Bestandsschutz bei Erneuerung einer einzelnen Wohnungstüre in einem bestehenden Mehrfamilienhaus

Benutzer_2900

Liebe Kollegen,

ein bestehendes bayerisches Dreifamilienhaus (Gebäudeklasse 3) mit je einer Wohnung in EG, OG und DG soll modernisiert werden. Darüber hinaus ist ein erdgeschossiger Anbau geplant für den eine Genehmigung erforderlich ist. Das bestehende Gebäude bleibt konstruktiv und auch in seiner Nutzung unverändert und ist damit bestandsgeschützt.

Das Gebäude verfügt über einen Treppenraum der gegen die Wohnungen mit vollwandig und dichtschließenden Türen abgeschlossen ist die nicht selbstschließend sind. Die Wohnungstüre im DG ist beschädigt und muss ersetzt werden.

Dazu habe ich folgende Frage.

Darf hier als Ersatz, im Rahmen der Instandhaltung eine gleichwertige Türe eingebaut werden oder muss die neue Türe dem aktuellen Bauordnungsrecht entsprechen und damit auch selbstschließend sein.

Viele Grüße

Fred

clammer

Hallo Fred,

es gibt im Baurecht keine automatisches Anpassungsverlangen. d. h. im Rahmen der Instandhaltung kann eine gleichwertige Türe eingebaut werden.

Eine Anforderung an akutelles Baurecht setzt entweder einen neuen Genehmigungsbescheid voraus oder das Anpassungsverlangen wird durch die Bauaufsichtsbehörde angeordnet; dies geschieht i.d.R. aber nur, wenn durch die Bauaufsichtsbehörde eine "konkrete Gefahr" festgestellt wurde. Eine neue Bauordmung alleine führt noch nicht zum Vorliegen einer "konkreten Gefahr".

Gruß

C. Lammer

Benutzer_2867

Hallo Fred,

behördliche Eingriffsbefugnis entsteht, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren notwendig ist, gemäß BayBO Art. 54 (4)in Verbindung mit Art. 3 (1).

Gruß

Wago

Benutzer_2550

Herr Lammer,

das sehe ich aber anders.

Sobald man ein sicherheitstechnisch relevantes Bauteil komplett erneuert bzw. auswechselt, müssen die aktuellen Anforderungen der Bauordnung berücksichtigt werden. Meiner Meinung nach muss die neue Tür den aktuellen Anforderungen entsprechen!

Feuer-Hewi

Hallo,

ich muss Anton (und auch aller Vernunft) Recht geben: wenn WE-Türen erneuert werden, entfällt der Bestandsschutz; wenn sie bleiben sollen, dürfen sie das;

siehe hierzu ein Schreiben der "Obersten": IIB7-4112.420-013/11 vom 25.07.2011;

Es gibt neben den teuren Freilauftürschließer inzwischen von GEZE einen Schließer für Barreierfreies Bauen unter Berücksichtigung DIN 18040, der mit neuer Technik weniger Kraft bei Öffnen benötigt; der ist kompfortabler für den täglichen Gebrauch;

mfg

der Feuerteufel

clammer

@Feuer-Hewi

Auch nach Lektüre des von Ihnen zitierten Schreibens komme ich grundsätzlich zu keiner anderen Schlussfolgerung.

Solange weder ein neuer Genehmigungsbescheid noch ein Anpassungsverlangen vorliegen, ist der 1:1-Austausch zulässig.

@Anton

Nein, für diese Auffassung gibt es keine baurechtliche Grundlage.

Gruß

C. Lammer

LaNie

Ich sehe das wie Herr Lammer, so lange der Bestandsschutz tatsächlich besteht, kann meines Erachtens auch ein defektes Bauteil gegen ein Bauteil mit gleichen Anforderungen ausgetauscht werden, so lange dies wiederum zulassungskonform eingebaut werden kann. Gemäß dem zitierten Schreiben gilt "...Bestandsschutz...auch für einzelne Bauteile/Bauprodukte."

Es mag in diesem Fall durchaus sinnvoll sein, einen Türschließer einzubauen, aber oftmals kann dies ohne weiteres gar nicht beurteilt werden. Wenn es sich z.B. nicht um eine Wohnung handelt, könnte z.B. auf Grund der in der aktuellen Bauordnung geänderten Flächenbetrachtung (früher NGF, jetzt BGF) nach aktuellem Recht auch eine T30-RS-Tür erforderlich sein. Wenn dann die gleiche Nutzungseinheit auch noch zwei Zugänge hat, kann man wohl auch "mit aller Vernunft" nicht mehr erklären, warum die eine Tür T30-RS und die Tür daneben nur dichtschließend sein muss.

