Zweiter RW (Feuerwehr) über gemeinsamen notw. Flur, Kompensation ?

Benutzer_1935

Werte Teilnehmer ,

Sachverhalt zum besseren Verständnis:

-Gebäudeklasse 3

-KG, EG, OG01, DG (im KG und DG kein Aufenthalt)

-Kasernenbau (altes Unterkunftsgeb.) aus dem Jahre 1938

-Bauform rechteckig: Abmessung 16 m x 47 m, langer typ. Kasernenflur mit abgehenden Räumen

-1 RW über notw. Flur zum notw. TR

-2 RW über Rettungsgeräte der Feuerwehr

Geplante Nutzung

-mehrere NE (z.T. eine NE ein Raum) im EG und OG

Problem:

Fenster der NE sind als Kippfenster ausgebildet, d.h. die Fenster entsprechen nicht den Anforderungen an einen Fluchtweg, sollten jedoch möglichst nicht getauscht werden.

Das Gebäude wurde bis ca. zum Jahr 2000 genutzt und hatte eine gültige Baugen. (diese liegt mir vor). Die Nutzung entsprach der nun Geplanten. Ab 2000 bis zum heutigen Tage war das Gebäude jedoch "stillgelegt".

Der notw. Flur verfügt an den Giebelseiten über komplett öffenbare Fenster, die als Fluchtweg nutzbar sind.

Nun ist die Nutzung des gemeinsamen notw. Flurs ja nur für 2 baulich vorh. RW nach LBO zulässig.

Frage 1: Liege ich richtig, dass aufgrund der 10jährigen Stillegung des Gebäudes der Bestandsschutz erlischt und hier eine neue Baugenehmigung erforderlich ist ?

Frage 2: Kennt jemand einen Fall (Abweichung) wo der 2.RW über Rettungsger. der Feuerwehr über einen gemeinsamem notw. Flur von der Genehmigungsbeh. zugelassen wurde oder

Frage 2: Kann man solche Abweichungen vom Baurecht kompensieren (eine Außentreppe an den Giebelfenstern sollte vermieden werden).

Ich danke euch bereits jetzt und verbleibe

mit bestem Gruss

S. Liebke

Mattes

Hallo S. Liebke,

zu Frage 1: Richtig, Bestandsschutz erloschen, Neuantrag erforderlich

zu Frage 2: Wurde früher in unserer Behörde ab und zu zugelassen, heute nicht mehr. Der Rettungsweg ist aus der NE sicherzustellen, nicht über den baulichen Rettungsweg.

Wenn der Flur verraucht, kann ich ggf. in der NE auf Hilfe warten, im notwendigen Flur nicht.

zu Frage 3: Wie immer Einzelfallentscheidung

z.B.automatische BMA, mehrfache Flurunterteilung mit Rauchschutztüren, sodass man aus der NE in 2 verschiedene Rauchabschnitte gelangen kann.

Gruß

Matthias Bußmann

Benutzer_1935

Hallo Herr Bußmann,

erstmal vielen Dank für Ihre Antworten.

Denken Sie, dass eine Notleiter mit Rückenschutz hier als zweiter "baulicher" Rettungsweg von Erfolg gekrönt sein könnte.

Somit könnte der notw. Flur konform mit der LBO für beide baulichen RW genutzt werden.

Gruss

Sven Liebke

Mattes

Hallo Herr Liebke,

zumindest in NRW sind Notleitern als 2. Rettungsweg nicht mehr ohne weiteres zulässig, außer, wenn sie bereits im Bestand genehmigt wurden oder keine andere Lösung gefunden werden kann.

Für einen Neuantrag (also auch bei Ihrer 10-jährigen Stilllegung), aus dem klar hervorgeht, dass der Bau einer Treppe ohne erheblichen Aufwand möglich ist, hat die Notleiter keine Chance.

Obwohl- es gibt wohl noch Bauaufsichten und Feuerwehren, die sie zulassen. Bei uns hat sie aber nur eine Chance als letztes Mittel z.B. in Hinterhöfen, wo der Bau von Treppen nicht möglich ist.

Gruß

Matthias Bußmann

Benutzer_822

bei der Größe des Gebäudes kommt eine Außentreppe als gute und vielleicht preiswertere Lösung als Fensterum,bau infrage, auch denkbar: ein kleiner "Rettungsraum" am Flurende (beidseitig !) mit T 30 RS und anleiterbaren Fenstern. mfg Schächer

Benutzer_203

Ich habe einen vergleichbaren Fall bearbeitet. Auch dort sollte an der Giebelwand keine Außentreppe entstehen. Es standen am Ende zwei Lösungen bereit, die von der zust. Bauaufsicht akzeptiert worden wären.

Lösung 1.

Aufgabe eines Zimmers auf der Gebäuderückseite und dort Herstellung eines 2. baulichen Rettungsweges mittels Stahlaußentreppe.

Somit ergaben sich für den notwendigen Flur 2 bauliche Rettungswege was nach NRW Recht zulässig ist. (Beide baulichen Rettungswege über einen gemeinsamen Flur).

