Al 16-4 vs. dreiteilige Schiebleiter

Benutzer_1085

Sehr geehrte Forumsteilnehmer,

das hier ist (mehr oder weniger) eine Frage an die Praktiker den Feuerwehren.

Ich werde als Vertreter der Unteren Bauaufsicht gebeten eine Stellungnahme abzugeben.

Eine freiwillige Feuerwehr in meinem Revier möchte seine 30 Jahre alte Anhängeleiter AL 16-4 ausmustern.

Argumentation: Das Gerät braucht viel Wartung, die Handhabung ist umständlich, kein Korb, nicht drehbar, usw. Dazu wurde ein neues Ersatzfahrzeugs angeschafft. Deshalb sei kein Zugfahrzeug für die Leiter mehr verfügbar, es sei denn man lasse die Schlauchhaspeln am Standort zurück.

Bei Bränden mit Personen in Gefahr werde sowieso die nächstgelegene Drehleiter mit alarmiert. Die träfe nicht innerhalb der Hilfsfrist ein, sei aber trotzdem das probatere Mittel, weil selbst der Zeitverzug durch die bessere Handhabung der Drehleiter aufgefangen werde. Als Notnagel wird eine dreiteilige Schiebeleiter mitgeführt. Die sei zur Sicherstellung eines zweiten Angriffsweges genauso gut wie die AL 16-4 (Weiß schon: kein zugelassenes Rettungsgerät, personalintensiv…).

Anleiterprobe mit der Schiebleiter hat gut geklappt.

Der Kreisbrandrat teilt die Auffassung der betroffenen Feuerwehr, der Fachberater bei der Regierung ist vorsichtig.

Jetzt kommt mein Problem:

Es gibt nur noch ein Gebäude im Gemeindebereich, für das die vierteilige Steckleiter nicht ausreicht und das nicht über zwei bauliche Rettungswege verfügt. Die AL 16-4 wird nur noch für dieses Gebäude vorgehalten.

Das ist ein kleines Altenheim. Im ganzen Gebäude sind ca. 20 Betagte. Oberhalb 8 m Anleiterhöhe 4 Betagte.

Es ist ein Baudenkmal. Lupenreiner Bestandschutz. Seit den 50 er Jahren unveränderte Nutzung. Die AL 16-4 kam erst nach der Nutzungsänderung in Altenheim. Bauliche Aufrüstung nicht durchsetzbar.

Die juristischen Probleme kann ich selber lösen. Da geht es mir nicht drum. Mir ist auch klar, dass man ein Rettungsgerät auf Dauer vorhalten muss, das irgendwann einmal Grundlage einer Baugenehmigung war, usw.

Die AL 16-4 ist aber bauaufsichtlich nie gefordert worden.

Ich möchte der Feuerwehr nicht im Weg stehen, bin aber das Zünglein an der Waage und muss es halt auch unterschreiben. Deshalb die Frage:

Kann sich jemand, abgesehen von der unterschiedlichen Anleiterhöhe (die ich nicht brauche) ein Argument für die AL 16-4 gegenüber der dreiteiligen Schiebeleiter vorstellen?

Danke schon mal im voraus.

Gruß, Caddy

Benutzer_2996

Hallo Caddy,

ich persönlich bewerte die Rettung von Altenheimbewohnern über die 3teilige Schiebleiter grds. kritisch. Meines Erachtens nach ist da die AL 16-4 die etwas bessere Methode...Es ist schwer vorstellbar, dass Menschen mit körperlichen Defiziten freiwillig auf die Schiebleiter steigen. Sicherlich ist dies auch bei der AL 16-4 schwierig, aber die hat wenigstens noch Seitenteile und dürfte sich für die Bewohner sicherer anfühlen...Ich weiß auch nicht so genau...

VG Snooze

Benutzer_2657

Guten Morgen,

ich kann (fast) allen Argumentationen soweit folgen und denke auch, dass die Überlegungen (fast) alle richtig sind.

Trotzdem möchte ich an einer Stelle einhaken:

Ich denke, dass man sich an anderer Stelle Gedanken machen sollte.

Auch wenn es eine formell und materiell legal errichtete bauliche Anlage sein sollte (was in der Realität sehr sehr selten der Fall ist), und zudem ein Baudenkmal, sollte mit dem heutigen Kenntnisstand eine Rettung von Bewohnern eines Alten- und Pflegeheimes über Leitern der Feuerwehr mindestens als unsachgemäß gelten.

Wenn man die aktuellesten Berichte/Versuche zur Rettung von entsprechenden Personenkreisen über Leitern der Feuerwehr beachtet und einige vergleichbare Urteile heranzieht, ergibt sich meiner Ansicht nach auch schnell die "konkrete Gefährdung", die zu einem Anpassungsverlangen führen muss.

Daher sollte zunächst über diesen Aspekt nachgedacht werden, bevor man sich die Frage stellt, ob die Schieb- oder die Anhängeleiter das kleinere, wenngleich so oder so inakzeptable, Risiko darstellt.

