Abweichung / Erleichterung

Benutzer_2276

Hallo,

mal eine formale Frage: Ist es richtig, daß Abweichungen von Sonderbauvorschriften, die Richtlinien und keine Verordnungen sind, Erleicherungen genannt werden?

Gruß

Sylvester

vonhof

Hallo Sylvester,

na ja, nicht ganz. Bei Sonderbauten können besondere Anforderungen gestellt oder Erleichterungen zugelassen werden. Es kommt also nicht auf die Art der Richtlinie oder Verordnung an, sondern auf die Einstufung nach Bauordnung. Eine Erleichterung ist dann keine Abweichung im formalen Sinn, sondern eben "nur" eine Erleichterung von der Bauordnung, die keines Abweichungsantrages bedarf.

Ist übrigens in jedem Bundesland anders geregelt. Man muss jeweils in die Bauordnung gucken, wie der Gesetzgeber Erleichterung definiert. In manchen Bundesländern gibt es nur Abweichungen, weil Erleichterungen nur solche sind, die in Verordnungen stehen (also bei geregelten Sonderbauten).

Außerdem interpretieren manche oberste Baubehörden den Begriff Erleichterung ein wenig eigenwillig. Manche Erleichterungen sollen Abweichungen sein und umgekehrt. Kann man nicht immer verstehen. Aber so lange eine Abweichung kein extra Geld kostet (wie etwa in Berlin) ist es relativ egal, ob man eine Abweichung oder Erleichterung hat. Das Brandschutzkonzept wird ja sowieso vollständig geprüft, und Erleichterungen sind ja auch zu beantragen.

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_822

Abweichungen nach § 63 von der HBO muß man beantragen. Bei Sonderbauten wird alles geprüft (Verfahren § 58) und man kann alle Erleichterungen nutzen, die eine zu diesem Sonderbau bestehende Richtlinie oder Verordnung enthält, ohne sie als Abweichung bezeichnen zu müssen udn ohne einen Antrag dazu zu stellen.

Für einen fairen, offenen Umgang spricht, diese Erleichterungen im BSK unter Ziffer "r" aufzulisten, daß der prüfende nicht lange rumsuchen muß ("Erleichterung 60 m Brandwandabstand von der HBO nach Schulbaurichtlinie angesetzt"). Kostet dann nichts (die Prüfung nach § 58 ist grundsätzlich entsprechend teurer). mfg Schächer

Benutzer_2276

Im grunde sind ja die Erleicherungen für bestimmte Sonderbauten z. t. in Sonderbaurichtlinien geregelt. z. B. die 60 m Brandabschnitt in schulen wie Hr. Schächer oben schreibt. Wenn man nun 65 m baut, weicht man ja von der sChulbauR ab. Ist das dann auch noch eine Erleichterung oder eine Abweichung von der eRleicherung?

Gruß

Sylvester

vonhof

Hallo Sylvester,

noch einmal mein Satz von oben: Es kommt also nicht auf die Art der Richtlinie oder Verordnung an, sondern auf die Einstufung nach Bauordnung.

Wenn die Schule ein Sonderbau ist, ist es eine Erleichterung, ansonsten ist es eine Abweichung. Schulen sind in Hessen immer Sonderbauten.

Gruß

Alexander Vonhof

vonhof

Ach ja, noch was:

Die Schulbaurichtlinie ist eine Verwaltungsvorschrift, also gar nicht an die Öffentlichkeit gerichtet, sondern an die Verwaltung. Sie ist also keine Bauvorschrift im eigentlichen Sinne, sondern dient einem einheitlichen Verwaltungshandeln. Sie selbst können von dieser also im formalen Sinn überhaupt nicht abweichen, noch müssten Sie sie überhaupt beachten.

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_2276

Das ist mir alles schon klar. Auch wenn ich die SchulbauR formal gar nicht beachten muß, ist es ja für die erteilung einer baugenehmigung schon von Vorteil bzw. rein praktisch behandeln die Bauaufsichten sie wie eine Verordnung, d. h. sie wollen sie auch umgesetzt und eingehalten haben.