Es wurde noch darauf geachtet, dass die Entfernung von den zimmern die jetzt an einem teil des Flures wie an einem Stichflur lagen nicht weiter als 10 m bis zum einen Rettungsweg entfernt lagen.

Lösung 2.

Diskutiert wurde auch über eine Rettungswegverlängerung, um einen ehemaligen Lagerraum mehr in der Mitte des Flures nutzen zu können. Hier wäre einer Rettungswegverlängerung zugestimmt worden wenn eine interne Brandmeldeüberwachung mit akustischer Alarmierung hergestellt worden wäre.

Ergebnis:

Lösung 1 wurde gebaut und der Bauherr hatte am Ende der Maßnahme selbst noch den Wunsch die Sicherheit zu erhöhen (nunmehr geplante Unterbringung von Kindern in Ferienfreizeiten) und hat die interne BMA zusätzlich installiert.

Ansonsten zu den Fragen konkret:

zu 1: Aus meiner Sicht korrekt - Neuantrag erforderlich - kein Bestandschutz (wenn ich das von unseren NRW Oberverwaltungsrichter am Dienstag bei der tagung richtig verstanden habe gibt es so etwas wie eine intern verwendete 2-3 Jahresfrist bei dieser Beurteilung.

zu 2:

Sehe ich exakt genauso wie Herr Bußmann.

zu 3.

Halte ich für nicht möglich, da sie auf den 2 Rettungsweg ja gänzlich verzichten wollen und auch keinen sicheren ersten anbieten können.

Dazu kommt die erhebliche Flurlänge.

Selbst wenn man jetzt von "flächendeckender" BMA spricht und dann auch noch selbstschließende Türen (ggf. RS) zusätzlich anbietet (nötig damit im Entstehungsraum auch beim Verlassen sofort die Türe wieder zugeht und somit in der Anfangsphase auch kein Rauch auf den Flur dringt) hätte ich noch ein wenig Bauchschmerzen.

Wie gesagt. Es geht um den zweiten Rettungsweg. Da sollte man sich Grenzen setzen.

Wolfgang Cordier

firefly

Noch eine Frage zu: -Ab 2000 bis zum heutigen Tage war das Gebäude jedoch "stillgelegt"-

--> Was bedeutet hier denn "stillgelegt"?

Wir sprechen aber immer noch von einem Gebäude - oder?

Werden Gebäude nun inzwischen wie Kraftfahrzeuge "stillgelegt" und später wieder in Betrieb genommen?

(Über schriftliche Anzeige bei der Behörde - oder was?)

Und wenn eine bestimmte Frist (intern verwendete 2-3 Jahresfrist) überschritten ist, benötigt das Gebäude eine erneute Zulassung?

Mattes

Hallo firefly,

richtig: wenn 2-3Jahre keine Nutzung im Gebäude stattfindet, besteht kein Anspruch auf die Wiederaufnahme der Nutzung. Daher folgt eine Neubetrachtung, sprich neue Genehmigung.

Gruß

Matthias Bußmann

vonhof

Hallo Herr Bußmann,

das stimmt so generell nicht, was Sie schreiben. Zwar erwartet man im Allgemeinen nach zwei Jahren ohne Nutzung keine erneute Nutzungsaufnahme mehr, diese Vermutung (!) ist aber widerlegbar. Es gibt es auch keine gesicherte Rechtssprechung zu der Zwei-Jahres-Frist. Es kann also nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass die Baugenehmigung in Form einer "Betriebserlaubnis" für ein Gebäude nach zwei Jahren automatisch erloschen ist, wenn dieses nicht im Einzelfall begründet werden kann.

Schöne Grüße

Alexander Vonhof

firefly

Um bei meinem Bild zu bleiben: Wenn ich mein Auto z.B. in Garmisch ab dem ersten Schnee im November am Straßenrand stehen lasse und es erst wieder ab dem Frühling, sage wir Anfang April, benutze, ist es ja auch nicht stillgelegt worden - weder von mir, noch von der Behörde (und das, obwohl es auf öffentlichem Grund und Boden stand! :-)

Will sagen: Wenn ich niemandem sage, dass mein Gebäude nicht genutzt wurde - und es auch niemand so richtig bemerkt hat, dass es ohne Nutzung war, kräht doch kein Hahn danach - oder?

Mattes

Hallo Herr Vonhof,

Das Bundesverwaltungsgericht hat ein Zeitmodell entwickelt, dass den Begriff "alsbaldige Neuerrichtung" eines durch ein außergewöhnliches Ereignis zerstörten und zulässigerweise errichteten Gebäudes konkretisiert.

Dieses Modell wird i.d.R. auch auf die Frage des Bestandsschutzverlustes nach Nutzungsunterbrechung angewendet.

Es ist richtig, dass diese Rechtsprechung kritisiert wurde und einzelne Gerichte entgegen der Sichtweise des BVerwGer entscheiden.

Meine Aussagen sind also dahingehend zu verstehen, womit in einem Rechtsstreit zu rechnen ist.

Eine Wertung meinerseits möchte ich zu dieser Praxis nicht vornehmen.

gruß

Matthias Bußmann