Hallo Teilnehmer
Nachfolgend nochmal eine Kopie aus Praxishandbuch Brandschutz vom Deutschen Wirtschaftsdienst (Verfasser bin ich selbst) um die Begriffe zu erläutern.
Wohnungen
Innerhalb von Wohnungen sind die Rettungswege nicht geregelt. Das bedeutet es gibt keine festgeschriebenen Anforderungen an Flure oder freizuhaltende Gänge. Allerdings müssen die beiden Rettungswege erreicht werden können und dürfen nicht über andere Nutzungseinheiten führen (Zugang zum Treppenraum oder Ausgang, Zugang zum anleiterbaren Fenster der Wohnung).
Geregelte Sonderbauten
In Nutzungen mit einer größeren Grundfläche, Versammlungsstätten, Verkaufsstätten, besonderen Industrieanlagen können sich Anforderungen an die Wege (Anzahl, Führung, Beschilderung und Länge) innerhalb der Aufenthaltsräume und an die Türen und die Aufschlagrichtung ergeben (Anforderungen siehe entsprechende Sonderbauverordnungen, Richtlinien, Technische Regeln oder Festlegungen im Einzelfall einschließlich arbeitsschutzrechtliche Anforderungen).
Flure sind innerhalb bestimmter Räume vorgenannter Sondernutzungen oder Industriehallen nicht gewollt und unabhängig von der Fläche nur vorzusehen, wenn Aufenthaltsräume abgetrennt sind. In den Sonderbauverordnungen oder Richtlinien sind Anforderungen an die Freihaltung die Erreichbarkeit, Lage und Breite der ?Hauptgänge? als Alternative geregelt.
Werkstätten, nicht geregelte Sonderbauten oder andere Räume
Innerhalb von Werkstätten oder ähnlichen Räumen, welche nicht unter den Geltungsbereich der Industriebaurichtlinie oder anderer Sonderbauverordnungen fallen, gibt es keine baurechtlichen Festlegungen zu den Rettungswegen bis auf die Längenbegrenzung, soweit keine Aufenthaltsräume abgetrennt sind (übersichtliche Bereiche). Ab einer gewissen Größe sind zwei Rettungswege aus diesen Räumen vorzusehen (in Anlehnung an die IndBauRL ab 200 m?). Diese Forderung ergibt sich bei einer gewissen Werkstatt- oder Raumgröße schon um die Rettungsweglänge von max. 35 m einzuhalten.
Auch die Nutzung von Werkstätten bzw. der Umgang mit Gefahrstoffen erfordert nach Arbeitsschutzrecht zwei entgegengesetzt liegende Ausgänge (Abhängig von der Gefährdungsbeurteilung). Das trifft auch für Labore oder naturwissenschaftliche Unterrichtsräume in Schulen oder entsprechenden Einrichtungen zu.
Werkstätten bzw. solche Nutzungseinheiten ohne Berücksichtigung besonderer Gefahren bis zu einer Fläche von 200 m? können sogar abgetrennte Aufenthaltsräume haben, ohne dass Flure nach baurechtlichen Vorschriften vorgesehen werden müssen.
Auch wenn es keine baurechtlichen Vorschriften für die Rettungswege innerhalb vorgenannter Nutzungen gibt, ist im Zuge der obligatorischen Gefährdungsbeurteilung die Rettungswegsicherung auch innerhalb der Räume oder Nutzungseinheiten zu prüfen. Das trifft insbesondere zu wenn Gefahrstoffe im Spiel sind bzw. es sich um EX- gefährdete Betriebsstätten handelt. Dabei können die zutreffenden Technischen Regeln als Grundlage dienen (Fluchtweglänge nach ASR 2.3 zwischen 10 und 50 m).
Bürogebäude
In Bürogebäuden gibt es immer wieder Unsicherheiten in Bezug auf die Erforderlichkeit von ?notwendigen Fluren?.
Nachfolgend werden die unterschiedlichen Arten der Büroaufteilungen erläutert.
Zellenbüro:
In der Zellenbauweise ist der Grundriss der Geschossflächen in Einzelbüroräume gegliedert, die gegenüber angrenzenden Büroräumen sowie der Flurzone abgetrennt sind. Die Flurtrennwände müssen in Abhängigkeit von der Gebäudehöhe durch feuerhemmende in Hochhäusern durch feuerbeständige Wände geschützt sein (nach HHRL 2008 unter bestimmten Bedingungen nur F 30 A). An die Trennwände zwischen den Büros bestehen keine Anforderungen bis auf die nach 40 m erforderlichen inneren Brandwände.
