brennbare Fassadendämmung in GKL 4?

Benutzer_1882

Hallo,

ich würde gerne eine Fassade der GKL 4 mit Strohballen (B2-klassifiziert) dämmen und dann verputzen. Nach MBO § 28 als Argumentationsgrundlage müssten die "Außenwandbekleidungen einschließlich der Dämmstoffe und Unterkonstruktionen schwerentflammbar sein...".

Bedeutet dies, dass Dämmung und UK jeweils B1 sein müssen oder reicht der Nachweis, dass verputzte Ballen B1 sind?

Gibt eine Möglichkeit die Regelung zu umgehen, z.B. durch Anordnung von horizontalen Brandriegeln (als Kompensation)?

Ich einem anderen Forumsbeitrag wird von einem 7-stöckigen Gebäude berichtet, das mit Polystyrol gedämmt ist. Dies ist meines Wissens nach B1-klassifiziert, jedoch nach EuroNorm Klasse E, also normalentflammbar... Was gilt dann hier?

Vielen Dank für eure Antworten! Ich freue mich auch über Hinweise, wo ähnliche Gebäude realisiert worden sind.

Thorben

Benutzer_822

solange die deutschen Regeln bauaufsichtlich eingeführt sind, gilt "B 1" und Styropor erfüllt das - auf seltsame Weise.

Wenn man mal zugeschaut hat, wie eine Fassade durchbrennt und das Feuer dann ins Dach läuft, weil keiner unter der Putzschickt löschen kann, denkt man über "schwerentflammbar" sensibler nach: es brennt halt, wenn auch im Prüfofen nur mäßig. Ich würde versuchen, nichtbrennbare oder doch wenigstens geprüfte schwerentflammbare Stoffe zu verwenden, für solche Fehler haftet man nämlich auch, muß vielleicht garnicht sein ... mfg Franz Schächer

Benutzer_1795

Stroh ist meines Wissens kein geprüfter Baustoff. Wenn ich es zu beurteilen hätte, würde ich es sogar als leichtentflammbar (B3) einstufen. Ihre Oberfläche mit dem Putz mag dann vielleicht B1 sein, aber was ist mit dem Stroh dahinter?

Dies ist kein zugelassenes oder geprüftes Dämmsystem und daher ohnehin nicht für den Einbau zugelassen. Oder haben Sie für das System eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung?

Benutzer_1882

Danke für die Antworten.

Strohballen sind mittlerweile ein geprüfter Baustoff, allerdings muss natürlich immer die Übereinstimmung mit der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nachgewiesen werden. Sie sind B2 nach DIN 4102.

Wenn die Ballen minaralisch verputzt sind, wird die Oberfläche mit Sicherheit mindestens schwerentflammbar sein, aber gilt das so? Oder muss der Dämmstoff (also stroh) weiterhin für sich B1-klassifiziert sein?

Grüße

Thorben

Benutzer_822

wenn Stroh "normalentflammbar" ist (was ich skeptisch sehe, weil die Halme sich mit einem Streichholz zünden lassen) und Stroh + Putz schwerentflammbar sein soll, muß dieser "Baustoff Stroh + Putz" geprüft und mit Zulassung versehen sein. Ohne baurechtliche Einstufung bitte ich um Zurückhaltung, das kann schwer ins Auge gehen ! mfg Franz Schächer

Benutzer_1882

Sehr geehter Herr Schächer,

meinen Sie, dass man eine bauaufsichtliche Zulassung für Stroh inklusive Putz erhalten kann, auch wenn der Putz erst auf der Baustelle aufgebracht wird?

Kann man in dieser Kombination überhaupt von einen Baustoff Stroh+Putz sprechen oder sind es immer noch zwei?

Das soll eine eher theoretische Betrachtung der Möglichkeit sein.

Benutzer_1795

Ein Wärmedämmverbundsystem ist auch komplett geprüft. Dämmung und Oberfläche. Hier wird nicht die Oberfläche alleine geprüft. Und JA, auch bei Stroh ist eine Gesamtprüfung erforderlich.

Ich würde gerne mal die Bauteilprüfung für Stroh sehen. B2 kann ich mir nicht vorstellen. Wie will man denn Stroh als Baustoff prüfen? Ich kann mir den Ablauf der Prüfung nach DIN 4102 echt nicht vorstellen. Werden da Strohhalme in einen Schacht gehangen?

WernerMueller

Hallo MarKe,

schau doch mal das an: http://www.downloads.fasba.de/oeffentlich/pruefzeugnisse/z-23.11-1595(2009).pdf

Alles geregelt, sogar mit Ü-Zeichen sowie Eigen- und Fremdüberwachung.

