DIN 18230 -1 vs IndBauRL?

Benutzer_466

Hallo Forum,

wieder einmal eine Grundsatzfrage für Nds.

Ein bestehendes 30 Jahre altes Hallengebäude (4.000 m?) soll umgenutzt werden. Die Genehmigungsbehörde hat uns darauf hingewiesen, das sie vermutet, das die Brandlast der neuen Nutzung zu Schwierigkeiten führen wird.

Eine erste Durchsicht der Unterlagen hat ergeben, das eine Beurteilung gem. IndBauRL 6 (ohne Brandlastermittlung) uns nicht weiter bringt.

Jetzt stellt sich bei uns im Büro die Frage welches der sinnige Weg ist:

1.) Umnutzungsantrag und Brandschutzkonzept gem. IndBauRL 7, mit Verwendung des Rechenverfahrens nach DIN 18230-1

oder

2.) Antrag auf Nutzungsänderung mit ergänzendem Nachweis der Standsicherheit im Brandfall gem. DIN 18230-1.

Der Umweg über die IndBauRL scheint keine Vorteile zu bringen da die Flucht- und Rettungswegesituation auch der Bauordnung entspricht.

Hingegen ist die IndBauRL in Nds. eingeführt und die DIN 18230-1 nicht. (Wieso, verstehe wer will, denn über die IndBauRL ist sie dann ja doch wieder dabei...)

Also:

Direkt DIN 18230-1 oder den Umweg über die IndBauRL nehemen und dann durchs Hintertürchen mit der DIN 18230-1 kommen?

Wer hatte dieses Problem schon und kann einen Tipp geben?

Ich freu mich auf eure Antworten!

Gruß aus Bremen

Piet_HB

[gelöscht]

Hallo Piet_HB,

ich nehme an, dass Sie in der K 1 planen und Konstruktionen in der Skb 3 ohne Feuerwiderstand haben. Dann müssen Sie rechnen und dürfen eine Brandlast für eine tä von max. 45 min haben. Der Wärmeabzug muss 2,5 % und die Breite darf max. 55 m betragen.

Ob DIN 18230-1 eingeführt oder nicht, der Punkt 8 der IndBauRL, einer bauaufsichtlich eingeführten technischen Regel, legimitiert deren Anwendung.

Gruß Rainer Thieme

Benutzer_99

Autor: ChrisStumpf Hallo Piet_HB!

Die DIN 18230 ist eine DIN und stellt einen "allgemein anerkannten Stand der Technik" dar. Die DIN 18230 ist entgegen der DIN 18232 auch nicht umstritten. --> also überall in Deutschland anwendbar. Die IndBauR ist in zahlreichen Ländern bauaufsichtlich eingeführt! Aber, meines wissen nicht in Niedersachsen! Zudem ist die IndBauR in ihrer Rechtsnatur eine Richtlinie d.h. sie ist keine Verordnung und daher kann auch eine Bauaufsichtsbehörde nicht deren Anwendung zwingend verlangen. Wenn Sie als Planer jedoch die IndBauR anwenden, muß im Gegenzug die Behörde bei Einhaltung der IndBauR ihr auch folgen. Formal haben Sie auch nicht die Möglichkeit eine Abweichung von der IndBauR zu beantragen, da nach den Regelungen der Abweichungsparagraphen nur von Gesetze und Verordnungen abgewichen werden kann. Ich gebe zu, dies ist in der Praxis sehr schwierig.

Also, für Ihren Fall in Niedersachsen würde ich dringend bei der Bauaufsicht nachfragen ob eine Anwendung der IndBauR akzeptiert wird -man kann nämlich durchaus in der Argumentation auch für die IndBauR den "allgemein anerkannten Stand der Technik" geltend machen.

WernerMueller

@ Piet,

ich verstehe die Alternativen nicht so recht.

Der "Umweg" über die IndBauRL zur 18230 ist eigentlich keiner, sondern der (bauordnungs-)rechtlich einzige Weg, denn die IndBauRL stellt ja gewissermaßen das Bindeglied zwischen Norm und Baurecht dar. Eingeführt braucht die 18230 nicht werden (und wird sie wohl auch nie), da durch IndBauRL "inkorporiert".

@ ChrisStumpf,

die IndBauRL ist eine eingeführte technische Baubestimmung (sogar in Nds.!). Die Gen.-Behörde, darf nicht nur danach verlangen, sie muß. Die "Rechtsnatur" ist dabei egal. Und sie darf (zumindest "da oben im Norden"), auch noch mehr fordern, wenn Sie will.

Im übrigen können Sie natürlich auch Abweichungen von der IndBauRL beantragen (§ 86 NBauO "von Vorschriften dieses Gesetzes oder von Vorschriften auf Grund dieses Gesetzes", das schließt auch ETBs mit ein).

