Abgrenzung Wendel-/Bogentreppe bzw. Begriff Wendeltreppe

Benutzer_735

der GUV unterscheidet in seinem 2010er Heft BGI/GUV-I 561 "Treppen" unter Punkt 1.2 feinsinnig zwischen Wendel- und Bogentreppen.

In scheinbarer Klarheit steht weiter hinten unter Punkt 4.:

"Wendel- und Spindeltreppen sind im Verlauf eines ersten Fluchtweges nicht zulässig."

Nur ab wann ist eine gewendelte Treppe keine Wendeltreppe mehr, sondern eine Bogentreppe?

Und warum sind Wendeltreppen nicht zulässig, einläufige im Antritt viertelgewendelte Treppen aber offensichtlich schon?

Eine durchgängige/gleichmäßige Wendeltreppe ist demnach gefährlicher als eine nur partiell gewendelte Treppe? (Krankentransport etc. sind ja mehr abhängig von der Breite/Geometrie der Treppe als von einer grundsätzlichen wendelung...)

Stefan Blümel

firefly

Ich würde meinen, wenn auf der Innenseite die herkömmlichen Treppenmaße (insbesondere die Auftrittsmaße) erreicht werden, dürfte es sich um eine Bogentreppe handeln. Aber wo das genau definiert/festgelegt ist? Keine Ahnung!

brandsicher

Hier sollte keine "Meinung" gelten, wenn in BGI/GUV-I 561 unter 1.2 die Begriffsbestimmung zu finden ist. Oder ist die falsch?

m.f.G.

U. Drechsler

firefly

Wenn in der BGI/GUV-I 561 eine vernünftige Begriffsbestimmung vorgenommen worden wäre, hätte Herr Blümel wohl nicht gefragt - oder?

brandsicher

eine Bogentreppe ist gemäß dem Bild in der GUV eine weniger als 180° gewendelte Treppe mit einem Auge größer als die Treppenbreite und mit Stufen, derer Lauf auch innen die Abmessungen nach Punkt 3.2 der GUV hat.

m.f.G.

U. Drechsler

Benutzer_735

In BGI/GUV-I 561 findet sich keine textliche Definition, nur "Bildchen",

der VOLL-Text lautet:

1.2 Treppe1 ist ein ortsfester Zugang mit einem Steigungswinkel von mehr als 20° bis 45° mit horizontalen Stufen. Eine Treppe bestehend aus mindestens einem Treppenlauf:

- Einläufige gerade Treppe

- Zweiläufige gerade

- Treppe mit Zwischenpodest

- Zweiläufige gewinkelte Treppe mit Zwischenpodest

- Zweiläufige Treppe mit Zwischenpodest

Treppen mit gewendelten Läufen

- Wendeltreppe; Treppe mit Treppenauge

- Bogentreppe; Zweiläufige gewendelte Treppe mit Zwischenpodest

Treppen mit geraden und gewendelten Läufen

- Einläufige, im Antritt viertelgewendelte Treppe

- Einläufige, zweimal viertelgewendelte Treppe

Bildunterschrift: "Bild 2: Auswahl von Treppenarten nach DIN 18 065"

That´s all.

Für mich wird eine enger gebogene bogentreppe irgendwann zur Wendfeltreppe und eine immer weiter aufgebogene Wendeltreppe wohl irgendwann auch zur Bogentreppe - oder was ist das jeweils typische Merkmal?

Stefan Blümel

Benutzer_735

Hallo Herr Drechsler,

Ihre Interpretation mag richtig sein, muss aber nicht stimmen.

Weder in 1.2 noch in 3.2 steht das so...

Genauso könnte man aus den Zeichnungen interpretieren, dass eine Wendeltreppe nicht mehr als 270 Grad gewendelt sein darf, dass das offene Treppenauge immer > der halben Laufbreite sein muss, dass sie kein Zwischenpodest haben darf etc.

