Äquivalente Branddauer im Hochhaus?

Benutzer_197

Hallo Kollegen,

liegt bei mir ein Denkfehler vor, wenn ich für die erforderliche Feuerwiderstandsdauer der Tragkonstruktion im obersten Geschoss eines Hochhauses (6. OG) eine Berechnung der äquivalenten Branddauer gem. DIN 18230-1 anstelle und aufgrund des "erschwerten" Feuerwehreinsatzes hier einen entsprechenden Sicherheitszuschlag von 100% ansetze?

Nach meinem Verständnis spielen doch beim genannten Verfahren weder die Raumaufteilung, d. h. ob es sich um mehrere kleinere oder einen großen Raum handelt, die Ausbildung einer Rauch-/Heißgasschicht, noch die Höhe des jeweiligen Geschosses eine Rolle sondern lediglich Brandlast, Alarmierungs- und ggf. Löscheinrichtungen, Wärmeabzugsflächen und Wärmeeindringverhalten, die Brandabschnittsfläche, sowie ggf. eine Werksfeuerwehr eine Rolle. Denn ein Brand entwickelt sich ja im EG gleich (soweit Brände dieses überhaupt tun) wie der im z. B. 6. OG. Und bei Unterteilung der Fläche in mehrere F-30-Abschnitte bzw. Räume verbessere ich doch die Situation gegenüber einem großflächigen Raum sogar noch, da hier bei normalem eingreifen der FW kein Vollbrand über die gesamte Fläche auftraten kann.

Das die Rettungswege "sauber" sein müssen und hier natürlich die für Hochhäuser geltenden Bedingungen maßgeblich sind, versteht sich von selbst.

Auf die Antworten bin ich mal gespannt.

Mit freundlichen Grüßen,

F. Fleischhauer

Benutzer_411

Hallo Herr Fleischhauer,

eigentlich ist gem. den bisher in div. Bundesländern eingeführten HHRiLi immer die Tragkonstruktion mind. in F90 auszuführen. Das die 18 230 im Hochhaus verwendet wird und dies baurechtlich auch noch anerkannt wird ist mir fremd. Hab ich doch richtig verstanden das es ein HH ist und kein Ind.Bau, oder?

Gruss aus Stuttgart

Ralf Schäfer

Benutzer_197

Hallo Herr Schäfer,

HH hat keine HHRl eingeführt sondern einen Teil der entsprechenden Forderungen in div. §§ der BauO "eingepflegt". Und das die DIN 18230 nicht für ein Hochhaus gemacht ist, ist auch klar. Nur stelle ich mir die Frage, ob und wenn ja wie man nicht zumindest das oberste Geschoss, das nur um ca. 2 m über der Hochhausgrenze liegt, möglicherweise in Bezug auf die Feuerwiderstandsdauer abmindern kann. Und hier habe ich den Ansatz über die äquivalente Branddauer gesehen, denn dem Feuer ist es ja egal, in welche Höhe es brennt. Lediglich die Feuerwehr hat es etwas schwerer, was ich ja mit einem entsprechenden Sicherheitszuschlag berücksichtigen würde. Ausserdem gehe ich davon aus, dass bei einer reinen Büronutzung bei nahezu ausschließlicher Verwendung von A-Baustoffen sowieso eine Brandbelastung von 90 Minuten ETK nicht zustande kommt, selbst wenn die Feuerwehr nicht käme bzw. versagen würde, was ich mir bei einer BF für ausgeschlossen halte. Ich vermute, das deckt sich mit Ihren Erfahrungen.

Was die baurechtliche Anerkennung angeht, ist im übrigen zumindest im Moment kein Thema, die Bauaufsicht lehnt diese Vorgehensweis grundsätzlich ab und sagt sinngemäß:"Sowas haben wir noch nie gemacht, und dabei bleibt es. Und der Bauherr akzeptiert es. Mir geht es eher um den grundsätzlichen Gedankenansatz, denn irgendwer muss sowas ja immer als erster machen.

