Notausgangstüre in Fluchtrichtung

Benutzer_3441

Hallo Forum,

im Rahmen eines Abstimmungsgesprächs über den baulichen Brandschutz in einem großen Fitnesstudio, wurde vom Vertreter der Brandschutzbehörde darauf hingewiesen, dass gem. Urteil des VG Münster (9 K 1985/15) bei Arbeitsstätten ALLE Türen in Fluchtrichtung aufschlagen müssen d.h. auch Türen aus Büroräumen, Fitnessräumen etc.

Nach Inhalt des Urteils ging es aber um eine Notausgangstüre- da ist dies selbstvertändlich richtig.

Gleichzeitig fordert die ASR, dass ALLE Türen im Zuge von Flucht- und Rettungswegen in Fluchtrichtung aufschlagen müssen.

Gleichzeitig ist die Forderung, dass Fluchtwege nicht durch in sie hineinragende Türen eingeengt werden dürfen.

Dies würde bedeuten, dass bei einem notwendigen Flur mit beidseitig angeordneten Büroräumen zur notwendigen Flurbreite beidseits noch die aufschlagenden Türen berücksichtigt werden müssten oder die Türen in Nischen zurückgesetzt werden müssten.

Liegt hier eine Fehlinterpretation der ASR-Richtlinie vor oder wann ist eine Türe ein Notausgang im Sinne der Verordnung?

(2 Personen in einem Büro bilden wohl noch keine "Panikmasse")

Und wieso dürfen in der Schulbaurichtlinie Türen von Klassenräumen (30 Personen) nach innen aufschlagen.

pelau

Omega

Hallo,

Türen von normalen Büros müssen nicht in Fluchtrichtung ausfschlagen. Diese Türen befinden sich (noch) nicht im Verlauf von Rettungswegen. Der Verlauf des Rettungswegs beginnt auf dem notwendigen Flur bzw. im Treppenraum.

Gruß

Gerhard Funk

Hannes

@ Omega

Das ist so nicht ganz richtig.

ASR A2.3

3.2 Fluchtweglänge ist die kürzeste Wegstrecke in Luftlinie gemessen vom entferntesten Aufenthaltsort bis zu einem Notausgang.

Somit beginnen die Fluchtwege nicht erst im Flur...

ASR A2.3 Abschnitt 6(1)

Manuell betätigte Türen in Notausgängen müssen in Fluchtrichtung aufschlagen.

Die Aufschlagrichtung von sonstigen Türen im Verlauf von Fluchtwegen hängt von dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ab, die im Einzelfall unter Berücksichtigung der örtlichen und betrieblichen Verhältnisse, insbesondere der möglichen Gefahrenlage, der Anzahl der Personen, die gleichzeitig einen Fluchtweg benützen müssen sowie des Personenkreises, der auf die Benutzbarkeit der Türen angewiesen ist, durchzuführen ist.

Zumindest für Klassenräume ist der Gesetzgeber zu der Erkenntnis gelangt, dass es besser ist, wenn sie nicht in den Fluchtweg hinein aufschlagen und diesen damit behindern.

Dies auch für Bürotüren so zu sehen, wird niemand in Abrede stellen wollen.

Bitte beachten Sie auch den Beitrag von Anfang August... ich meine er war von clammer

Gruß

Hannes

clammer

@pelau

Das länderspezifische Baurecht und das Arbeitsschutzrecht des Bundes sind in vielen Fällen nicht kompatibel.

Nach dem Prinzip "Ober schlägt Unter" kann es durch das Arbeitsschutzrecht durchaus zu Verschärfungen gegenüber der Bauordnung kommen.

Es mag Sie nur wenig trösten; aber das Arbeitsschutzrecht fällt nicht in die Zuständigkeit der Brandschutzbehörde ... ;-))

Gruß

C. Lammer

Benutzer_210

@ hannes:

ASR A2.3, 3.2 ist zwar richtig zitiert, kann aber nicht für sich allein gelten.

ASR A2.3, 3.1 gibt eine klare Definition: Fluchtwege sind Verkehrswege, an die besondere Anforderungen zu stellen sind und die der Flucht ... und in der Regel der Rettung von Personen dienen. Fluchtwege führen ins Freie oder einen gesicherten Bereich (Anm.: z.B. notw. Treppenraum). ...

Den ersten Fluchtweg bilden die für die Flucht und Rettung erforderlichen Verkehrswege und Türen, die nach dem Bauordnungsrecht notwendigen Flure und Treppenräume für notwendige Treppen sowie die Notausgänge.

Ein Büroraum (dessen Abmessungen zwar bei der Länge der Flucht- und Rettungswege zu berücksichtigen sind) sind keine Verkehrswege und somit keine Fluchtwege.