Der Flur ist brandlastfrei und wird im Art. 34 BayBO als ?notwendiger Flur? bezeichnet. Der erste Rettungsweg führt über den Flur zum Ausgang oder zum Treppenraum. Der zweite Rettungsweg kann der Zugang vom Flur zu einem zweiten Treppenraum, zu einem Sicherheitstreppenraum oder ein anleiterbares Fenster der Büros sein. Es wird darauf hingewiesen, dass entweder alle Büros anleiterbar sein müssen (Ausnahme zusammenhängende Büros ein Fenster). Ggf. kann ein Gemeinschaftsraum der Nutzungseinheit als anleiterbarer Raum für alle Büros dienen, wenn dieser Raum von allen und immer zugänglich ist.
In Bürogebäuden ist bzw. war, bis zur Einführung der ?400 m? Regel?, die Zellenbauweise die Regel.
Büronutzungen bis 400 m? oder vergleichbare Nutzungen:
Für Wohnnutzungen unabhängig von der Größe bzw. andere Nutzungen bis zu 200 m? oder Büronutzungen bis zu einer Fläche der Nutzungseinheiten von maximal 400 m?, sind innerhalb dieser Nutzungseinheiten keine baurechtlichen Anforderungen an die Sicherung der Flucht- und Rettungswege zu erfüllen (die Betonung liegt bei maximal). Die Nutzung selbst bzw. die Tür ist über einen notwendigen Flur, direkt mit einem Treppenraum oder einen Ausgang ins Freie zu verbinden.
Aus diesen Nutzungseinheiten ist nur ein zweiter Rettungsweg erforderlich. Das kann ein anleiterbares Fenster, ein Zugang zu einem zweiten baulichen Rettungsweg oder zu einem Sicherheitstreppenraum sein, wenn dieser Zugang keine anderen Nutzungseinheiten kreuzt (über einen notwendigen Flur). In der BayBO oder in den anderen Landesbauordnungen ist der Zugang zum ersten oder zu einem zweiten Rettungsweg über eine andere Nutzungseinheit ausgeschlossen. Das trifft auch zu, wenn diese andere Nutzungseinheit vom selben Nutzer belegt ist.
Großraumbüros:
Der Grundtyp Großraumbüro besitzt keine baulichen Trennwände auf einer ausgedehnten Raumgrundfläche. Durch Möblierungen oder durch Markierungen werden die einzelnen Arbeitsplätze und die Rettungswege gegeneinander abgetrennt.
Damit bei der Errichtung oder der Nutzung von Großraumbüros keine Abweichungen vom Baurecht auftreten, ist die Sicherung der Flucht und Rettungswege aus diesen Nutzungseinheiten nachzuweisen (Aufenthaltsräume müssen nach Art. 34 BayBO über einen Ausgang, einen Treppenraum oder notwendigen Flur erschlossen werden).
Sicherung der Rettungswege in Großraumbüros (größer 400 m?):
Beispielweise ist dieses Schutzziel durch folgende Maßnahmen umzusetzen:
Raumteiler in Büros dürfen nur so hoch sein, dass eine Früherkennung von Bränden möglich ist.
Von jedem Arbeitsplatz aus muss deshalb im Sitzen ein Großteil der Raumdecke und im Stehen mindestens eine Ausgangstür (Fluchtweg) selbst oder der darüber angebrachte Hinweis zu sehen sein.
Daraus ergibt sich eine Höhenbeschränkung für Raumtrennelemente oder andere Einbauten, die in Abhängigkeit zur Entfernung des Ausgangs und zur lichten Höhe des Raumes steht. Die maximale Höhe der Einbauten von 1,65 m darf dabei nicht überschritten werden.
Die Rettungsweglänge von 35 m, in Lauflänge gemessen, ist in jedem Fall einzuhalten.
Ggf. ist ein zweiter baulicher Rettungsweg z. B. wenn die Rettungsweglänge überschritten wird oder wenn die Anzahl der Nutzer nicht mehr in einer vertretbaren Zeit über Leitern der Feuerwehr gerettet werden können.
