Aufenthaltsräume?

Benutzer_2477

Hallo, Kollegen,

folgendes Problem:

Eine Gemeinde in Sachsen unterhält im ländlichen Raum ein Kulturzentrum (umgebaute Scheune). Es handelt sich um eine erdgeschossige Versammlungsstätte mit ca. 250 Plätzen, ohne festangestelltes Personal.

Hinter einer Trennwand befindet sich ein 2-geschossiger Versorgungsbereich, dessen OG über eine Treppe erschlossen ist.Im OG gehen von einem Vorraum (40 m?) 2 Garderobenräume (je 12 m?) 1 Schminkraum (6 m?) sowie ein Technikraum (9 m?) ab.

Alle Räume im OG sind fensterlos, eine Lüftungsanlage ist nicht vorhanden.

Genutzt wird das Kulturzentrum zumeist für private Feiern (da wird nur das EG vermietet), 5-7 x im Jahr sind auch öffentliche Veranstaltungen, von denen pro Jahr in 2 Fällen das OG genutzt wird, damit sich 10 Revuetänzerinnen dort umziehen und schminken können (Dauer ca. 1 h).

Frage: Welcher Raum im OG ist ein Aufenthaltsraum, im Sinne der BO, der ein komplettes Rettungswegsystem für das OG erfordert?

WernerMueller

Hallo bsbhb,

ich würde die genannten Räume einschließlich des Vorraumes (gesamt ca. 80 qm) als eine Nutzungseinheit ansehen und eine zweiten Rettungsweg vorsehen. Dies umso dringender, wenn der Treppenzugang nicht "astrein" ist.

Gruß

Werner Müller

clammer

Hallo bsbhb,

nach Ihren Ausführungen ist keiner der Räume ein Aufenthaltsraum, da die Voraussetzungen an Aufenthaltsräume (BO, ASV, ...) nicht erfüllt sind.

Sonst stimme ich mit Herrn Müller überein.

Gruß

C. Lammer

Benutzer_2477

Danke, für die Beiträge.

Bis jetzt bin ich der Auffassung von Herrn (?) Clammer, nämlich, die Voraussetzungen dafür, dass die Räume im OG Aufenthaltsräume (zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt geeignet...)im Sinne der SächsBO sind, fehlen.

Auch wenn ich als Ing. sofort bei Herrn Müller bin (2 Ausgangsmöglichkeiten aus einer Nutzungseinheit sind besser als eine) und ein 2. Abgang ist vorhanden (nur von mir nicht ais Rettungsweg ausgewiesen) bleibt die Frage:

Ist die Nutzungseinheit im OG nun eine mit einem Aufenthaltsraum (dann ist die behördliche Forderung nach dem 2. Rettungsweg korrekt) oder ist sie das nicht, weil, s.o., die Voraussetzungen fehlen?

WernerMueller

Hallo bsbhb,

ich lege die BauO gerne sehr wortgetreu aus und versuche üblicherweise nichts "hinzuzuschutzzielen", was es nicht gibt bzw. was nicht gefordert ist. Aber:

Die genannten Räume sind im strengen Sinne der BauO ggf. keine Aufenthaltsräume, eben weil die entsprechenden Kriterien (Belüftung, Belichtung, ggf. Raumhöhe) fehlen. Diese Kriterien haben aber in den BauO eigentlich einen ganz anderen Hintergrund: Letztendlich geht es bei diesen Kriterien darum, "gesunde" sozialverträgliche Mindeststandards sicherzustellen (z.B. wie auch die öffentlich-rechtliche (!) Forderung nach Küche, Bad und WC in jeder Wohnung).

Aber: Es halten sich Menschen in diesen Räumen auf. Und das ggf. nicht zu kurz. Hier hilft dann doch keine theoretische Worthuberei, sondern im Zweifelsfall nur ein 2. Rettungsweg. Gerne auch mit § 14 MBO/SächsBO (Rettung...muss bei einem Brand...möglich sein) begründet.

Gruß

Werner Müller

clammer

Hallo Herr Müller,

ich stimme ja mit Ihnen überein. Aber wenn wir davon ausgehen, dass diese Räume als Aufenthaltsräume genutzt werden, dann reicht eben nicht "nur" der zweite Rettungsweg.

Wenn sie nicht als Aufenthaltsräume genutzt werden, dann brauchen sie auch nicht die Anforderungen erfüllen.

Wir schreiben ja auch keine Wärmedämmung für eine Garage vor, nur weil der Nutzer sie später als Aufenthaltsraum nutzen will.

Gruß

(Herr) C. Lammer

firefly

Für mich stellen sich da schon ein paar Fragen: Ist die Trennwand zur Versammlungsstätte eine brandschutztechnisch wirksame Trennwand - oder muss man davon ausgehen, dass es sich um öffnungslose gefangene Räume der Versammlungsstätte in einem Obergeschoss handelt? (immerhin rund 70m? ohne Sichtverbindung!)