Gruß

Werner Müller

Benutzer_99

Autor: ChrisStumpf @ Herr Müller

Sie haben recht, die IndBauR ist in Nds eingeführt. Nds ist leider auch nicht so mein Gebiet, sorry. Aber die Niedersachsen haben es lange rausgezögert.

Aber zur Rechtsnatur muß ich Ihnen wiedersprechen: Verordnungen und Gesetze bedienen sich Paragaphen oder Artikel. Eine Richtlinie eben nicht. Sie ist keine Vorschrift, auch nicht im Sinne des von Ihnen zitierten §86.

Unter Ziffer 1 der IndBauRl Nds steht dies auch: "Industriebauten, die den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen, erfüllen die Schutzziele des § 20 Abs. 1 Satz 1 NBauO." Ich kann bei Industriebauten formal nur von der Bauordnung abweichen und für die Abweichungen zur Begründung die IndBauR anführen.

Zudem: wenn es keinen Unterschied zwischen Verordnung und Richtlinie gäbe, warum haben wir dann diese 2 verschiedenen Begriffe? Sehr schön ist dies an der Krankenhausbauverodnung bzw. -richtlinie zu erkennen. Sachsen-Anhalt hat eine KhBauR und NRW z. b. eine KhBauVO. In der Richtlinie stehen keine § sondern Ziffern.

Es gibt übrigens einschlägige Kommentare zu den Landesbauordnungen in denen dies auch so beschrieben steht.

Benutzer_99

Autor: ChrisStumpf @ Herr Müller

Sie haben recht, die IndBauR ist in Nds eingeführt. Nds ist leider auch nicht so mein Gebiet, sorry. Aber die Niedersachsen haben es lange rausgezögert.

Es gibt übrigens einschlägige Kommentare zu den Landesbauordnungen in denen dies auch so beschrieben steht.

WernerMueller

Herr Stumpf,

Zur Rechtsnatur/Unterschied Verordnung/Richtlinie: Natürlich gibt es Unterschiede (z.B. Art der Ermächtigung, Art des Zustandekommens, Art der Veröffentlichung, Adressatenkreis), die sind aber eigentlich nur von rein formaler Bedeutung, haben also streng genommen keine "materiellen" Auswirkungen.

Ihr Beispiel KhBauVO NRW oder KhBauRl SA: SA geht den Weg, die KhBauRl als Anlage zur VVBauO "einzuführen". Die VVBauO ist (zunächst) eine reine Verwaltungsvorschrift, richtet sich also an die Behörde und regelt, was die wie zu tun hat. In NRW gilt die VO also SonderbauVO quasi direkt. Im Ergebnis kommt in NRW und SA jedoch dasselbe "Bauwerk" heraus.

Also: Eine Richtlinie kann eine Vorschrift sein, muß es aber nicht.

Gruß

Werner Müller

Benutzer_466

@ Werner Müller: "Der "Umweg" über die IndBauRL zur 18230 ist eigentlich keiner, sondern der (bauordnungs-)rechtlich einzige Weg, denn die IndBauRL stellt ja gewissermaßen das Bindeglied zwischen Norm und Baurecht dar. "

Genau darum geht es mir:

"NBauO §51; Bauliche Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung ... können im Einzelfall besondere Anforderungen gestellt werden. Diese können sich insbesondere Erstrecken auf ... 5. die Bauart und Anordnung aller für die Standsicherheit, Verkehrssicherheit, den Brandschutz ... wesentlichen Bauteile.

...

Bauliche Anlagen oder Räume besonderer Art oder Nutzung sind insbesondere ... 10. bauliche Anlagen ... die für gewerbliche ... Zwecke bestimmt sind."

Wenn jetzt die DIN 18230 als eingeführte Regel der Technik allgemein anerkannt ist, kann ich doch direkt die DIN anwenden um den Nachweis der Standsicherheit im Brandfall zu erbringen.

Die Frage ist: MUSS ich die IndBauRL überhaupt ins Spiel bringen???

Gruß aus Bremen

Piet

WernerMueller

Hallo Piet,

meiner Ansicht nach schon. Zitat RdErl. zur Einführung der IndBauRL:

"Für Industriebauten als bauliche Anlagen oder Räume besonderer Art und Nutzung können, um die Anforderungen des § 1 NBauO zu wahren, gemäß § 51 NBauO besondere Anforderungen gestellt und Erleichterungen gestattet werden. Für den baulichen Brandschutz von Industriebauten im

Geltungsbereich der in der Anlage abgedruckten Richtlinie wird der Nachweis, dass die Anforderungen des § 1 i. V. m. § 20 NBauO gewahrt sind, aufgrund dieser Richtlinie geführt."