Gruß

Werner Müller

Benutzer_1795

Ok, da gebe ich mich geschlagen. Geprüfte Strohballen sind wohl tatsächlich B2. Was es nicht alles gibt.:) Ob da dann nur ein bestimmter Anteil an Gänseblümchen drin sein darf? Aber Spass beiseite:

Nur durch ein Aufbringen eines äusseren Putzes werden die Strohballen nicht B1. Wenn für eine Außenwand und die Dämmung B1 erforderlich ist, muss entweder das System B1 sein oder die Dämmung ist unabhängig von der Außenwand und jede Einzelkomponente muss B1 sein.

Aber danke für das Prüfzeugnis. Damit werde ich mal die Kollegen "schocken".

Benutzer_822

die Verwendung darf nur erfolgen, wenn eine hinterlüftete Wetterschutzabdeckung darauf kommt. Von Putzen ist nicht die Rede. Und für Unsinn halte ich es auch, denn hinter einer hinterlüfteten Abdeckung kann es wunderbar abbrennen und man kann es nicht löschen. Manchmal ist "Berlin" richtig w e i t von der Realität weg. Oder wie würden Sie "wirksame Löscharbeiten" bei abgedeckten Strohhaufen definieren ? mfg Schächer

Benutzer_1388

Nicht verboten ist erlaubt. Bis Gebäudeklasse 3 sieht die Bauordnung bekanntlich B2 vor, in Gebäudeklasse 1 nicht einmal F30.

Das ist m.E. das sogenannte bauaufsichtlich akzeptierte Risiko sowie das Interesse von bestimmten Industriezweigen und das Interesse von Bauherren und Architekten die vielleicht billig, innovativ und "bio" bauen möchten. Gegen Feuer ist man ja schließlich versichert.

Es gibt ja diverse B2-Naturbaustoffe. Wenn ein Baustoff normal entflammbar sein darf, darf er doch auch normal abbrennen, oder nicht? Muss denn alles gelöscht werden können? Berlin mag ja weit weg sein, aber die Zulassung beruht doch auf Vorschriften und diese auf Interessenabwägung. Wenn gelöscht werden soll, aber es nicht wirksam geht, wäre es m.E. an der Zeit, die Bauordnungen umzuschreiben. Die Dämmstoffe werden ja eh immer dicker.

MfG G.Karstens

Benutzer_822

es müssen wirksame Löschmaßnahmen möglich sein, das schreibt das Gesetz vor. Und ob eine Zulassung nur regeln darf, was das Gesetz zuläßt, ist eine schwierige Abwägung.

Wir schulden als Planer und Errichter den Erfolg. Ist es "erfolgreich", wenn die Hütte schnell abbrennt und nicht zu löschen ist, obwohl der Gesetzgeber vorschreibt, daß es wirksam zu löschen sein muß ?

Ich halte die Zulassung für völlig bescheuert, ich hatte diese Woche schon eine bescheuerte Z. in der Hand ... Eine Zulassung entbindet Planer und Errichter, die nach Kenntnis und Erfahrung geeignet sein müssen, nicht davon, daß ein Haus nach den öffentlich-rechtl Vorschriften zu planen und zu bauen, und s e l b s t kritisch zu arbeiten. Einfaches nachbeten von Zulassungen reicht nicht. Von daher: Vorsicht geboten vor sinnlosen Haftungsansätzen (kostet unser aller Versicherungsbeitrag - und die werden demnächst eh wieder teurer, weil die Schadensumme zu hoch ist). mfg Schächer

Benutzer_1470

Hallo Teilnehmer

Wirksame Löscharbeiten heißt nicht, dass alles gelöscht werden kann. Nach dem Grundsatzpapier reicht u.U. der Schutz der Nachbarschaft.

Allerdings gibt es noch mehr Schutzziele, welche einzuhalten sind. In Bezug auf die Außenwand: ... sind so auszubilden, dass eine Brandausbreitung auf und in diesen Bauteilen ausreichend lan begrenzt ist (Art. 26 Abs. 1 BayBO oder entsprechender § anderer Landesbauordnungen.

Da der Brandschutz nicht nur auf bauliche Maßnahmen begrenzt ist, müssen auch die anderen Aspekte beachtet werden um daraus für den Einzelfall ein tragfähiges BS- Konzept zu basteln, vor allem wenn von einzelnen Anforderungen abgewichen werden soll.

Gruß Norbert Bärschmann

Benutzer_1882

Ich möchte die Diskussion noch einmal anstoßen:

Nachdem jetzt also feststeht, dass die Strohballen wirklich B2-klassifiziert sind (möglich, dass die Ausführung nach der Zulassung quatsch ist), was muss man machen, um eine Art Wärmedämmverbundsystem damit zu errichten:

Reicht das, wenn geprüft wird, dass Stroh plus Putz von der Außenseite schwerentflammbar (also wie ein einziger Baustoff) ist.