Sind wenigstens die Laufweglängen eingehalten?

Und wenn ein zweiter Abgang bereits vorhanden ist, warum wird er dann nicht als Rettungsweg ausgewiesen?

Kann nicht wenigstens ein Fenster als "anleiterbarens Fenster" neu geschaffen werden? (auch zur Rauchableitung!)

Hier gar nix zu machen, würde ich zunächst als sträflich bezeichnen...

Benutzer_2477

Hallo, firefly,

zu Ihren Fragen: Die Trennwand ist brandschutztechnisch wirksam, die Lauflängen aus dem OG sind eingehalten und der 2. Abgabg führt aus dem OG über eine T 30-Tür auf einen Techniksteg im Versammlungsraum an dessen Ende eine Leiter hinab führt, deshalb ein Abgang aber ,m.E., kein Rettungsweg.

Und natürlich kann man nachträglich ein anleiterbares Fenster u.a. einbauen, es bleibt aber immer noch das Problem (?)warum definieren wir mit viel Aufwand, was einen Aufenthaltsraum, im Sinne der BO ausmacht, wenn das im Ernstfall erst mal gar nicht gelten soll.

Benutzer_822

an einen Aufenthaltsraum werden v i e l e Anforderungen gestellt. An einen Raum, in dem sich ein paar mal ein paar Leute einige Stunden aufhalten, kann man großzügiger drangehen. Aber die Rettung m u s s klappen, also 2 bauliche Rettungswege. Und auch so begründen. Bei Mehrzweckhallen machen wir dies doch auch: keine Lüftung usw. aber ausreichende Türen für die zügige Flucht aller Leute aus der vollbesetzten halle. mfg Schächer

firefly

Sehe ich auch so. Man muss hier zwar nicht alle Anforderungen an Aufenthaltsräume erfüllen (Abstriche bei Belichtung/Belüftung), aber die Rettungswege müssen passen. Immerhin halten sich da zeitweise 10 oder mehr Personen im Obergeschoss (70m?!!!) auf!

Benutzer_2477

Hallo, Herr Schächer, hallo firefly,

Entschuldigung, aber Ihren Gedanken möchte ich so noch nicht folgen.

Wenn ich diese Argumentation weiter führe, komme ich dahin, dass die Bestimmung (Zweck) des Raumes unerheblich ist und nur die mögliche Personenanzahl zählt. Dann müsste aber jeder Waschraum auf dem Sportplatz oder im Stadion über 2 bauliche Rettungswege verfügen, weil sich nach Spielende dort eine komplette Mannschaft duscht bzw. wäscht. Aber ich meine gelesen zu haben, dass Garderoben, Waschräume und Toiletten nicht als Aufenthaltsräume gezählt werden (und deshalb in der Regel auch keinen 2. baulichen Rettungsweg haben)

Und, um bitte nicht falsch verstanden zu werden, ich will die Leute im OG nicht opfern. Das OG verfügt über einen Treppenabgang und über den beschriebenen über den Techniksteg, der, ggfs. über eine Abweichung, auch als Rettungsweg genehmigungsfähig sein sollte.

Es geht mir eigentlich um den (m.E.) Widerspruch, dass ein Raum, der die Voraussetzungen, um als Aufenthaltsraum im Sinne der BO anerkannt zu werden, nicht erfüllt, andererseits das komplette Rettungswegsystem haben muss.

Benutzer_206

Auszüge aus den Kommentaren zur Bauordnung von ?Koch/Molodowsky/Famers? sowie ?Simon/Busse?:

- Der Raum muss zunächst zum (nicht nur vorübergehenden) Aufenthalt entweder subjektiv, durch den Bauherrn oder sonst Verfügungsberechtigten, bestimmt oder objektiv, also nach Lage und Größe, geeignet sein.

- Es muss ein längerer Aufenthalt von Menschen gewollt oder möglich sein.

Keine Aufenthaltsräume sind deshalb Räume, die nicht oder nur vorübergehend, also nur für kürzere Zeit, zum Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind.

- Nicht als Aufenthaltsräume anzusehen sind insbesondere Hausarbeitsräume, wie Näh- und

Bügelräume.

- Keine Aufenthaltsräume sind ferner u.a. Sanitär-, Vorrats-, Abstellräume

- Lagerräume, soweit sie nicht als Arbeitsräume dienen, auch wenn sie objektiv geeignet sind.

Benutzer_206

Hallo Kollegen

Zum Thema Aufenthaltsräume habe ich mal in den Kommentaren gestöbert:

Auszüge aus den Kommentaren zur Bauordnung von ?Koch/Molodowsky/Famers? sowie ?Simon/Busse?:

- Es muss ein längerer Aufenthalt von Menschen gewollt oder möglich sein.