Umgekehrt wird die Bogentreppe ab 181 Grad wendelung zur Wendeltreppe?

Vorher (z.B. 179 Grad) als notwendige Treppe zulässig, ab 181 Grad dann aber nicht mehr?

Das ist mir zu wenig ;-)

Stefan Blümel

Benutzer_2858

Bitte Abschnitt 3.1.2 nicht vergessen. Dort heißt es:

"3.1.2 Treppen im Verlauf von ersten Fluchtwegen müssen, Treppen im Verlauf von zweiten Fluchtwegen sollten über gerade Läufe verfügen. (siehe Arbeitsstättenregel ASR A2.3)"

Insoweit fallen gemäß dieser Definition auch im viertelgewendelte Treppen weg.

Ausgehend von der Definition "Wendeltreppen weisen einen kreisförmigen oder elliptischen Grundriss mit einer entsprechend ausgebildeten Öffnung im Zentrum (Treppenauge) auf" muß man sich gedanklich auf das obere Podest stellen, nach unten sehen und sich die Treppe weg denken. Weist der Treppenraum eine Kreisform auf ist es eine Wendel/Spindeltreppe. Ist ein Halbkreis zu sehen ist es eine Bogentreppe. Bogentreppen verbinden zumeist nur 1 Geschoß miteinander und der Antritt und der Austritt liegen nicht übereinander.

Benutzer_735

schön, dass es innerhalb einer einzigen "Information Treppen" des GUV mehrere so unpräzise Aussagen gibt:

3.1.2

Treppen im Verlauf von ersten Fluchtwegen müssen, Treppen im Verlauf von zweiten Fluchtwegen sollten über gerade Läufe verfügen. (siehe Arbeitsstättenregel ASR A2.3).

Wendel- und Spindeltreppen sind im Verlauf eines ersten Fluchtweges nicht zulässig. Im Verlauf eines zweiten Fluchtweges sind sie nur dann zulässig, wenn die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung deren sichere Benutzung im Gefahrenfall erwarten lassen. Dabei sollten Wendeltreppen gegenüber Spindeltreppen bevorzugt werden (siehe ASR A2.3). In Schulen und Kindertageseinrichtungen sind Spindeltreppen als notwendige Flucht- und Rettungswege nicht zulässig.

Alles was nicht Wendel- und Spindeltreppe ist, ist gem. GUV geradläufig?

Wie sind im Übrigen die Vorgaben in o.g. "Information" hinsichtl. Zulässigkeit/Unzulässigkeit gewendelter/teilgewendelter Treppen zu bewerten?

Gem. Vorwort zur DIN 18065 stellt die Einhaltung der Festlegungen in dieser Norm sicher, dass die grundsätzlichen, die Treppen betreffenden Anforderungen (der Gesetzgeber) in den Bauordnungen hinsichtlich der sicheren Begehbarkeit der Treppen im Regelfall der alltäglichen Nutzung ebenso wie der sicheren Benutzung der Treppe als Teil des Rettungsweges im Brandfall erfüllt werden.

Werden die Vorgaben der DIN 18065 eingehalten, sind demnach (von konkreten anderslautenden Forderungen in Sonderbauvorschriften abgesehen) gewendelte/teilgewendelte Treppen durchaus als notwendige Treppen möglich.

Warum positioniert sich der GUV hier anders?

Stefan Blümel

clammer

Hallo Herr Blümel,

man muss hier zwei Dinge unterscheiden. Die DIN 18065 ist eine Ausführungsnorm; aber keine Anforderungsnorm. Das heißt, wenn eine Treppe benötigt wird, steht in der Norm, wie sie auszuführen ist.

Ob und welche Treppe benötigt wird, regelt nicht das DIN, sondern andere Rechtsgebiete, wie zum Beispiel das Bau- und Arbeitsschutzrecht.

