Hallo,
zur Frage nach den alten Begriffen "feuersicher" und "feuerfest":
Königreich Württemberg
Verfügung des Ministeriums des Innern zum Vollzug der Bauordnung vom 10. Mai 1911 (Reg.-Bl. S. 77)
Zum Vollzug der Bauordnung vom 28. Juli 1910 (Reg.-Bl. S. 333) wird nachstehendes verfügt.
zu Artikel 68 vgl. mit Artikel 67 und 96
§ 56:
Hinsichtlich des erforderlichen Maßes des Schutzes gegen Feuersgefahr ist bei der Ausführung der Bauten und bei der Wahl der Baustoffe zu unterscheiden zwischen Feuerfestigkeit und Feuersicherheit.
Als feuerfest (vgl. Artikel 90 Abs. 1: durchaus feuersicher) gelten solche Bauausführungen, die im Brandfall ihre Haltbarkeit nicht und ihre Form nur ganz unwesentlich einbüßen.
Feuerfeste Bauausführungen sind demnach unter der Voraussetzung, daß sie unabhängig von nicht feuerfesten Bauteilen und in einer den Verhältnissen des einzelnen Falls angepaßten Stärke ausgeführt werden, namentlich:
a) Brandmauern im Sinne der §§ 57 bis 64 und andere aus den gleichen Baustoffen hergestellte Mauern, sowie Wände aus Beton mit oder ohne Eiseneinlagen, Eisenfachwerkswände und Wände aus gebrannten Steinen mit Eiseneinlagen, wenn die Eisenteile glutsicher umhüllt sind; Monierwände, Streckwände und ohne Eiseneinlagen hergestellte fugenlose Wände aus brennbaren Baustoffen;
b) Gewölbe aus Backsteinen, Kalksandsteinen, Zementsteinen oder Beton, Steindecken ohne Eiseneinlagen und Decken, die aus unbrennbaren Baustoffen in Verbindung mit glutsicher umhüllten eisernen Trägern oder Eiseneinlagen hergestellt sind;
c) Stützen und Pfeiler aus Backsteinen, Kalksandsteinen, Zementsteinen, Eisenbeton, Beton oder glutsicher umhülltem Eisen;
d) Treppen aus Beton mit oder ohne Eiseneinlagen und aus Kunststeinen mit Eiseneinlagen, wenn sie weder freitragend noch auf ungeschützten eisernen Trägern angeordnet sind, und Treppen aus natürlichen, auf feuerfesten Gewölben verlegten Steinen.
Als feuersicher gelten solche Bauausführungen, deren Oberfläche nicht leicht entflammbar ist und die im Brandfall ihre Haltbarkeit und Form einige Zeit bewahren, also namentlich:
a) Wände aus Gips- oder Zementdielen oder aus Platten von unbrennbarem Baustoff, ausgemauerte, beiderseits verblendete Fachwerkwände, beiderseits verblendete Schwemmstein- oder Korksteinwände, Rabitzwände und Drahtziegelwände;
b) Decken aus unbrennbaren Baustoffen ohne glutsichere Umhüllung ihrer Eisenteile, Holzbalkendecken, die an ihrer Unterseite mit einer haltbaren Verblendung oder mit einer in gleiche Weise schützenden Verkleidung und zwischen den Balkenfächern mit einem wenigstens 5 cm starken Estrich oder Zwischenboden aus unbrennbaren Baustoffen versehen sind;
c) Stützen und Pfeiler aus natürlichen Steinen, aus Eisen, aus Hartholz oder aus anderem Holz, wenn letzteres haltbar verblendet oder mit unbrennbaren Baustoffen verkleidet ist;
d) Treppen aus Eisen, aus Hartholz, aus anderem Holz, wenn die Unterseiten haltbar verblendet oder mit unbrennbaren Baustoffen verkleidet sind, sowie Treppen aus natürlichen Steinen, wenn diese so unterstützt oder an ihrer Unterseite geschützt sind, daß sie den Einwirkungen eines Brandes längere Zeit standhalten.
Wo für Öffnungen in Wänden und Decken rauch- und feuersichere Abschlüsse geboten sind, müssen diese entweder als bewegliche Verschlüsse so hergestellt werden, daß sie von selbst zufallen und sich in Falzen aus unbrennbaren Baustoffen anlegen, oder sie müssen als unbewegliche Abschlüsse fest mit Wänden und Decken verbunden sein. Dabei sind vorzuschreiben:
a) bei einfachen, namentlich ländlichen Verhältnissen:
eiserne, durch kräftige Rahmen sicher versteifte oder mindestens 2,5 cm starke hölzerne, beiderseits und an den Kanten mit Eisenblech beschlagene Türen und Läden, oder gut eingemauerte hohle Glasbausteine oder mit Drahtglas, Elektro- oder Galvanoglas oder in ähnlicher Weise hergestellte feste Verschlüsse in unbrennbaren Rahmen;
b) in größeren gewerblichen Anlagen in feuergefährlichen Räumen und in Gebäuden, in denen eine größere Zahl von Menschen zu verkehren pflegt:
Türen oder Läden aus doppelten, mindestens 1 mm starken versteiften Eisenblechplatten mit mindestens doppelten Holzzwischenlagen oder einer Zwischenlage aus Asbest, Kieselguhr oder einem in gleicher Weise feuerfesten und haltbaren Baustoff oder gut eingemauerte wenigstens 12 cm starke gut eingemauerte volle Glasbausteine oder mit Drahteinlage versehene hohle Glasbausteine oder mindestens 6 mm starkes Drahtglas in unbrennbarem Rahmen;
c) die besonderen Verschlüsse, die jeweils durch Bekanntmachung des Ministeriums des Inneren im Amtsblatt als rauch- und feuersicher zugelassen werden.
Nach meiner Auffassung lässt sich mit diesen Begriffen heute nichts mehr anfangen. Sie dienen auch schlecht zur Bewertung von Bestandbauwerken.
Freundliche Grüße, Holger Nolte