Wie gehe ich denn aber mit einer "Abweichung" von der SchulbauR um. Beziehe ich mich gar nicht auf diese, sondern auf die HBO?

Um bei dem Bsp. von oben zu bleiben: Kennzeichne ich bei 65m Brandabschnittslänge diese Tatsache als eine Abweichung von der HBO(,die nicht nach § 63 HBO beantragt werden muß und eine Erleichterung ist - wenn sie den genehmigt wird)? Oder ist das eher eine "Abweichung" von der SchulbauR?

Ich hoffe, man versteht mein Anliegen

Sylvester

vonhof

Hallo Sylvester,

das ist so, wie es Herr Schächer bereits beschrieben hat. Es liegt eine Erleichterung von der HBO vor, die Sie begründen müssen. Zur Begründung können Sie die SchulBauR heranziehen - oder eben auch nicht.

Und noch mal: von der Schulbaurichtlinie können Sie nicht abweichen, da keine Bauvorschrift. Sie können sagen: Über die Erleichterung aus der SchulBauR hinaus bestehen keine Bedenken, eine Brandabschnittslänge von 65 m zuzulassen, weil...

Aber egal, ob Sie 45, 65 oder 85 Meter haben. Es ist und bleibt eine Abweichung bzw. Erleichterung von der HBO. Nicht mehr und nicht weniger.

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_2276

Danke!!

Benutzer_203

Hallo Zusammen,

ich würde mich gerne noch mal dranhängen ob ich es für NRW richtig verstanden habe:

BauO NRW § 73 "Abweichungen":

"Soweit in diesem Gesetz oder in aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften nichts anderes geregelt ist, kann die Genehmigungsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften zulassen,......"

Versteh ich so, dass es Abweichungen sind wenn ich von der Bauordnung abweiche oder von einer Vorschrift, welche in Verbindung mit § 85 BauO NRW erlassen wurde.

BauO NRW § 85 "Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften"

"Zur Verwirklichung der in § 3 bezeichneten allgemeinen Anforderungen wird die oberste Bauaufsichtsbehörde ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über ....."

5. besondere Anforderungen oder Erleichterungen, die sich aus der besonderen Art oder Nutzung der baulichen Anlagen und Räume für Errichtung, Änderung, Instandhaltung, Betrieb und Benutzung ergeben (§§ 54 und 55), sowie über die Anwendung solcher Anforderungen auf bestehende bauliche Anlagen dieser Art,

In der SBauVO NRW steht ganz oben

"Aufgrund des § 85 .....wird nach Anhörung des fachlich zuständigen

Ausschusses des Landtags verordnet"

Also sind Abweichungen von der SBauVO als Abweichungen und nicht als Erleichterungen zu beantragen.

Kann man aber wohl nicht an der Art Verordnung oder Richtlinie festmachen, da in der Industriebaurichtlinie NRW kein solcher verweis zur Bauordnung steht, also hier Erleichterungen zu beantragen sind.

In der Betreuungsrichtlinie steht aber wieder ganz oben der Verweis

auf § 85 (9) BauO NRW (Betreuungsrichtlinie ist eine Verwaltungsvorschrift) ist also ein auf Grundlage der Bauordnung erlassene Vorschrift und somit sind hier wieder Abweichungen zu beantragen.

Jetzt meine große Frage:

Sollte ich es endlich mal wirklich verstanden haben ;-))

Mit den besten Grüßen an alle

Wolfgang Cordier

clammer

Hallo Herr Cordier,

nach meinem Kenntnisstand ist es in NRW (!) wie folgt:

Abweichungen beziehen sich auf bauordnungsrechtliche Anforderungen, also auf materielle Anforderungen der §§3 bis 55 der BauO NRW. Sie müssen im Genehmigungsverfahren nach §73 explizit beantragt (und genehmigt) werden.

Bei Anlagen besonder Art und Nutzung nach §54 BauO, für die es keine Rechtsverordnung nach §85 gibt, ist die Gefahren- und Risikobewertung Bestandteil des Brandschutzkonzeptes. Daraus resultieren dann ggf. Erleichterungen oder besondere Anforderungen. Da diese Erleichterungen und besondere Anforderungen sich unmittelbar aus dem Brandschutzkonzept ergeben, werden sie nicht wie Abweichungen nach §73 explizit beantragt.

