@ mattes: Herr Schächer drückt sich vielleicht gerne etwas provokativ aus, aber ich denke das ist manchmal auch gar nicht so falsch. Es ist wie fast immer, jeder hat irgendwie etwas recht. Es gibt einfach kein schwarz und weiss, kein klares richtig und falsch. Ich habe schon des öfteren die Erfahrung gemacht, dass es tatsächlich so ist, Angst und fehlendes Fachwissen führt oft dazu, dass man als Fachplaner und Sachverständiger da steht und trotz guter Argumente an das Beurteilungsvermögen der Mitarbeiter der Bauaufsicht stösst ... (siehe mein letzter Beitrag zum Thema "Zusammenarbeit mit dem Bauamt")
Die Bauordnung kann nie und nimmer und bis in alle Ewigkeit jeden Einzelfall regeln. Wir haben doch heute ohnehin oft eine vollkommene Überregulierung. Die Abweichung dient dazu, dass eben solche Einzelfälle betrachtet werden müssen. Es kann auch bei 40 m? sinnvoll sein den zweiten Rettungsweg durchzusetzen. Hier kommt es meines Erachtens ganz entscheidend auf den Grundriss an. Im Gesetz zu verankern, dass man im EG grundsätzlich auf einen zweiten Rettungsweg (bis zu einer bestimmten Grösse) verzichten kann, halte ich ebenso für falsch.
Im Bestand erleben wir doch auch immer wieder, wie eine Nutzungseinheit manchmal im Laufe der Zeit verbastelt wird und dann ist diese Einheit vielleicht so unübersichtlich, dass der zweite Rettungsweg mehr als sinnvoll ist. Gerade bei kleinen Verkaufsräumen ist es doch so, dass wir im Bauantrag meisst keine Möblierung haben. Aber wie sehen die Rettungswege aus wenn Ragale und Einrichtungen vorhanden sind oder wenn nach einem Nutzerwechsel anderst aufgeteilt wird? Der eine hat einen vollkommen cleanen Design-Raum bei dem der Ausgang sofort erkennbar ist. Der nächste Nutzer 2 Jahre später stellt den ganzen Raum mit regalen zu und ich muss um 10 Ecken gehn um den Ausgang zu finden. In beiden Fällen Verkauf, keine Nutzungsänderung, kein Bauantrag mit Neubeurteilung durch einen Sachverständigen. Im damaligen Brandschutznachweis steht immer noch "ohne zweiten Rettungsweg zulässig". Nach der o.g. Argumentation bis 100 oder sogar 200 m? gewünscht!? Wir alle wissen doch was sich auf 100 bis 200 m? abspielen kann ...
Die VkV verzichtet nach § 14(1) Satz 2 bis maximal 50 m? auf einen zweiten Ausgang, das wäre meiner Meinung nach die richtigere Argumentation und eher ein annehmbares Maß. Wobei auch hier im Einzelfall sicher Vorsicht geboten ist. Wenn möglich versuche ich immer eine zweiten Rettungsweg zu realisieren, wenn es keine (im Einzelfall) unzumutbare Härte bedeutet.
Der Sicherheitstreppenraum ist aus meiner Sicht ohnehin für einen bestimmten Fall gemacht: kleine Grundfläche und grosse Höhe (Hochhaus). Man kann das nicht einfach auf alles andere übertragen. Oft wird ja für o.g. Fall auch über den notwendigen Flur argumentiert, wo EIN Ausgang aus der Nutzungseinheit zulässig ist. Hier wird aber der Rettungsweg innerhalb der Nutzung i.d.R. deutlich Reduziert, da der Weg auf dem Flur zu den 35 m gehört.
Bei dem Thema Rettungswege habe ich den Eindruck, dass oft ein wichtiger Punkt vergessen wird. Es handelt sich nicht um reine Fluchtwege, sondern um sogenannte Flucht- und Rettungswege, d.h. die Feuerwehr muss vernünftig Retten und Löschen können. Schon aus diesem Grund ist eine zweite Zugriffsmöglichkeit (alternativer Angriffsweg, Entrauchung ...) immer sinnvoll. Ich finde der Verzicht auf den zweiten Rettungsweg sollte immer eine Einzelfallentscheidung bleiben und damit im Rahmen einer Abweichung beantragt werden. Als Fachplaner habe ich dann auch die Möglichkeit darauf hinzuweisen, dass die Abweichung ggf. im Rahmen von Änderungen anzupassen ist und habe den Punkt damit deutlich herausgestellt.
Als Fachplaner und Sachverständige müssen wir leider halt immer wieder damit leben, dass Mitarbeiter von Behörden "teilweise" zu engstirnig denken und sich schwer tun über den Tellerrand der Bauordnung oder irgendwelcher Kommentare der Obersten hinwegzuschauen ...
In Bayern sagt man dazu auch "koan Oasch in da Hosn"