danach wohl die Abweichung nicht mehr streitig machen. Um meine Haftung als Planer geht es nicht. Die Abweichung habe ich ja selbst beurteilt und quasi mit dem Bauherrn zusammen beantragt. Die Zusammenarbeit mit dieser Bauaufsicht ist gut und ich will sie nicht irgendwie mit ins Wasser ziehen und akzeptiere, dass kein Bescheid ausgefertigt wurde. Die Bestätigung per Mail, dass die Anträge gesehen wurden, liegt vor und kommt zu den Akten.

Danke für die Beiträge.

MfG.G.Karstens

LaNie

@Brandwart:

"Automatisch" haben Sie keinen Bestandsschutz. Sie wissen ja gar nicht, ob das Objekt in dieser Form genehmigt wurde und welches Baurecht zum Zeitpunkt der Genehmigung galt. Der Antragsteller/Bauherr ist in der Nachweispflicht. Da haben wir in der Praxis schon die tollsten Sachen erlebt (Gebäude 1/4 größer, statt kleinem Vordach Hallenanbau von über 1.700 m² usw.).

Empfehlung: Versuchen Sie, an die alten Unterlagen zu kommen (Bauaufsichtsbehörde, Stadt/Gemeinde oder Staatsarchiv Amberg).

Idealerweise können Sie formellen Bestandsschutz (Baugenehmigung) nachweisen, gibt es keine brauchbaren Unterlagen, können Sie ggf. mit materiellem Bestandsschutz (alte Bauordnung) argumentieren.

Benutzer_1388

Hallo Ninni,

in meinem/diesem Fall ist es m.E. nicht relevant, ob ein Bestandsschutz gilt oder ob das Haus so wie ich es vorgefunden habe genehmigt war. Warum sollte ich lange herumsuchen.

Die Bauaufsicht hat den Bauantrag für den Anbau genehmigt und per Mail mitgeteilt, meinen aktuellen Brandschutznachweis sowie die Abweichungsanträge gelesen zu haben.

Meine Frage war, ob die Bauaufsicht jeden Abweichungsantrag ausdrücklich bescheiden muss. Eine klare Regelung scheint es nicht zu geben.

Aber wozu auch. Wir wollen doch von der Bauaufsicht nur eine Baugenehmigung, damit wir bauen dürfen wie geplant und belassen werden kann wie vertretbar.

Ich erwarte ja nicht, dass die Bauaufsicht uns Verantwortung abnimmt. Ich bin froh, dass ruck-zuck genehmigt wird.

Übrigens: Wenn früher abweichend von der Baugenehmigung gebaut worden sein sollte, werden solche Abweichungen mit der neuen Genehmigung irgendwie eher rechtmäßig. Was den Brandschutz betrifft, m.E. sogar komplett.

MfG. G.Karstens