Balkon an Brandwand

Benutzer_2591

Hallo Fachleute,

mein Bauherr möchte einen Balkon (ohne ÜBerdachung) im Erdgeschoss (Hochpaterre) mit einer Ausladung von 2,80 m in Holzbauweise direkt an die Nachbargrenze bauen. Als Brüstung ist ein einfaches Holzgeländer vorgesehen, dass nicht über die Brüstungshöhe hinausgeht. Der Bodenbelag soll aus Holz bestehen. Das Gebäude befindet sich in Hessen und fällt unter die Gebäudeklasse 4.

In der HE-HBO habe ich unter Punkt 27.2.1.1. gefunden, dass man für Balkone keine Gebäudeabschlusswände in Brandwandqualität herstellen muss.

Meine Fragen: Muss ich einen Abstand zur Nachbargrenze einhalten? Muss der Balkon aus nichtbrennbaren Baustoffen erstellt werden? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage basiert die Anforderung und gilt sie auch für das Geländer und den Bodenbelag des Balkons oder nur für die tragenden Bauteile?

Dankeschön im Voraus.

MFG

Silke H.

clammer

Muss ich einen Abstand zur Nachbargrenze einhalten?

Ja, wenn der Balkon mehr als in Drittel der Wandbreite einnimmt.

Muss der Balkon aus nichtbrennbaren Baustoffen erstellt werden?

Nein, wenn der Abstand zum Nachbargrundstück eingehalten wird.

Gruß

C. L.

Benutzer_2591

Hallo C.L.,

danke für Ihre rasche Antwort. Ich nehme an, Sie beziehen sich auf § 6 Abs. 6 LBO.

Zur Erklärung: Das Wohngebäude, an den der Balkon angebaut werden soll, steht an der Nachbargrenze, d.h. der Balkon ist mit dem Wohngebäude deckungsgleich. Gilt hier nicht was in der HE-HBO unter Punkt 6.6.1.2 ganz unten steht: "§ 6 Abs. 6 Satz 1 regelt nicht den seitlichen Grenzabstand von Balkonen bei Gebäuden, die auf der Grenze stehen."?

Wo steht denn eigentlich das der Balkon aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen muss?

Grüße

Silke H.

Benutzer_822

die Anforderung einer F Klasse ist aus Fußnote 7 zu Anlage 1 der HBO gestrichen worden. Man darf Balkone an die Grenze bauen ohne Abstände einzuhalten. Er darf auch brennbar sein.

Kollege meint: wg der Abstandsfläche (nach vorne zur Grenze) darf der Balkon nur 1/3 sein, um noch privilegiert zu sein.

Wenn man zu sehr ausnutzt, was erlaubt ist, wird ein Brandüberschlag jedoch gefördert und ein vernünftiger Brandschutzplaner sollte erkennen, was nicht geht, auch dann, wenn es zulässig ist. mfg Schächer

clammer

Hallo Silke,

nur weil etwas nicht geregelt ist, heißt es nicht, das man es auch tun darf.

Der Gesetzgeber schweigt sich inzwischen zu den Balkonen aus; d. h. der Entwurfsverfasser/Sachverständige muss nun in seiner Planung berücksichtigen, dass die Schutzziele der Bauordnung eingehalten werden.

Wenn Sie zum Beispiel die vom Herrn Schächer erwähnte Gefahr des Brandüberschlages sehen, können Sie den Balkon nicht einfach so aus brennbaren Baustoffen bauen.

Gruß

C. Lammer

P. S.: Es gilt immer § 13 HBO.

Benutzer_2591

Hallo Herr Schächer, hallo Herr Lammer,

Ihre Unterstützung schätze ich sehr. Trotzdem habe ich noch eine Anmerkung bzw. Frage:

Wenn eine Anforderung bewußt aus der Anlage 1 der HBO gestrichen worden ist, darf man Sie dann über die Generalklausel (§ 13 HBO) einfordern? Das würde ja bedeuten, der Gesetzgeber könnte sich aus allen heiklen Fragen zurückziehen und alle Verantwortung den Planenden zuschieben, oder?

Ich bin mir meiner Verantwortung als Planer sehr bewußt. Dennoch besteht doch für meinen Bauherren ein Rechtsanspruch zu bauen, es sei denn sein Vorhaben wird durch Vorschriften eingeschränkt.

Der konkrete Fall sieht so aus: Der Balkon ist nur vor einer einzigen Öffnung (Balkontür) und nur im EG geplant.

Ich sehe eine Gefahr des Brandüberschlages eher durch die Möblierung des Balkons. Und die brennt, egal, ob die Konstruktion darunter aus Holz oder Stahl ist. (Mit Holzkonstruktion brennt´s vielleicht länger).

Freundliche Grüße

Silke H.

vonhof

Hallo Silke H.,

die HBO enthält wie alle Bauordnungen ein abgeschlossenes (!) Brandschutzkonzept für den Wohnungsbau. Wenn Sie die Bauordnung einhalten, ist automatisch auch § 13 HBO eingehalten.

Daran dürfen sich auch die NRWler mal erinnern. Insofern muss ich Ihnen, C. Lammer, in aller Deutlichkeit widersprechen. Manchmal habe ich den Eindruck, gerade in NRW versucht jeder über den § 17 BauO NRW zu machen oder zu fordern, was er will, und man könnte sich die Bauordnung gleich ganz schenken. Aber dem ist beileibe nicht so.

In Deutschland herrscht immer noch Baufreiheit, und was nicht verboten oder reglementiert ist, ist erst einmal erlaubt.

Gruß

Alexander Vonhof

clammer

Hallo Herr Vonhof,

zum Thema "Balkone" gab es ja schon den ein oder andern Beitrag hier im Forum.

Grundsätzlich ist aber so, wie ich ausgeführt habe: der Gesetzgeber hat sich zum Thema Balkone "zurückgezogen"; Und ich habe auch nicht die Baufreiheit in Frage gestellt, sondern lediglich - vielleicht etwas ungeschickt - zum Ausdrucck bringen wollen, dass auch dann, wenn etwas nicht reglementiert ist, der gesunde Menschenverstand und die Fachkompetenz der am Bau Beteiligten gefragt sind. Und da mangelt es das ein oder andere schon mal.

Und richtig, die Bauorddung hat ein abgeschlossens Konzept - dann muss ich aber auch das ganze(!) Konzept einhalten, siehe auch meine erste Antwort.

Und wenn dies in dem ein oder anderen Punkt nicht so ist, dann muss man den ein anderen anderen Sachverhalt eben neu betrachten.

Gruß

C. Lammer