Mit freundlichen Grüßen,

F. Fleischhauer

Benutzer_411

Hallo Herr Fleischhauer,

theoretisch kann man einen Versuch über Brandlastberechnung und den Eurocode machen, das ist ja nun auch ein Stand der Technik. Zu Brandlasten in Büros hab ich genügend heisse Erfahrungen, da bin ich nicht sehr blauäugig, so wenig ist das nach ein paar Jahren der Nutzung nicht. Für die Tragkonstruktion werden Sie vermutlich eh keine Einsparungen bringen können, die wird schon alleine aus statischen Gründen die F90 erfüllen; die Diskussion des Daches / Decke ist ne Ansichtssache, da halt ich F90 pers. für hoch gegriffen.

Für die überwiegende Verwendung von A-Baustoffen: Baumaterial sicherlich, Innenausstattung eher sehr selten (wer sitzt und arbeitet schon gerne auf Beton oder Stahl).

Gruss aus Stuttgart

Ralf Schäfer

[gelöscht]

Hallo Herr Fleischhauer,

Für Nutzungen zu Wohn- Schlafzwecken würde ich das im Hochhaus nicht tun. Auch nicht, wenn nur ein Sicherheitstreppenraum zur Verfügung steht. Warum aber nicht für eine Büronutzung, wenn zwei vernünftige Rettungswege vorhanden sind. Wenn Sie rechnen werden Sie erstaunt sein, was Sie haben können um auf F 30 zu kommen.

Worauf Sie auf jeden Fall angewiesen sind ist eine Abweichung oder Befreiung (je nach Bundesland). Hier sind Sie auf das Ermessen der Bauaufsicht angewiesen. Um die zu überzeugen würde ein namhaftes Brandschutzbüro eine Simulationsberechnung machen. Ein namhaftes Büro hätte mit der Bauaufsicht sicher weniger Probleme als ein Sachverständiger, der weniger namhaft ist und das nicht mit einem Verfahren macht, wo man dann schöne bunte Bilder ansehen kann.

Warum soll das nicht mit der DIN 18230-1 möglich sein?

Für mich gehört die DIN 18230 zu den "Ingenieurmäßigen Rechenmethoden im Brandschutz" Da die DIN "unglücklicherweise" unter "Baulicher Brandschutz im Industriebau" läuft, ist das doch kein Grund die wissenschaftlichen Grundsätzen auf die die DIN aufbaut zu negieren.

Schauen Sie mal auf die Entwicklung der DIN Reiche 18232. Die lief früher auch unter der Bezeichnung "Baulicher Brandschutz im Industriebau" und wurde nicht nur im Industriebau angewendet. Hier gab es allerdings eine starke Lobby, die dafür gesorgt hat, dass der "Baulicher Brandschutz im Industriebau" verschwindet.

Sicher war die Lobby für die 18230 nicht so stark. Jetzt mit EN im Nacken sind die Messen gesungen und wir müssen uns irgendwie über die Runden helfen und ich kann mich prinzipiell Ihrer Meinung anschließen.

Viele Grüße Rainer Thieme

Benutzer_197

Hallo Herr Schäfer,

leider macht es bei der Tragkonstruktion schon einen Unterschied, da es sich aus statischen Gründen der darunterliegenden Geschosse im obersten Geschoss um eine Stahlkonstruktion handelt. Insofern wäre jede Feuerwiderstandsklasse weniger aus finanziellen und gestalterischen Gründen was wert. Was die Brandlasten angeht, so habe ich dieses rein interessehalber mal mit 20 kg "Kleinmöbel" und 80 kg Papier pro m? Grundfläche gerechnet. Ich denke, diese Werte liegen deutlich auf der sicheren Seite. Und das die ganze Geschichte "ordentlich brennen" würde, ist auch mir aus "heißer" Erfahrung klar, nur denke ich eben nicht so lange nach ETK, wenn große Wärmeentlastungsflächen zur Verfügung stehen. Die angestellte Berechnung hat unter den konkreten Rahmenbedingunen ein tä von ca. 20 Minuten ergeben und wie Herr Thieme auch schreibt, warum soll das Rechenverfahren nur im Industriebau gelten, im Verwaltungsbau brennt es ja bei gleicher Brandlast nicht anders, nur weil die Mitarbeiter nicht von Werkbänken sondern von Schreibtischen flüchten. Das man für das Ergebniss der Berechnung eine Befreiung braucht, ist klar.