Ich hätte ein Problem damit, mich für eine Lösung zu entscheiden und damit das Go zu geben für eine fachlich gesehen falsche Lösung.

Gruß

Landgraf

PS: Es gibt Alten-/Pflegeheime, die zweite bauliche Rettungswege für weniger als 4 Bewohner nachrüsten (z.T. müssen).

Benutzer_203

Ich stimme @Landgraf völlig zu.

Vor Jahren hat die Berliner Feuerwehr nach einem Brand in einem Pflegeheim versuche mit der Rettung von Behinderten (hier Rollstuhlfahrern) gemacht.

Im Ergebnis dauerte die Rettung über eine Kraftfahrdrehleiter ca. 8 Minuten/Person.

Auch Betagte werden älter und gebrechlicher und sind irgendwann ebenfalls nicht mehr gefähig oder wegen einer zufällig gerade bestehenden Erkrankung so geschwächt, dass sie die Leiter nicht mehr herunter kommen.

Formell greift im Bestandschutz der Einsatz der 3-teiligen Schiebleiter, jedoch dürfte jedem klar sein, das eine Rettung dieses Personenkreises (Sonderbau) hierüber nicht zeitgerecht durchführbar sein dürfte. Ich halte es da schon von den Kollegen der Feuerwehr sehr Riskant, hierfür einfach die Sicherheit gewährleisten zu wollen.

Ebenso ist die Aussage von @Snooze zu beachten.

Unabhängig davon, dass aus meiner Sicht hier in jedem Fall das vorliegen einer konkreten Gefahr geprüft werden sollte ist die AL 16-4 im vorliegenden Fall einer Schiebleiter in jedem Fall vorzuziehen.

Wie oben bereits erwähnt ändert sich der Zustand der Bewohner vermutlich zukünftig und in der Regel erfolgt dann bei Pflegeheimen keine Verlegung in einen anderen Bereich.

Somit kommt u. U. irgendwann die bettlägerigkeit, Kontrakturen lassen sich nicht immer vermeiden und eine Rettung ist dann nur noch liegend möglich. Hier kann dann eine Person mit entsprechenden Hilfsmitteln zwischen den Seitenteilen einer AL immer noch herunter gelassen werden. Bei einer Schiebleiter nicht möglich.

Dann noch ….

Ein verweis auf eine andere Kraftfahrdrehleiter, die bekannter Weise nicht innerhalb der Hilfsfristen zur Verfügung stehen kann halte ich für nicht statthaft.

Ich weiß, dass im ländlichen Bereich nicht jeder eine Kraftfahrdrehleiter bereit halten kann, aber unter anderem für diese Fälle gibt es den zweiten baulichen Rettungsweg

MfG

Wolfgang Cordier

Mattes

Ähhm,

wieso müssen Sie als Bauaufsicht als entscheidende Stelle eine Stellungnahme zu Fragen des abwehrenden Brandschutzes abgeben?

Inhaltlich bin ich bei Herrn Cordier und Landgraf: wenns eine Chance gäbe, über konkrete Gefährdung den Bestandsschutz zu kippen und eine 2. baulichen RW nachzurüsten, wäre das die beste Lösung und auch Entscheidungshoheit der Bauaufsicht.

Ob die Feuerwehr nicht mehr mit der alten Leiter klarkommt und sich zutraut, die Verantwortung für die Menschenrettung lieber über die Schiebeleiter oder eine zu spät eintreffende Drehleiter zu realisieren, ist doch zunächst fachliche Entscheidung und Verantwortung von Feuerwehr bzw. Brandschutzdienststelle.

Als Bauaufsicht würde ich für diesen Fachbereich nicht den Kopf hinhalten.

Gruß

Matthias Bußmann

vonhof

Ganz meine Meinung. Und wie ja schon festgestellt - eine Anhängeleiter ist kein Rettungsgerät. Wieso muss man über etwas diskutieren, was sowieso nicht berücksichtigt werden kann und darf? Wenn die Feuerwehr aus Spaß an der Freude so ein Ding vorhält, ist das deren "Problem", aber sicherlich kein bauordnungsrechtliches.

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_1085

Sehr geehrte Diskussionsteilnehmer,

danke schon mal für Ihre Mühe.

Herr Bußmann:

Ich komme bei der Sache über Bestandsschutz und erhebliche Gefahr als Bauaufsicht ins Geschäft. Es geht am Ende ja nur noch um ein Gebäude. Die AL 16-4 hängt am Ende der Geschichte mit dran.

Herr Vonhof: Ob die AL ein (noch) zugelassenes Rettungsgerät ist weiß ich nicht. Lt der Regierung stehen jedenfalls landauf landab jede Menge davon in den Alarmplänen. Drehleitern sind teuer. Besser als nix.