Keine Aufenthaltsräume sind deshalb Räume, die nicht oder nur vorübergehend, also nur für kürzere Zeit, zum Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind.

- Nicht als Aufenthaltsräume anzusehen sind insbesondere Hausarbeitsräume, wie Näh- und Bügelräume.

- Keine Aufenthaltsräume sind ferner u.a. Sanitär-, Vorrats-, Abstellräume

- Lagerräume, soweit sie nicht als Arbeitsräume dienen, auch wenn sie objektiv geeignet sind.

Gruss

E.Sauter

clammer

Die Diskussion verläuft m. E. mittlerweile schon ziemlich eigenartig.

Auch wenn ich mich wiederhole, wenn ein Raum als Aufenthaltsraum genutzt/genehmigt werden soll, dann muss er grundsätzlich auch ALLE Anforderungen an Aufenthaltsräume erfüllen.

Und wenn nicht, dann nicht.

Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Nutzung der Räume trägt der Betreiber.

Hier gibt es m. E. keinen Widerspruch.

@bsbhb

Wenn also Ihr erster Rettumnsgweg baurechtlich in Ordnung ist, ist dass völlig ausreichend.

Gruß

C. Lammer

(Ich unterstelle, dass hier nicht eine brandschutztechnische Unzulänglichkeit "gesund gebetet" werden soll.)

Mattes

Lasst und die schutzzielorientierte Betrachtung nicht ganz aus den Augen verlieren:

Toilettenräume z.B. sind nach allgemeiner Auffassung keine Toilettenräume. Wenn ich in einer großen Versammlungsstätte im UG oder OG große Toilettenanlagen habe, kann sich m.E. niemand auf den Formalismus zurückziehen, dass kein 2. RW erforderlich sei, weil Toiletten keine Aufenthaltsräume sind.

Wo nun die Grenzen liegen, ist wie so häufig im Einzelfall zu entscheiden.

Gruß

Matthias Bußmann

Benutzer_880

Sehe ich auch so, zwei funktionierende Rettungswege erforderlich, auch wenn diese mit Abweichungen behaftet sind. Denn, zum einen wärs ja äußerst schade um die sich dort oben umziehenden Revuetänzerinnen (sonst müssen wir bald nur noch denen auf dem Fußballrasen zuschauen ;-) und zum anderen würde im Falle eines Falles sich ein Staatsanwalt, glaube ich, nicht auf Diskussionen einlassen, ob der Raum aus dem jemand nich rausgekommen ist nun per Definition ein Aufenthaltsraum war oder nicht.

Gruß!

Phoenix

clammer

Es geht mir hier aber auch um die Verhältnismäßigkeit.

"Wir" haben hier zwei(!) mal im Jahr 10 Personen für jeweils eine(!) Stunde im Raum.

Wenn wir zum Beispiel folgende Konstellationen nehmen und vergleichen:

- Sanitärräume werden sich öfters als zwei mal im Jahr gereinigt.

=> Pech für die Putzkolonne, leider kein 2. RW

- Die "bügelnde Hausfrau" aus dem Beitrag von Herrn Sauter) wird sicher auch öfters als zwei mal im Jahr bügeln.

=> Leider auch Pech, kein 2. RW

- Eine Lüftungszentrale unter dem Dach oder im Keller; Anlage wird saniert; es arbeitet eine Vielzahl von Leuten über Tage oder gar Wochen dort.

=> Immer noch Pech, kein 2. RW

@mattes

Verehrter Herr Bußmann,

bei allem Respekt, aber ich habe (bundesweit) noch nie eine Versammlungssätte mit Toilettenanlagen, die einen 2. RW haben, gesehen. Einzige Ausnahme waren Fälle, wo man sich weitere Anlagen für angrenzende Bereiche sparen wollte und sich deshalb zwei Zugänge "geleistet" hat.

Es geht mir auch nicht um Formalimus, sondern um einee ganzheitliche Betrachtung und Abwägung der Rechtsgüter:

Wenn einigen Formustielnehrm einen 2. RW fordern, frage ich aber auch nach

- Belüftung (es sind werden Fenster noch eine RLT-Anlage vorhanden)

(Wie hoch wohl der CO2-Gehalt nach einer Stunde in den Räumen ist?)

- kein Tagslicht

- der Rauch bleibt auch drin

...

Gruß

C. Lammer

Benutzer_250

Hallo vielleicht kann dies uns in diesem Fall weiterbringen

In der Kommentierung zur Arbeitstätteverordnung steht:

Ein Arbeitsraum ist es. wenn in ihm mindestens 30 Tage im Kalenderjahr oder regelmäßig mindestens 2 Stunden pro Tag gearbeitet wird.

(Kommentar Rd 10 und 11 zu § 2 Abs.1 der ArbStättV von Opfermann/Streit).

Alwin Strobel