Im umgekehrten Fall gibt es heutzutage auch geringere Anforderungen an bestimmte Bauteile. Dann kann man auch nicht einfach ein Bauteil mit vielleicht geringeren Anforderungen - das der aktueller Bauordnung entspricht - gegen das alte austauschen.

Benutzer_2550

Herr Lammer,

rein baurechtlich betrachtet haben Sie wahrscheinlich Recht.

Aus Sicht des Planers würde ich das so nicht unterschreiben.

Hier ein anderes Beispiel:

In einem notw. Flur müssen E-Letungen erneuert werden. Früher waren in den Fluren offen verlegte, brennbare Leitungen bis zu einer Brandlast von 7 kW/m? zulässig. Im Bestand war dieser Wert nicht überschritten. Diese Leitungen sollen durch neue, mit gleicher Brandlast ausgetauscht werden. Würden Sie diese, weil vorher zulässig, genau so ohne Beachtung der aktuellen M-LAR offen verlegen?

clammer

@Anton

Zu Ihrem Beispiel mit den Leitungen:

Dies ist baurechtlich möglich.

Ob dies - unabhängig von der LAR - sinnvoll ist, ist eine ganz andere Frage.

Ob auch die LAR sinnvoll ist, ist auch wiederrum ein ganz andere Frage.

Ich persönlich würde die Trassen, wenn irgendwie möglich, ganz aus den Flure nehmen.

Gruß

C. Lammer

Feuer-Hewi

@ Clammer,

ich denke, sie laufen hier auf ganz, ganz dünnem Eis!

Wenn ich einen Teilabbruch meiner Hütte mache, darf ich die nicht wieder wie seinerzeit aufbauen, sondern nach aktuellem Baurecht;

wenn ich (sicherheitsrelevante) Teile erneuere, die wie Anton im 1. Beitrag schreibt, muss ich mich an aktuelle Vorschriften halten; @ Nini: doch ich darf dann auch ggf. die aktuellen Erleichterung einfließen lassen;

z.B. GK 4 nur noch hochfeuerhemmend, statt früher feuerbeständig;

wo ist hier die Grenze??

wenn nun für den Bestand kein Brandschutznachweis erstellt wird und dieser nicht Gegenstand der Genehmigung wird, juckt es keinen, wenn Sie die Tür nur erneuern, ohne Selbstschließung; richtig ist dies aber deshalb noch nicht;

mfg

der Feuerteufel

clammer

@Feuer-Hewi

Das Austauschen einer Wohnungstüre sehe ich nicht als "sicherheitsrelevantes Bauteil" an, welches einen genehmigungswürdigen Charakter hat.

Hier liegt auch noch kein Vorgang vor, der ein Anpassungsverlangen nach sich zieht.

Noch einmal; es ist Rechtsgrundsatz, dass ein genehmigtes und so auch betriebenes Gebäude Bestandsschutz genießt.

Gruß

C. Lammer

Benutzer_2900

Vielen Dank für die vielen qualifizierten, wenn auch kontroversen Beiträge.

Ich denke ein gewisser Ermessenspielraum ist da einfach drin und damit leider auch ein Stück Rechtsunsicherheit.

Ich glaube nach Abwägung der verschiedenen Argumente, dass in unserem Fall Bestandsschutz besteht.

Ich würde allerdings beim Austausch eines Elementes im Falle einer Erleichterung durch aktuelles Recht, Diese nicht ohne Weiteres in Anspruch nehmen. Aus folgendem Grund.

Eine bestimmte Bauordnung definiert mit der Summe ihrer Anforderungen ein bestimmtes Brandschutzniveau.

Wenn ich, bei einer Instandsetzung einzelne Elemente durch gleichartige ersetze bleiben dieses Niveau unverändert. Ersetze ich jedoch ein Element durch eines mit, im Hinblick auf den Brandschutz, anderen Eigenschaften so ändert sich das Brandschutzniveau. Für den Fall, dass das neue Element geringere Anforderungen erfüllt verschlechtert es sich.

Daraus leite ich ab, dass Bestandsschutz nicht nur zu Erleichterungen führen kann sondern im Einzelfall auch zu höheren Anforderungen.

Viele Grüße

Fred

Benutzer_3074

Die Antwort ist a.G. der Rechtsprechung eindeutig:

Was weg ist ist weg. Und was neu eingebaut wird, muss dem aktuellen Recht entsprechen.

Eine Anpassungsvorschrift in einigen Landesbauordnungen ist nur deshalb vager formuliert, weil es damit um "verbundene" Bauteile geht, also Bauteile, die gar nicht zum geplanten umbau gehören.