Ebenso ist dies in den nach ASR A2.3, 9, geforderten Flucht- und Rettungsplänen klar definiert. F+R-Pläne sind entsprechend DIN ISO 23601 zu erstellen. Darin sind allein Flure (Verkehrswege) und notwendige Treppenräume als Flucht- und Rettungswege ausgewiesen, jedoch keine Wegführungen in Arbeitsräumen.

Nach meiner Information bezieht sich das o. gen Urteil des VG Münster speziell auf eine Türe in den notwendigen Treppenraum.

Gruß

R.Huth

clammer

@archuth

Ich gebe Ihnen Recht, soweit es sich um Einzel- oder kleinere Büros handelt. Es gibt aber genügend Fälle, wo diese Einschränkung nicht zutrifft, zum Beispiel in Industriebauten (Hauptgänge) oder Verkaufsstätten (Ladenstraßen).

Im Urteil des VG Münster ging es um eine Türe zwischen dem notwendigen Flur und einem (Vor-?)Raum, der zu den Aufzügen und zum (notwendigen)Treppenraum führt.

Wenn man die Kette des Fluchtweges nach ASR A2.3 Nummer 3 Ziffer 3.1 betrachtet, kommen dort die Notausgänge an letzter Stelle; dann wären die Notausgangstüren die, die aus dem Treppenraum ins Frei führen. Dass sahen aber die Aufsichtsbehörde und das VG anders; man darf gespannt sein, ob und was die nächste Instanz entscheidet.

Gruß

C. Lammer

Benutzer_3441

Hallo Forum,

zunächst danke für die kompetenten Antworten.

Grundsätzlich sehe ich die Auslegung der ASR genau so, d.h. der Fluchtweg beginnt in den hierfür definierten Bereichen (notw. Flur, Treppenraum etc.).

Ob eine Türe aus einer Nutzungseinheit nun nach innen oder außen aufschlagen darf, ist somit im Rahmen der "Gefährdungsbeurteilung" zu prüfen- ich habe somit als Brandschutzfachplaner den "schwarzen Peter" entweder mit der Genehmigungsbehörde zu kollidieren, die ggf. die Gefährdung anders sieht und sich auf den Wortlaut der ASR beruft, oder meinem Planer falsche Angaben zu machen, die evtl. gravierende Auswirkungen auf das Gebäude haben (z.B. Flurbreiten).

Was mich zunehmend nervt ist, dass trotz der allgegenwärtigen Regelungswut und der Flut von Rechtssprechungen, offenbar niemand mehr in der Lage ist, den gesunden Menschenverstand anzuwenden, immer in der Angst ggf. eine nicht "gerichtsfeste" Entscheidung zu treffen.

pelau

Benutzer_3441

Hallo Forum,

in der Diskussion der o.g. Thematik habe ich von einem Kollegen, der längere Zeit in Österreich geplant hat, die Information bekommen, dass dort offenbar eine Regelung existiert, nach der bei bis zu 10 Personen pro Raum die Türe nach innen öffnen darf. Ebenfalls dürfen Türen nach außen in Flure aufschlagen, wenn sie sich um 180° gegen die Wand aufschlagen lassen, d.h. es ist keine Flurverbreiterung erforderlich.

(Es lebe die K+K Bürokratie!)

pelau

Benutzer_3441

Hallo Forum,

als Nachtrag zum Thema:

Feuertrutzmagazin November 2016 Seiten 6 ff. und 56 ff.

Problem erkannt, aber nicht gebannt.

pelau

brandsicher

Die Länge des Rettungsweges ist durch das Baurecht nur für Flure mit einer Fluchtrichtung, die zu einem Sicherheitstreppenraum führen, begrenzt.

Der Länge des Rettungsweges, insbesondere des 2., wird durch das Baurecht keine Grenze gesetzt. Hier ist nur die Entfernung von jeder Stelle eines Aufenthaltsraumes sowie eines Kellergeschosses von einem Ausgang in einen notwendigen Treppenraum oder ins Freie (höchstens 35 m) definiert.

m.f.G.

U. Drechsler

Benutzer_3439

@pelau

Feuertrutz Nov 2016 habe ich auch grad gelesen. Zu diesem Thema gibt es also sehr aktuelle Urteile.

Kernaussage ist, dass die ASR bundeseinheitlich ist und daher mit den unterschiedlichen LBO kollidiert. Aber das interessiert die ASR nicht und einen Bestandsschutz in Form von genehmigten Bescheiden usw. gibt es auch nicht da die ASR "dynamisch" zu sehen ist und dadurch immer Neuerungen auftreten können. Deswegen befürchten viele Betriebe erhebliche Kosten was diese Thematik anbelangt.

Sind interessante Artikel genau zu diesem Thema.