Erweiterung eines Einfamilienhauses

Benutzer_2278

Ich bitte um eine kurze Stellungnahme zu folgendem Sachverhalt:

Ein großzügiges Einfamilienhaus einer Familie mit 6 Personen aus dem Baujahr 2002 (freistehend, ca. 380 m2 Brutto-Grundfläche, max. Fußbodenhöhe unter 7 m) soll um ca. 90 m2 Brutto-Grundfläche erweitert werden.

Durch diese Erweiterung würde das Gebäude von ursprünglich Gebäudeklasse 1 durch die Überschreitung der Grundfläche von 400 m2 zur Gebäudeklasse 3. Dieser Wechsel der Gebäudeklasse bringt massiv erhöhte Anforderungen an den Brandschutz (notw. Flur, notw. Treppenraum, etc) mit sich.

Aus meiner Sicht ist durch die alleinige Erweiterung der Grundfläche keine Erhöhung eines Risikos im Brandfall gegeben. Die Personenzahl bleibt gleich bzw. kann eigentlich nicht signifikant erhöht werden, da das Gebäude immer noch als eine Nutzungseinheit konzipiert ist.

Ich möchte deshalb mit Hinweis auf die unveränderte Nutzung nach der Erweiterung für den Großteil der Anforderungen aus der Gebäudeklasse 3, welche über die Anforderungen der Gebäudeklasse 1 hinausgehen, eine Abweichung ohne Kompensation beantragen.

Können auch die Forumsmitglieder dieser Argumentation folgen oder haben sie aus ihrer Erfahrung heraus Bedenken?

Mit freundlichen Grüßen aus Bayern

Benutzer_822

eine "Grundeinheit Feuerwehr" (Gruppe mit LF 8, in kleinen Gemeinden zulässig Staffel im KLF) kann ein kleines Haus alleine löschen. Das ist mit 400 m? angesetzt worden und nicht aus der Luft gegriffen. Deshalb darf man GK 1 und 2 mit vielen Erleichterungen bauen. Eine großflächigere Einheit ist schwieriger zu beherrschen, auch schwieriger zu räumen, deshalb gibt es weitergehende Forderungen, z.B. nach einem eigenständig stehen bleibenden, rauchabgeschlossenen Treppenraum als sicherem Fluchtweg (Selbstrettung), Angriffs- und Rückzugsweg für die Feuerwehr in Keller und OG / DG.

Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, pauschal über solche Grenzen hinweg zu gehen, ohne Kompensationen anzusetzen.

Ist das Gebäude durchgehend F 30 ? Was spricht bei einem Anbau gegen einen Treppenraum ? Wer will denn nachträglich begrenbzen, wie viele Leute dort wohnen ? Es gibt für Wohnungen keine Obergrenze, wenn der Mindestflächen-bedarf pro Person eingehalten ist.

Man kann sich viele vernünftige, einfache Kompensationen ausdenken, die das Risiko für Nutzer und die feuerwehr auf ein vergleichbares Niveau bringen aber "nix" ist sehr wenig ! mfg Schächer

Benutzer_2278

Hallo Herr Schächer

Vielen Dank für die rasche Stellungnahme.

Ihre Argumente sind nicht von der Hand zu weisen und bestätigen mein Unbehagen bei dieser Sache, weshalb ich auch dieses Thema hier angeschnitten habe.

Aber die von ihnen angedeuteten vielen, vernünftigen Kompensationen sehe ich in diesem Fall noch nicht.

Das Gebäude ist 2-geschossig mit Unterkellerung (Massivbau mit Stahlbetondecken) und soll an einer Seite zweigeschossig erweitert werden. Die Erschließung der neuen Räume (je 1 Raum pro Geschoss) sollte über die bestehende offene Treppe des Bestandsgebäudes erfolgen.

Einen eigenen Treppenraum und notwendige Flure im Bestand nachträglich zu schaffen, würde einen unverhältnismäßig hohen Aufwand bedingen.

Auch auch die Lösung mit einer abgeschlossenen Treppe im Erweiterungsbau wäre aus meiner Sicht nur eine Teillösung, da ja das ganze Gebäude in Klasse 3 eingestuft ist. Wie könnte denn hier dann die notwendige (nicht-bauliche?) Kompensation für den Bestand aussehen?