Die BGI dagegen ist nur eine "Information" und hat nicht den rechtlichen Stellenwert einer Unfallverhütungsvorschrift. Daher wird in der BGI 561 auch auf die ASR 2.3 verwiesen. Hier liegt also auch "der Hund begraben"; nicht in der BGI 561 sondern in der ASR 2.3 gibt es keine "gemischten Bauformen" wie in der DIN 18064 (siehe dort Anhang B 1.4).

Da der "Ober" den "Unter" sticht, wären nach der ASR 2.3 für den ersten Fluchtweg nur Treppen mit geraden Läufen zulässig.

Ihren Umkehrschluss "Werden die Vorgaben der DIN 18065 eingehalten, sind demnach ... gewendelte/teilgewendelte Treppen durchaus als notwendige Treppen möglich." teile ich nicht. Wie bereits oben ausgeführt, beschreibt die DIN, wenn den aus anderen Rechtsgebieten eine gewendelte/teilgewendelte Treppe als notwendige Treppe zulässig wäre, wie diese konstruktiv auszuführen ist.

Gruß

C. Lammer

Benutzer_735

Danke für die div. Beiträge.

Stefan Blümel

Benutzer_735

Halt - eine Frage habe ich noch:

wenn nun im Bestand eine notwendige Treppe in einem gewerblich genutzten Gebäute (TG, Laden, kleine Beherbergung, Lehrwerkstatt, Büro etc.) eine Bogentreppe (also gewendelt) ist (obwohl ursprünglich eine Treppenanlage mit geraden Läufen beantragt/genehmigt war), wer kann von einer Vorgabe der ASR eine Abweichung genehmigen?

Bauaufsichtlich eingeführt ist die ASR 2.3 meines Wissens (LTB Januar 2012) ja nicht...

Stefan Blümel

Benutzer_822

zum Einen muß man sehen, daß wir jedes Jahr fast 2.000 "Sturztote" haben udn das sind auch viele Treppentote. Von "krummen Treppen" stürzen sehr viel mehr Menschen als von "geraden Läufen". Daher das Interesse der BG an geraden Läufen.

Andererseits sind "Rettungsgeräte der Feuerwehr" auch kein Vergnügen, weder die vierteilige Steckleiter noch eine Drehleiter. Schon eher der Fahrkorb.

Von daher sollten wir als Planer das Mögliche tun und das Gefährliche meiden. Aber wenn eine gerade Treppe als zweiter Rettungsweg nicht geht, ist eine "gekrümmte Treppe" möglich und zulässig, wenn eine Treppe im Bestand nicht geht aber ein Abstieg erforderlich ist, kann auch mal eine Leiter mit Rückenschutz eine Möglichkeit sein. Die ist schlechter als Fahrkorbfahren aber besser als nicht runter können.

So ist die Entscheidung in aller regel beim Planer, das Nötioge tun zu müssen udn dabei das Optimum an Sicherheit zu erreichen. Bitte in der Akte vermerken, warum es so sein mußte udn nicht besser ging, das reicht bei Streitigkeiten oft aus, den Beschuldigten aus der Schußlinie zu nehmen ("es ging halt nicht anders"). mfg Schächer

WernerMueller

Hallo Franzl,

könntest Du freundlicherweise bitte die Behauptungen

1) dass es 2000 Sturztote pro Jahr gibt, von denen auch viele Treppentote sind und

2) dass von krummen Treppen viel mehr Menschen stürzen

irgendwie belegen?

Danke

Werner Müller

clammer

Nachtrag:

Gerade ist die neue ASR A1.8 "Verkehrswege" hereingeschneit. Dort heißt es jetzt unter 4.5:

"Unter Berücksichtigung der Unfallgefahren sind Treppen mit geraden Läufen

solchen mit gewendelten Läufen oder gewendelten Laufteilen vorzuziehen. Im

Verlauf des ersten Fluchtweges sind gewendelte Treppen und Spindeltreppen

unzulässig ..."

Gruß

C. Lammer