Und die Verknüpfung zwischen § 51 NBauO und der DIN 18230 ist halt einfach die IndBauRL

Wo ist denn eigentlich Dein Problem mit der IndBauRL?

Gruß

Werner Müller

vonhof

Also mir scheint, dass Piet hier ein Verständnisproblem hat.

Die DIN und die IndBauRL sind zwar miteinander verknüpft, haben aber unterschiedliche Funktionen und Aufgaben.

Bei der DIN kommt nur ein Wert x heraus, z. B. tä = 35 Min. Nur, was ist diese Aussage wert? Für sich alleine gar nichts. Denn daraus lassen sich keine brandschutztechnischen Forderungen ableiten. Uns man kann damit schon gar keinen Nachweis der Standsicherheit erbringen, wenn die DIN arbeitet mit "fiktiven" Werten.

Die Bauaufsichtlichen Forderungen erwachsen erst aus der Industriebau-Richtlinie. Diese greift ggf., nicht immer, auf die Ergebniswerte der DIN zurück, und stellt sie in einen Kontext mit dem Bauordnungsrecht. Erst jetzt wird aus der DIN ein bauaufsichtliches Instrument, keinesfalls vorher.

Die DIN alleine wäre ungefähr so, wie wenn ich mir am DB-Fahrkartenschalten eine Fahrkarte (=DIN) für EUR 35,-- kaufe (= Wert x) , aber nicht weiß, in welche Richtung ich damit fahren und welche Strecke ich zurücklegen darf (= IndBauRL).

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_465

Hallo Piet_HB,

schön wäre es, wenn Sie hier im Forum die letztlich genehmigte Lösung einmal posten könnten, und konkreter etwas zum Objekt sagen könnten.

Also:

- müssen Sie (in Erfüllung Tab.9 IndBauR) neue Dachöffnungen schneiden?

- sind evtl. Dachreiter/Sheds o.ä. vorhanden, die man für Wärmeabzüge nutzen könnte?

- bauen Sie (Ihr AG) evtl. eine autom. BMA ein, um mit der 4000m?-Fläche und errechnetem tä in die Tab.9 IndBauR zu passen?

(ich sehe eindeutig die Anwendung der IndBauR zusammen mit DIN18230)

- müssen Sie am Ende die IndBauR 100% umsetzen oder werden Abweichungen, in "Würdigung des Bestandes", zugestanden?

(ich habe kürzlich, anläßlich eines teilweisen Umbaus, ein Brandschutzkonzept für einen Industriebau, mit Gebäudeteilen aus 1885 bis 2005, gemacht. Unter Zustimmung der Feuerwehr und wegen der günstigen Rettungswege konnten einige alte Hallenteile mit Sheddach so bleiben, wie sie sind)

mfG

M. Koeppen

Benutzer_149

Hallo Kollegen,

noch eine Ergänzung zur Rechtsnatur von Richtlinien und Verordnungen. Die Einhaltung einer Verordnung ist bauaufsichtlich zwingend. Weicht man davon ab ist dies, je nach Bundesland und genauem Wortlaut in der Verordnung eine Abweichung oder Befreiung.

Eine Richtlinie ist zunächst ein technisch als gut befundener Vorschlag (veröffentlicht vom Gesetzgeber oder aber auch von privaten Institutionen), der zum allgemein anerkannten Stand der Technik zählen kann, was aber grundsätzlich bauaufsichtlich unbedeutend ist. Die Genehmigungsbehörde kann aber (in vielen Bundesländern so ohne weiteres aber nur bei Sonderbauten)das Einhalten von Richtlinien, im Rahmen der Baugenehmigung vorschreiben.

Ganz anders verhält es sich bei bauaufsichtlich eingeführten technischen Baubestimmungen (die mittlerweile in den meisten Bundesländern über die "Liste der technischen Baubestimmungen" eingeführt werden). Diese sind von Haus aus (vergleichbar mit Verordnungen) verbindlich anzuwenden. Eine Abweichung hiervon bedeutet auch eine Abweichung im bauaufsichtlichen Sinn (quasi über Art. 3 BayBo bzw. vergleichbarer Paragraph der meisten Landesbauordnungen: "Die von der obersten Bauaufsichtsbehörde durch öffentliche Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen eingeführten technischen Regeln sind zu beachten."). Die DIN 18230 ist übrigens nirgends bauaufsichtlich eingeführt (wie H. Müller und H. Vonhof bereits erwähnt hatten) weil sie "nur" ein "Zuarbeitungsinstrument" zur Industriebaurichtlinie ist und über diese dann bauaufsichtlich bedeutend wird, wenn nach z.B. Abschn. 7 geplant wird. Die alleinige Anwendung der DIN 18230 ohne Industriebaurichtlinie gibt keinen Sinn und ist letztendlich auch bauaufsichtlich nicht zulässig.

Grüße Lutz Battran