Benutzer_822

Hallo Herr Blindmann,

ein Treppenraum besteht aus Wänden und Türen. Wände sind da, sie müssen geprüft werden, ob sie ausreichend gegen Brand sind (F 30 einschließlich Raumabschluß), die Türen kann man in vollwandige und dichtschließende tauschen, dabei die Zargen erhalten, wenn sie ordentlich eingebaut und eingeputzt sind, man kann sie durch Freilaufschließer bei Rauch und Brand sichern, dass sie d a n n zuschlagen, sonst sich aber wie gewöhnliche Türen verhalten. Man kann alle Räume mit Rauchmeldern versehen, wenn man sie nicht durchgehend hören kann mit vernetzten, die dann alle schreien. Den Fluchtweg aus Wohnung und Treppenraum kann man sichern durch innenseitige Knaufe, daß man die Türen jederzeit entriegeln kann. Das ist zur Kompensation eine ganze Menge, weil man so einen Treppenraum herstellen kann ... hat der Bereich je Etag ein Fenster zum öffnen (Rauchableitung, evtl. Luft holen) ? Sonst auf jeden Fall eine Rauchabzugsöffnung an oberster Stelle - ist als grundsätz liche Maßnahme sehr gut, im Sommer auch zum Nachtlüften. mfg Schächer

WernerMueller

Hallo Blindmann,

den Vorschlag von Herrn Schächer, eine Treppenraum "zu bauen" ist zwar vielleicht aus brandschutztechnischer Sicht nachzuvollziehen, jedoch in einem Einfamilienhaus wohl nicht wirklich durchzusetzen.

Ich würde den folgenden Argumentationsweg gehen:

1) In der "alten" BayBO gab es die 400 qm-Grenze nicht; hiernach wäre die Erweiterung ohne Abweichungen möglich gewesen (Art. 36 BayBO alt galt nicht für Wohngebäude mit bis zu zwei Wohnungen).

2) Die 400-qm-Grenze gilt für jegliche Nutzung; eine Privilegierung der WOHNgebäude gibt es nun (fast) nicht mehr. Dies ist der "Klarheit" der Gebäudeklassen geschuldet, führt aber in Sonderfällen wie hier das Ganze ad absurdum.

3) Man kann zudem konstatieren, dass die Grenze von 400 qm eher willkürlich gezogen wurde und nicht empirisch belegt ist. Insofern ist es eigentlich müßig, bei einer Überschreitung von 70 qm (brutto) aus Risiko-Gesichtspunkten zu argumentieren.

4) Man beachte bitte zudem, dass sich die 400 qm auf die Bruttogrundfläche beziehen. Was bleibt denn hier netto übrig? Risikoerhöhung durch zwei Kinderzimmer? Albern.

5) Insofern würde ich jegliche Abweichung einzeln (nicht pauschal) aufführen und bewerten aber nicht kompensieren. Falls die Behörde sich hier nicht in der Lage fühlt, diesen Abweichungen zuzustimmen, würde ich hier eine Prüfung und Bescheinigung durch einen (privaten) SVBau-Sachverständigen herbeiführen.

6) Sehr wohl empfiehlt sich -wie immer- die Installation von Rauchwarnmeldern.

Gruß

Werner Müller

der nicht verstehen kann, wieso man auf Teufel komm raus jegliche Abweichung immer kompensieren muss.

Benutzer_822

Lieber Herr Müller, wenn die "abgewichene Lösung" genauso sicher ist wie die vorgegebene Lösung, braucht man nicht kompensieren, da stimme ich Ihnen völlig zu. 470 m? sind aber nicht 400 m? und so ganz willkürlich ist die Grenze nicht sondern an den Möglichkeiten einer "Grundeinheit" orientiert. W e n n Sie das Glück haben, im Bereich einer viel leistungsstärkeren Feuerwehr zu sein, ist auch diese Stärke eine Kompensationsmöglichkeit (BF mit 2 Zügen ... ).

Ein mehrgeschossiges Haus, das n i c h t F 30 erreicht (GK 1 F Null zulässig) und 470 m? groß ist, ist ein erhöhtes Risiko gegenüber dem Regelansatz und der ist Maßgabe.