Es wird noch mal festgehalten, dass die Überschreitung von 400 m? bei Büronutzungseinheiten oder 200 m? bei anderen Nutzungseinheiten nicht automatisch einen Flur erforderlich macht. Notwendige Flure sind Bindeglieder zwischen abgetrennten Aufenthaltsräumen zu den gesicherten Rettungswegen oder Ausgängen ins Freie. Wenn keine Aufenthaltsräume abgetrennt sind und vorgenannte Maßnahmen berücksichtigt werden, handelt es sich um einen Aufenthaltsraum der direkt an einem oder in der Regel direkt an zwei Treppenräumen liegt (auf Grund der Rettungsweglänge oder erhöhte Anzahl der Nutzer, deshalb keine Leiterrettung).
Kombibüros:
Das Kombibüro ist sozusagen ein Großraumbüro (größer als 400 m?) mit abgetrennten Einzelbüros und einer großflächig möblierten Gemeinschaftszone. Die Gemeinschaftszone wird genutzt. In ihr befinden sich Kopierer, Sitzgruppen oder andere Brandlasten. Da abgetrennte Aufenthaltsräume ohne Anbindung an einen Treppenraum oder Ausgang ins Freie vorhanden sind, liegt eine Abweichung vom Baurecht vor. Diese Abweichungen müssen kompensiert und genehmigt werden.
Sicherung der Rettungswege in Kombibüros (Großraumbüros mit abgetrennten Aufenthaltsräumen):
Sicherung der Sichtverbindung von den Aufenthaltsräumen zur Gemeinschaftszone durch Verglasung der Wand.
Die Gemeinschaftszone sollte ca. 2/3 der Gesamtfläche betragen.
Raumteiler in Büros dürfen nur so hoch sein, dass eine Früherkennung von Bränden möglich ist (ca. 1,65m).
Der Zugang zu möglichst zwei entgegengesetzt liegenden baulichen Rettungswegen ist sicherzustellen.
Rettungsweglänge max. 35 m
Frei halten eines min. 1,1 m breiten Ganges zwischen den beiden Ausgängen.
Vorsehen einer über eine Brandmeldeanlage auslösende Internalarmierung (Signal nach DIN 33404)
Bei Überschreitung der Brandabschnittslänge von 40 m sind ggf. weitere Kompensationsmaßnahmen vorzusehen (z.B. Sprinklerung).
Alternativ kann die Sicherung der Rettungswege aus Kombibüros durch andere Maßnahmen erfolgen.
Z.B. ist für jedes Einzelbüro ohne Anbindung an einen Flur ein eigener zweiter Rettungsweg, welcher ohne Hilfe von Einsatzkräften genutzt werden kann, vorzuhalten. Dieser zweite Rettungsweg kann eine direkte Tür nach Außen, ein Fenster mit Brüstungshöhe von max.
1,2 m (innen und außen) oder ein Fluchtbalkon mit einer Fluchttreppe, sein.
Wenn jeder abgetrennte Aufenthaltsraum einen direkten Ausgang ins Freie hat, liegt keine Abweichung vor und es sind vorgenannte zusätzliche Maßnahmen entbehrlich.
Je nach Nutzung sind ggf. auch andere oder bei Sondernutzungen zusätzliche Maßnahmen zu berücksichtigen um das Schutzziel zu erreichen. Die Rettungswegsituation ist in jedem Einzelfall zu betrachten. Auch die Einhaltung von zutreffenden arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen sollte geprüft und im Zuge der obligatorischen Gefährdungsbeurteilung festgelegt werden (Empfehlung Gefährdungsbeurteilung als Anlage zum BS. Nachweis).
Das Vorsehen von Büronutzungseinheiten größer 400 m? ist in Hochhäusern nach dem Konzept der Hochhausrichtlinie von 1981 nur in Ausnahmefällen und mit zusätzlichen Kompensationsmaßnahmen möglich (z.B. Sprinklerung oder redundante Ausführung der baurechtlich erforderlichen Sprinklerung). Die neue Musterhochhausrichtlinie hat andere Ansätze, so dass hier ggf. weitergehende Möglichkeiten baurechtlich gedeckt sind, soweit diese Richtlinie bauaufsichtlich eingeführt wird.
Gruß Norbert Bärschmann