Und was das Thema namhaftes Büro angeht, so befürchte ich, hat Herr Thieme recht. Wenn man die Bauaufsicht mit "bunten Bildern" aus einem Rechner und einem dicken Stapel Tabellenausdrucke "erschlägt" und dann bereits "einen Namen hat", befürchte ich, wird dieses nicht mehr geprüft sondern geglaubt, insbesondere da häufig auf den Brandschutzdienststellen das gar nicht nachvollzogen werden kann (in HH möglicherweise schon, in vielen Landkreisen aber mit Sicherheit nicht). Und wenn man keinen Namen hat und nicht so tolle EDV und es daher "von Hand" rechnet, wird halt auf die Argumentation :"Die DIN ist nur für den Industriebau, steht doch im Titel!" verwiesen und der Bauherr darauf hingewiesen "der SV habe das wohl nicht richtig verstanden und daher einen unzulässigen Ansatz gewählt".

Ich würde mich aber über die Stellungnahmen weiterer Kollegen freuen, denn manchmal lässt sich ja doch für weitere Bauvorhaben der Gedanke nochmal aufnehmen.

Mit freundlichen Grüßen,

F. Fleischhauer

Benutzer_822

Autor: Schächer Liebe Kollegen, ein Hochhaus ist ein für die Feuerwehr "unerreichbares" Gebäude, d.h. sie kann nicht von außen dran, sie ist ohne wenn und aber auf die inneren Erschließungswege angewiesen.

Daher kann ein Brandeinsatz, der "unten" nur Minuten dauert, sich "oben" länger hinziehen. Wie lange genau hängt von vielen Umständen und der Brandlast ab.

Alleine der lange Anmarsch nach oben stärkt aber das Feuer. Es breitet sich in der Anmarschzeit weiter aus und läßt sich nicht "umzingeln". Meist kann man nur von einer Seite dran.

Wie hoch die Brandlasten im Einzelfall wirklich sind, ist im voraus schwierig zu sagen. Die Erfahrung und alle mir bekannten wissenschaftlichen Erhebungen lassen aber den Schluß zu, daß F 90 so viel ist, daß das Feuer auch ohne Feuerwehr mangels Brandlast rechtzeitig ausgeht. D.h. die rechnerisch anzusetzende Erwärmung "F 90 nach ETK" ist größer, als die tatsächlich wirksame Bauteilerwärmung aus vorhandener und gezündeter Brandlast.

Der Gedanke "F 90" ist daher zunächst: das Haus soll stehen bleiben und nicht vorzeitig umfallen - wenn bei einem Hochhaus etwas herunterfällt, muß das nicht von oben nach unten sein, es kann auch seitlich "segeln". Insbesondere leichte Holzkonstruktionen, die man als oberstes Geschoß(evtl. auch nachträglich) aufsetzen möchte, können im Brandfall abtreiben ("segeln") und 20 oder 30 m weit vom Haus entfernt "einschlagen". Daher:

F 90, daß es auf jeden Fall "oben bleibt" und weder die angerückte Feuerwehr noch sonstige Passanten trifft, auch dann nicht, wenn eine ziemlich hohe Brandlast vorliegt und / oder der Brand nicht rechtzeitig oder nicht effektiv genug ausgemacht werden kann, was wegen der geometrischen Bedingungen, "Lagerbeständen" usw. durchaus möglich ist.

Wir waren im Januar gut 3 Stunden bei einem "Häuschen-Brand", weil die Nutzer den gesamten Dachboden mit Erinnerungsstücken vollgestopft hatten ... Darunter hat dann die Holzbalkendecke mit Lehmfüllung deutlich gelitten. Eine massive F 90 Decke / Wand Konstruktion hätte auch das locker weggesteckt.

Schächer

IB Statik + baul. Brandschutz

Fachberater Statik f.d. Fw.