Zum Bestandschutz: wie gesagt, lupenrein. Das ist ein Baudenkmal. Man hat darauf geschaut, dass nichts verendert wird. Nutzung ist aufgrund der geringeren Belegung der Zimmer seit den 50er Jahren eher geringer geworden.

Frage ist ob erhebliche Gefahr wegen der Schiebleiter bzw. AL oder Bestandschutz auch für das Rettungsgerät.

Im benachbarten Stadtgebiet ist es Usus in einigen Vierteln die Schiebleiter als zweiten Rettungsweg für bestandsgeschützte Gebäude anzuerkennen, sofern die Genehmigung vor der Eingemeindung dieser Viertel erfolgte. In den dortigen Bauämtern wurden nämlich damals Baugenehmigungen auf Basis der vorhandenen Schiebleiter gemacht. Die BF muss jetzt nach wie vor Schiebleitern mitführen und einsetzten.

Wo ist da der Unterschied? Für mich ist das Bestandsschutz für ein Rettungsgerät.

Um das klarzustellen: Ich hätte gerne einen ordentlichen zweiten Rettungsweg aber über den Bestandschutz für die Leiter komme ich am Ende zu einer Nutzungsuntersagung die wahrscheinlich vor dem Kadi endet.

Gruß, Caddy

vonhof

Also, ich habe keine Ahnung, wofür die Anhängeleitern eigentlich mal gut sein sollten. Sie waren nie ein Rettungsgerät, werden es auch nie werden, und warum diese dann früher auch noch so umfangreich bezuschusst wurden, ist mir vollkommen unverständlich. Vielleicht weiß hier jemand anderes mehr darüber.

In den Alarmplänen sind ja noch andere Feuerwehrgeräte drin. Mannschaftswagen, Rüstwagen, Gerätewagen. Die werden im Brandfall u. U. auch alarmiert, ohne dass sie im näheren Sinne etwas zur Brandbekämpfung beitragen. Also allein aus dem Umstand, dass ein Gerät im Alarmplan steht, lässt sich keine Aussage über eine baurechtliche Eignung ableiten. Höchstens über einen einsatztaktischen Wert, den die Feuerwehr - oder besser ausgedrückt, die Gemeinde im Rahmen ihrer Pflichtaufgabe in der Daseinsvorsorge - selber zuschreibt.

Jedenfalls ist es in keinem Fall so, dass eine Baugenehmigung erlischt, weil die Feuerwehr ihren Fuhrpark ändert. Die Gemeinde muss eine ausreichend leistungsfähige Feuerwehr haben. Wie die Gemeinde das gewährleistet und mit welchen Mitteln, ist alleine ihre Aufgabe und nicht die Aufgabe der Bauaufsicht.

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_822

haben Si für den Betrieb genügend Aufzüge ? Wie wäre es, einen sicheren Aufzug für den Weiterbetrieb im Brandfall ( ich weiß, ungewöhnlicher Gedanke und trotzdem zukunftsträchtig ! ) anzubauen. Nichtbrennbar in Kabine und Schacht, vielleicht ein Glasschacht, davor ein luftiger Übergang, min 1 m breit, daß der Aufzug nicht verrauchen kann, gesicherte Stromversorgung direkt hinter dem Hausanschluß abgezweigt, in einem Raum nach EltBauVO (es brennt innerhalb dieses Raumes oder der Strom bleibt erhalten), Zuleitung zum Aufzug F 90 geschützt. Ich würde einen Druckstempelaufzug nehmen, mit dem man mit kleiner Energie (Batterie) eine Notfahrt nach unten machen kann, wenn der Strom mal ausfällt, muß ja nicht im Brandfall sein, aber man kommt selbst dann wieder raus.

Vorteil: man kann das Gerät auch "allgemein" verwenden, die Bewohner können runter fahren statt anzuleitern, Vorraum als sicheren Warteraum ausbilden ... das ist gewiß besser als jede Form der Leiterei.

Komfortabel und toll ist ein Treppenraumanbau m i t Aufzug mittendrin. Dann sind alle Konservativen (bewußt provokativ !) zufrieden, wel die Alten dann auf der Treppe stehen können .. und der Weiterbetriebsaufzug mitten drin für die "Neumodischen", weil wir auf Dauer keine Feuerwehren mehr finden, die 20 Alte runter und raus tragen werden.

Der Gedanke ist dem "Feuerwehraufzug" entlehnt, entspricht europäischem Aufzugrecht und ist sicher zukunftsträchtiger als jedes Haus mit 5 Alten zum Sonderbau erklären zu wollen (MBO Initiative). Meiner Menung nach nicht hilfreich. mfg Schächer

clammer

@vonhof

Da ist (war) ganz einfach. Mit so einer Anhängeleiter lassen sich auch viele andere gemeindliche Aufgaben bewerkstelligen, wie Leuchtmittel an Straßenlaternen austauschen, Bäume beschneiden etc. ;-))

Gruß

C. Lammer