Autor: Matthias Bußmann Hallo Alexander,
hallo Herr Vonhof,
die angesprochene Problematik ist in der Praxis komplexer, als es scheinen mag.
Bis vor wenigen Monaten wurden Discounter (freistehend) in unserem Kreis aufgrund der Forderung der Brandschutzdienststelle folgendermaßen ausgerüstet: Trennung zwischen Verkaufsraum und Lager F30/T30, Unterdecke Verkaufsraum/Lager F30 (wohlwissend, dass durch diese Maßnahme lediglich eine Behinderung der Brandausbreitung von unten nach oben stattfindet), automatische Entrauchung über RWA 1%, Zuluft 1%, 2 Ausgänge.
In einer Umfrage eines benachbarten Regierungsbezirkes wurde festgestellt, dass die dortigen Brandschutzdienststellen teilweise über diese Maßnahmen noch hinausgingen, teilweise deutlich geringere Anforderungen stellten: ein bunter Mix an Konzepten.
Anhand eines konkreten Falles wurde gegen die bei uns gängige Praxis der F30-Unterdecken und automatischer Entrauchung von einem großen Discounter Widerspruch eingelegt.
Der Markt sollte aus SV-Sicht mit Lüftern nach DIN 18232-5 ausgerüstet werden, die aber nur während der Betriebszeit von Hand auslösbar waren. Die Brandschutzdienststelle forderte eine automatische Auslösung auch ausserhalb des Betriebes, um der Feuerwehr verbesserte Sichtverhältnisse für den Einsatz zu verschaffen und die Durchzündung des Daches bei Öffnen von außen zu verhindern. (§17 Abs1 BauO NRW ...wirksame Löscharbeiten müssen möglich sein).
Daraufhin legte unsere Bauaufsicht den Fall beim Ministerium für Bauen zur Entscheidung vor auch zum Zwecke einer Grundsatzentscheidung für zukünftige Fälle.
Für die F30-Unterdecke gebe es lt. Ministerium keine Rechtsgrundlage, für die Entrauchung sei man aber gar nicht zuständig, sondern das Innenministerium.
Also das Ganze nochmals an IM: Für die Entrauchung reichen normalerweise zwei Türen, die Entrauchung kann über Lüfter der FW realisiert werden. Für die Unterdecke oder die Dachkonstruktion sei man aber nicht zuständig.
Eine schriftliche Aussage, wie denn künftig verfahren werden soll, war von beiden Ministerien nicht zu erhalten; es solle nach wie vor jeder Einzelfall geprüft werden.
Damit sind auch die Genehmigungsbehörden weiter allein gelassen: alles ist möglich, nichts ist unmöglich, wir sind so schlau als wie zuvor.
Die Handhabung ist aber nicht nur bei den Genehmigungsbehörden und Brandschutzdienststellen ganz unterschiedlich, sondern auch bei den Feuerwehren (AGBF-Land und Bund vertreten unterschiedliche Auffassungen)und den Sachverständigen, die teilweise die Notwendigkeit weitergehender Maßnahmen in ihr Konzept (ohne Aufforderung der Brandschutzdienststellen) aufnehmen. Der unterschiedliche Ausbildungsstand der feuerwehren wurde bereits angesprochen.
Wenn bereits im Industriebau für Räume >200m? eine Entrauchung mit 2% der Grundfläche erforderlich ist (und zwar für die Brandbekämpfung durch die Feuerwehr), ist für mich nicht nachvollziehbar, dass für Discounter mit großen Personenzahlen und einer Reihe plötzlicher Dacheinstürze diese Anforderung noch unterschritten werden darf. Logisch erscheint mir das zumindest nicht( rein wirtschaftliche Aspekte außen vor).
zu Herrn Vonhof:
zu Ihrer Aussage: Der Art. 15 BayBO bezieht sich (nur) auf die Schaffung einer Möglichkeit zur Brandbekämpfung. Auch wenn die Feuerwehren den Art. 15 ganz gerne (m. E. unzulässigerweise) zu ihren Gunsten "uminterpretieren" (=> Innenangriff muss möglich sein), ist dieses damit vom Gesetzgeber nicht gemeint.
Meiner Kenntnis nach geht die Interpretation geht doch mehr in die Richtung "Menschenrettung muss möglich sein". Dafür ist i.d.R. das Betreten des Gebäudes erforderlich. (Dass dieser Fall tatsächlich nur selten auftritt, darf m.E. bei der Betrachtung keine Rolle spielen).
Ihre Auffassung, damit sei lediglich die Bereitstellung von Löschwasser und die entsprechenden Zuwegungen gemeint, kann ich nicht folgen. Denn wenn man akzeptiert, dass ein Gebäude kontrolliert abbrennt, bräuchte man je nach Abstandsfläche zu anderen Gebäuden nichtmal mehr Löschwasser (jedenfalls nicht in der üblichen Menge) oder Zufahrten.
Auch auf andere Brandschutzeinrichtungen könnte dann gemäß dieser Logik schnell mal verzichtet werden.
Aus rein wirtschaftlicher Betrachtung haben Sie wohl recht. Aber ist es für den Brandschutz ein Argument, wenn Bauherren Brandschutztechnische maßnahmen ablehnen, nur weil sie für sie nicht wirtschaftlich erscheinen?
Und wesentliche Bereiche des Industriebaus könnten dann brandschutztechnisch ohne Anforderungen gebaut werden, das unternehmerische Risiko könnte man dann ja den Bauherren überlassen?!?
Wenn es denn irgendwann in diese Richtung gehen sollte -was ich für gar nicht so weit hergeholt halte- müssen wir uns dann darauf einstellen. Das deutsche Baurecht gibt den Einsatzkräften (z.B. im Gegensatz zu den USA) gewisse Mindestsicherheiten für einen Innenangriff.
Ansonsten müsste grundsätzlich die Einsatztaktik der Feuerwehren von Innenangriff auf Aussenangriff umgestellt werden.
Solange aber gemäß BauO oder IndBauRl " die Brandbekämpfung möglich" sein muss (warum nimmt der Gesetzgeber den Passus nicht heraus?), sollten wir uns nicht einfach mit Totalverlusten von vornherein zufrieden geben.
Die eine tolle Lösung für den Bund gibts wohl nicht, und die hessische Lösung hat auch ihre Macken- wenigstens weiß man dort aber, woran man ist.
Grüße aus NRW
Matthias