2.Fluchtweg aus Werkraum - Aufenthaltsraum?

Benutzer_1933

Sehr geehrte Kollegen,

mich würde Ihre Einschätzung zu vorliegendem Fall interessieren:

Ein Kindergarten in München hat in einem Mehrgeschossigen Wohnhaus von ca. 1900 das Erdgeschoss (Hochparterre)angemietet. Im Kellergeschoss befindet sich eine Bastel-Werkstatt, die einmal die Woche von ca. 7-10 Kindern + Betreuer genutzt wird. Von der Branddirektion wird nun für die Werkstatt ein zweiter baulicher Rettungsweg gefordert. Der erste führt momentan über den gemeinsamen Kellerflur und die Treppe ins Freie.

Fraglich ist, ob die zeitweise genutzte Werkstatt überhaupt einen Aufenthaltsraum ("...nicht nur vorübergehender Aufenthalt...") nach BayBO darstellt, oder wie sehen Sie das.

Der zweite bauliche Rettungsweg kann aus Denkmalschutzgründen nicht durch eine Abgrabung erfolgen. Denkbar wäre lediglich das Flüchten über den Kellerflur und einen daran angrenzenden Raum, der eine Kelleraussentreppe hat. Dieser wird jedoch von anderen Mietern genutzt, und muss daher abgesperrt sein. Die Behörde verweigert die Führung des Rettungsweges über Flur und Raum mit Kelleraussentreppe, auch wenn die Betreuerin einen Schlüssel zu dem abgesperrten Raum hat. Sehen Sie eine Möglichkeit mit Panikbeschlägen o. ä.?

Vielen Dank vorab!

Christian Bayer

WernerMueller

Hallo Christian,

1) Natürlich ist das kein AHR im baurechtlichen Sinne (Belichtung, Raumhöhe etc.). Aber wollen Sie sich wirklich hinter dieser formalrechtlichen Einschätzung verstecken?

Da sind Kinder drin, und zwar nicht wenig. Also zweiter Rettungsweg. Punkt.

2) Die Führung zur Kelleraußentreppe über einen anderen Raum ist vom Prinzip her durchaus denkbar. Ein Aufschließen mit mitgeführtem Schlüssel würde ich grundsätzlich nicht als zulässig erachten (finden sich bestimmt zahlreiche Regeln hierzu).

Panikschloss innen an einer Tür, die verschlossen sein soll dürfte wohl auch nicht der Bringer sein. Denkbar wäre (aber auch nur zur Gewissensberuhigung) eine Griffhaube oder ein Türwächter, ggf. mit abgesetzter Hupe. Alles andere ist Unsinn.

Gruß

Werner Müller

peters

Hallo Herr Bayer,

die Feuerwehr hat Recht.

Wenn auch der Werkraum nicht häufug genutzt wird, so ist er dennoch ein Aufenthaltsraum im Sinne der Bauordnung.

Im Rahmen eines kleinen Brandschutzkonzeptes, beschränkt auf die Frage "abweichenden" der Fluchtwegführung, halte ich den zweiten Flucht- und Rettungsweg über einen benachbarten Flur und Raum für lösbar und möglich. Vorausetzung der zeite Fluchtweg ist unabhängig vom ersten Fluchtweg.

Der Zugang kann über Panikbeschläge gewährleistet werden.

Sicherung gegen unbefugtes Betreten der Nachbarräme kann durch verschiedene Sicherungssysteme z.B. Türwächter oder etwas aufwändiger durch elektrische Verriegelungssystme, die bei Türöffnung ein Alarmsignal abgeben, gewährleistet werden.

Beispiele:

http://www.geze.de/geze/produkte/sicherheitssysteme/seculogic-rettungswegsystem/systemloesungen.html

http://www.ewald-reiter.com/tuerwaechter.pdf

Gruß,

J.Peters

Benutzer_1933

Vielen Dank für Ihre Einschätzung Herr Müller.

Es gibt einen bestehenden "Notaustieg" über ein Kellerfenster, dies ist jedoch nur ca. 0,50x0,80m groß. Die Branddirektion fordert hier jedoch ein Fenster, durch das ein Feuerwehrmann aufrecht hindurchgehen kann (also ca. 1,80m hoch) und nicht nur die üblichen 0,60x1,00m. Die Kinder klettern im Sommer auch ständig durch dieses Fenster in den Vorgarten, von daher ist m. E. ein behelfsmäßiger 2. Fluchtweg vorhanden.

Benutzer_1933

Vielen Dank für Ihre Antwort Herr Peters.

Über den Flur verläuft der erste Fluchtweg. Im Falle der Führung des 2. Fluchtweges durch Flur und den Raum mit Kelleraussentreppe wird der Flur doch dann zum notwendigen Flur, mit allen seinen Bedingungen (keine Brandlast T30RD) oder?

peters

Hallo Herr Bayer,

ja, der Flur würde dann zum notwenigen Flur, bzw. ist schon jetzt ein notwendiger Flur, da schon der erste Rettungsweg über diesen führt und der Flur wegen der unterschiedlich genutzten Räume im KG vermutlich nicht Teil einer NE bis 200 m? sein kann.

J. Peters

Mattes

Hallo Christian,

machen Sie sich nicht unglücklich mit Ihren Gedanken an den vorhandenen Notausstieg.

Die Frage, die Sie sich stellen müssen, ist nicht nach möglichst kostengünstiger Ausführung, sondern in erster Linie nach Erfüllung des Schutzzieles mit entsprechender Risikoanalyse (z.B. Verhalten von Kindern im Brandfall, Alter der Kinder usw.). Eigentlich können Sie dann fast gar nicht zu dem Ergebnis kommen, dass ein 2. baulicher Rettungsweg nicht erforderlich sei.

Ich erinnere zudem an das Positionspapier der ARGE Bau. Für alle Sonderbauten sind grunsätzlich 2 bauliche Rettungswege erforderlich, Ausnahmen mit der Behörde abzustimmen. Dazu gehören keine Rettungswege über andere Nutzungseinheiten.

Wenn der erste Rettungsweg ausfällt, muss die Feuerwehr die Chance haben, adäquate Hilfe für die Kinder zu leisten. Das ist über einen Notausstieg schlicht und einfach nicht möglich. In Bayern sind die Feuerwehrleute eh schon kleiner :-), denn die anderen Bundesländer fordern größere Maße als 0,6m * 1m).

Auch bei uns kämen Sie um die Anforderungen Ihrer Feuerwehr nicht herum...

Gruß

Matthias Bußmann