Warum soll man das Risiko steigern, wenn es auch in den Grenzen der Bauordnung geht ? Vollwandige Türen mit Freilaufschließer sind ein Invest, bieten aber ein hohes Maß zusätzlicher Sicherheit für die Rettungswege der Familie und Angriff und Rückzug für die Feuerwehr und sind nicht so wild, wie es sich anhört. Haben wir schon öfters bei großflächigen oder höheren Einfamilienwohnhäusern gemacht und findet Akzeptanz. mfg Schächer

Benutzer_594

Wenn das ganze Haus massiv gebaut ist und auch die Details (Rohrdurchbrüche usw.) entsprechend ausgeführt wurden, haben wir ja vermutlich schon einen Teil der Kompenstation.

Tragende und raumabschließende Bauteile F 90.

Da es sich ja bei der Gebäudegröße nicht um eine Sozialwohnung handeln dürfte, sind die Zimmertüren ja hoffentlich auch nicht "Limba einfach"

Wenn dann auch noch alle Wohn- / Schlafräume mit der Steckleiter anleiterbar sind (z. B. weil freistehend) sind wir mit einzelnen weiteren Maßnahmen (vgl. Vorschläge von Herr Schächer) von einer sicheren Gesamtlösung gar nicht mehr so weit weg...

Benutzer_1470

Hallo Blindmann

Flure sind innerhalb von Wohnungen grundsätzlich nicht erforderlich (also keine Abweichung).

Sie haben nur eine Wohnung (statt der zwei möglichen zur Einstufung in GK 1 oder 2).

Ihr Gebäude hat nur 2 Obergeschosse (statt der drei möglichen).

Alle Aufenthaltsräume sind anleiterbar (nicht nur ein AR je Geschoss).

Ggf-. haben sie im OG noch einen Balkon (man kann länger auf die Feuerwehr warten, da der Hintern nicht so schnell heiß wird und der Rauch abzieht).

Die Anleiterhöhe ist sehr gering (Zeitersparnis, keinem wird schwindlich).

Die tragenden Bauteile einschließlich Decken sind bestimmt feuerbeständig und nichtbrennbar (statt feuerhemmend).

Um Ihre Treppe sind Wände als Abtrennung zu den Räumen vorhanden. Dazu gehören auch Türen (nur nicht selbstschließend und vollwandig, in anderen Bundesländern keine vollwandigkeit erforderlich).

Es ist nachträglich nicht möglich einen ordnungsgemäßen Treppenraum zu schaffen oder nur mit sehr hohem Aufwand (unbillige Härte, ggf. Teilbestandsschutz).

Ihre geringe Nutzung im Treppenraum kann Ihnen in einer Wohnung keiner auf Dauer verbieten (Deutschland ist ein freies Land in dem sich auch jeder gefährden kann, solange die Nachbarn nicht gefährdet werden, es handelt sich doch um ein Einfamilienhaus).

Heimrauchmelder sollten (vor allem) in mehrgeschossigen Wohnungen schon wegen dem Eigenschutz vorgesehen werden (in anderen Bundesländern Pflicht).

Meine Kollegen haben weitere Kompensationenaufgezeigt.

Gruß Norbert Bärschmann

Benutzer_2278

Vielen Dank für die zahlreichen und kompetenten Antworten.

Die Möglichkeit, Kompensation durch bereits bestehende Bauteile oder bauliche Voraussetzungen zu betreiben, ist mir als Lösungsansatz noch garnicht in den Sinn gekommen, aber natürlich vollkommen logisch.

@Herr Schächer

Der nachträgliche Einbau von Freilauftürschließern ist durch die Verkabelung schon sehr aufwändig herzustellen und dadurch sehr kostenintensiv. Da hier auch Türen mit Glasausschnitten eingebaut sind, wäre die Nachrüstung wohl auch nur sinnvoll, wenn zusätzlich die Gläser gegen Brandschutzglas oder vollwandige Füllungen ausgetauscht würden.

@Herr Bärschmann

Wo steht, dass Wohnungen generell keinen notwendigen Flur benötigen?

WernerMueller

Hallo Blindman,

Art. 34 (1) S.2 Nr 3 BayBO:

"Notwendige Flure sind nicht erforderlich [...] innerhalb von Wohnungen [...]"

Gruß

Werner Müller