Bei Sonderbauten §54 BauO, für die es eine Rechtsverordnung nach §85 gibt, ist die Gefahren- und Risikobewertung ebenfalls Bestandteil des Brandschutzkonzeptes.

Ein Abweichung nach §73 liegt jedoch dann vor, wenn von den Vorschriften der jeweiligen Verordnung abgewichen werden soll.

Habe ich jetzt genug Verwirrung gestiftet? ;-))

Gruß

C. Lammer

Benutzer_1795

Ich versuchs mal kurz zusammenzufassen (für NRW)

Gebäude kein Sonderbau und divergierende Ausführung von BauO NRW --> Abweichung

Gebäude Sonderbau, jedoch keine Sonderbauvorschrift in Anwendung (z.B. Laden 1.500m?) und divergierende Ausführung von BauO NRW --> Erleichterung

Gebäude Sonderbau und Sonderbauverordnung angewandt, Abweichung von Bauordnung --> Erleichterung

Gebäude Sonderbau und Sonderbauverordnung angewandt, Abweichung von Sonderbauverordnung --> Abweichung

Gebäude Sonderbau und divergierende Ausführung von einer Verwaltungsvorschrift (z.B. SchulBauR) --> Erleichterung von BauO

Divergierende Ausführung von einer technischen Regel (z.B. LAR, LüAR) --> technische Abweichung nach §3 BauO und KEINE Erleichtung/Abweichung. Hier ist zu beachten, dass der "Verursacher" der divergierenden Ausführung die Gleichwertigkeit der Lösung bescheinigt.

Benutzer_2705

Herr Lamer schrieb im vorletzten Beitrag, dass auch Abweichung zu § 3, also von a.a.R.d.T., nach § 73 behandelt werden müssen. Das ist nicht richtig.

Für mich nur unklar: Wer beurteilt und genehmigt diese (im vereinfachten Genehmigungsverfahren)? Im Vollverfahren für Sonderbauten erfolgt die Prüfung ja vollständig durch die BAA. Im Vereinfachten macht dies jedoch zumeist ein staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung des BRandschutzes. Darf diese Abweichungen nach § 3 (z. B. auch von der VV BauO NRW) bewerten und denen zustimmen?

Steffi Huber

Benutzer_2705

Vielleicht kann ich die Frage auch noch mal aufweiten:

Für nach § 85 (1) BauO erlassene Rechtsvorschriften sind Abweichungen zu stellen?! (SBauVO etc.)

Für nach § 85 (9) BauO erlassene Verwaltungsvorschriften sind .... (keine Abweichungen ... saSV entscheidet selber ... ?)

Für aaRdT nach § 3 BauO (ob eingeführt oder nicht, IndBauR, LAR) ist die Gleichwertigkeit nachzuweisen. Muss das schon in den Bauantrag oder wann und wer entscheidet über die Zulässigkeit und die Gleichwertigkeit?

Danke

clammer

@Steffi Huber

Nein, ich habe geschrieben, dass eine Abweichung dann vorliegt, wenn von einer (oder mehreren) materiellen(!) Anforderung der BauO NRW abgewichen wird.

Dies gilt für die Normen nur dann, wenn Sie als Technische Baubestimmung eingeführt wurden.

Abweichungen kann nur die zuständige Baubehörde zustimmen (siehe zu Ihrer Frage zum "vereinfachten Genehmigungsverfahren´: §68 Abs. 8 BauO NRW).

Ja, für nach § 85 (1) BauO erlassene Rechtsvorschriften sind Abweichungen zu stellen.

Nein, für nach § 85 (9) BauO erlassene Verwaltungsvorschriften sind keine Abweichungen zu erstellen. Ggf. vorhandene Erleichterungen sind Bestandteil des Brandschutzkonzeptes und werden zusammen mit díesem genehmigt.

Gruß

C. Lammer

Benutzer_2705

Danke, und die Abweichung nach § 85 (9) BauO eingeführten Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften kann ich als saSV dann bewerten ohne BAA???!?!?