Oder müssen sowohl Stroh als auch Putz jeweils B1 sein, was ja nicht gegeben ist.

Bei den gängigen WDVS sind Putz und Dämmung schon alleine B1, das ist also nicht vergleichbar.

Wie sehen Sie diesen Aufbau: Ist der Putz eher ein Schutz im Brandfall oder verhindert er Löscharbeiten, staut Wärme auf und sorgt für einen Kamineffekt?

Vielen Dank für die rege Beteiligung!

Grüße

Thorben

Benutzer_1795

Hallo Thorben,

eigentlich ist das bereits mehrfach beschrieben worden. Ja es reicht, wenn Putz+Stroh=B1 GEPRÜFT worden sind. Dann liegt dafür aber auch eine Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung vor. Ohne die ist der Nachweis nicht erbracht.

Ausserdem steht in der Bauordnung NICHT, dass Außenwände von der Außenseite B1 sein müssen. Das liesse sich auch gar nicht prüfen. Ich verweise daher nochmal auf meine vorhergehenden Antworten, dass das GESAMTSYSTEM aus Putz und Stroh als B1 geprüft sein muss.

Benutzer_1882

vielen Dank MarKe!

Ich arbeite mich in diese spezielle Thematik erst ein. Habe noch folgendes dazu rausgefunden: DIN 4102-16 Brandschacht sieht vor, dass beide Seiten der Probe geprüft werden müssen, außer die Proben sind Symmetrisch aufgebaut oder eine Beflammung von der Rückseite ist in der Praxis ausgeschlossen. Das müsste man dann in jedem Fall sicherstellen...

Wenn nach europäischen Normen nachgewiesen wird, ist nach BRL A Teil 1 das Glimmen gesondert nach nationalen Regeln nachzuweisen. Dies würde ja hier auch zutreffen.

Benutzer_1795

Aber auch dann benötigen Sie eine nationale Zulassung, wo wir wieder am Anfang stehen.

Derzeit sind nach der Bauregelliste meines Wissens nach nur Fussbodenbeläge und Dächer mit europäischer Zulassung dem nationalen System gleichgestellt. Diese sind nämlich explizit in der Bauregelliste in den Anhängen aufgeführt.

WernerMueller

Hallo Kniemann,

MarKe ist gerade wohl etwas angesäuert.

Natürlich hat er Recht, was das Thema ABZ/ABP usw. betrifft. Insofern ist dies kein Thema für Dich, sofern Du nicht Hersteller bzw. ein Verband bist.

Natürlich geht es aber auch ohne ABZ/ABP.

Möglich wäre durchaus der Nachweis der Schwerentflammbarkeit auf der Basis einer (ggf. orienterenden) Brandprüfung durch eine MPA. Hierzu würde ich die MPA Leipzig/Hr. Kotthoff empfehlen. Dies müsste im Rahmen einer Zustimmung im Einzelfall erfolgen; hier ist Ihre Oberste Baubehörde zuständig. Die Frage ist natürlich, ob sich Dein Bauherr das leisten kann oder will.

@ MarKe:

Eine Brandprüfung ist eine (von mehreren) Voraussetzungen für die Erteilung einer ABZ und nicht damit gleichzusetzen. Dein Satz "Dann liegt aber auch eine ABZ vor" ist in der Hinsicht mißverständlich.

Gruß

Werner Müller

Benutzer_1795

Hallo Herr Müller,

Sie haben natürlich vollkommen recht, dass die Prüfung nur eine der Voraussetzungen für die Erteilung einer ABZ ist.

Mit meinen zitierten Fassadenbrandversuchen meinte ich übrigens auch die von Herrn Kotthoff ;)

Aber nun mal ehrlich. Warum sollte eine Zustimmung im Einzelfall bzw. Abweichung für eine normalentflammbare Fassade (egal ob geprüft oder nicht) ohne entsprechenden Kompensationsmaßnahmen genehmigt werden?

Es gibt doch zulassungskonforme Systeme für Fassadendämmungen in der GKL 4?

Angesäuert bin ich übrigens nicht, auch wenn es so klingt (hab´ ich auch grade beim Lesen gemerkt). Ich wehre mich halt nur dagegen, etwas durchdrücken oder durchziehen zu wollen, was bauordnungsrechtlich nicht zulässig und nicht gewollt ist und am Ende der abwehrende Brandschutz ausbaden darf. Wer die Bilder von Fassadenbränden und die verzweifelten Löschmaßnahmen gesehen hat, weiss warum eine B2-Fassade in Gebäuden mittlerer Höhe unzulässig ist.

Wenn die Strohfassade B1 geprüft ist, habe ich damit ja auch keiner Probleme.