Erhebliche Gefahr - neu definiert? - brandschutzfachplaner.de

Erhebliche Gefahr - neu definiert?

Benutzer_623

Liebes Forum!

Auf meinem Schreibtisch liegen zwei Feuerbeschauen, die bauliche Mängel brandschutztechnischer Art mit erheblicher Gefahr für Leben und Gesundheit feststellen.

In beiden Fällen handelt es sich um denkmalgeschützte Wohn-und Geschäftshäuser in München.

Bei allen Einheiten ist der 2. Rettungsweg durch anleitern mit Steck- bzw. Drehleiter möglich. (Aufstellflächen und Höhen überprüft)

Der Mangel im 1.RW bezieht sich "lediglich" auf die Türen. Holzkassettentüren mit Falz, an der dünnsten Stelle jedoch nur 2,5cm sonst 4,2cm, die natürlich einen kleinen Glasausschnitt haben, keine Obentürschließer.

Bei Dachausbau oder Nutzungsänderung könnte ich die Forderung nach einer Ertüchtigung verstehen. Es handelt sich hier jedoch um genehmigten Bestand. Ich verstehe auch, dass vollwandige, dichte und selbstschließende Türen nach Bauordnung am Besten wäre, aber wo ist die erhebliche Gefahr? Wann kommt die Forderung die bestehende Holztreppe gegen eine feuerhemmende aus nichtbrennbareb Baustoffen auszutauschen?

Laut Oberster Baubehörde liegt die erhebliche Gefahr doch erst bei Mängeln im 1. und gleichzeitig im 2.RW vor. Oder gibt es hier eine neue Stellungnahme.

Über Eure Erfahrungsberichte und Tips freut sich...

J. Winter

Benutzer_99

Autor: Gast

Hallo Herr / Frau Winter,

keine Antwort, zwei Fragen zum Verständnis:

(1) gibt es eine Anleiterprobe zur Überprüfung des 2.RW? Ich bearbeite zur Zeit auch so etwas, da hat sich die Abspannung der Oberleitung Tram bzw. Strassenbeleuchtung geändert und jetzt kann die DL nicht mehr anleitern. In Verbindung mit Mängeln im 1. RW wurden bauliche Mängel brandschutztechnischer Art mit erheblicher Gefahr für Leben und Gesundheit festgestellt.

(2)wie ist es bei den Geschossdecken bzw. Fassaden?

Aus Erfahrungen bei anderen Brandereignissen prüft die Fb auch, ob der 2.RW dergestalt sicher nutzbar sei, daß das Eintreffen der Feuerwehr (x + 10 Min.) abgewartet werden könne.

Vielleicht hilft´s weiter...

Grüße

Benutzer_822

Die Gefahrenverhütungsschau / Feuerbeschau stellt betriebliche Mängel fest, nicht bauliche Mängel. dafür ist die bauaufsicht zuständig. In so weit kann die FB zwar einen Mangel attestieren aber weder eine Beseitigung anordnen noch eine Wertung vornehmen, denn dazu ist die Bauaufsicht da. Die "Vollwandigkeit" der Türen ist sachlich richtig, hinter 25 mm Holz habe ich nur einen eingeschränkten schutz. Aber es wurden ja schon Normalglasausschnitte und Sperrholzbretter oder "Limba einfach" (2 mm Furmier, Pappe, 2 mm Furmier) als "Tür" verkauft, da sind 25 mm schon weit besser. Also erst mal keine unmittelbare, konkrete Gefahr. Formal ist es kaum nachzufordern, weil eine konkrete gefahr nicht so ohne weiteres nachweisbar ist, w e d e r für den "ersten" noch für die Anleiterbarkeit gemäß Aussage.

A b e r ich würde auch mal überlegen, ob man nicht raumseitig eine dicke Spanplatte ordentlich ergänzen kann, um den raumabschluß für eine angemessene Zeit zu erreichen. Das muß nicht unschön sein, das ist wirkungsvoll. Und haltende Türen sind ein Stück Leben. (Mit Glastüren haben wir vor 4 Wochen 3 Personen "verloren"). vielleicht a u c h pragmatisch angehen, kann helfen. mfg Schächer

Benutzer_623

Vielen Dank für die Hinweise!

Der 2.RW funktioniert übrigens einwandfrei. Keine Oberleitungen o.ä. im Weg. Geschossdecken im Altbau würde ich mal mit F30-B ansetzen.

Die Bauaufsicht hat den Text der Feuerbeschau einfach übernommen.

Ich habe jetzt gehört, dass statt G30 Glas in den Glas-Ausschnitten doch auch Drahtglas zum Einsatz kommen darf. Schon mal davon gehört?

Viele Grüße!

J. Winter

Benutzer_822

Für bestimmte Drahtglasarten gab es eine G 30 Zulassung. Ob diese noch gilt, weiß ich nicht, meine Bescheide sind abgelaufen. Ohne diese Drahtglassichtweise wären die früheren RD Türen (Stahlrahmen mit Drahtglasfüllung) nicht mögolich gewesen. mfg Schächer

Feuer-Hewi

Hallo J. Winter,

erst möchte ich mal mit einem Blödsinn aufräumen: ES GIBT KEIN G30-GLAS!

Es gibt G30-VERGLASUNGEN mit einem Glas, das dafür geeignet ist!

Neben dem Glas muss die gesamte Kontrution den Nachweis G30 bringen, also Einbau, Halteleisten, Türblatt, Schloss, Bänder, Abdichtung..- das ganze ist ein System und als solches zu betrachten! Was nutzt eine geeignete Scheibe, die nach 5 Minuten im Flur liegt, weil der Einbau ungeeignet ist?

Also, wer Kompetenz zeigen will, redet (schreibt) nicht mehr solchen Blödsinn - und da sind auch unsere lieben Behörden- und Feuerwehrvertreter gemeint! Denn daher kommt meist so´n Quatsch!

Zur G30-Verglasung mit Drahtglas: siehe DIN 4102, T4, (sollte die Bibel für eine Brandschützer sein!)Punkt 8.4.6 ff ; darin ist sowas beschrieben; Drahtglas geht im Prinzip, wenn es ein punktgeschweißtes Netz hat und min 7 mm dick ist (Punkt 8.4.6.3).

Doch Vorsicht mit Drahtglas! Die BGs/GUVs haben ein wenig was dagegen! Sehr hohe Verletzungsgefahr! Sie fordern besonderen Schutz gegen das Eindrücken der Scheiben oder verbieten es ganz in der Anwendung. Auch wenn es sich nicht um Gewerbebauten handelt, begibt man/frau sich schnell auf gefährliches Terrain mit Drahtglas.

Zur vollwandigen Tür habe ich auch schon einiges geschrieben. Dennoch ist viel Blödsinn auch zu dem Thema im Umlauf. Ihre 25 mm Füllung wird erst nach ca, 20-20 durchgebrannt sein, fällt aber vorher raus, weil nach 10 Min. die Halteleisten oder Wange der Friese weggebrannt sind.

Bedenken Sie, dass die WE-Tür auch Schallschutz bringen muss, dann ist automatisch die Vollwandigkeit gegeben.

mfG

der Feuerteufel

Mattes

Hallo Feuerteufel,

Sie haben leicht schimpfen; schließlich kommen Sie aus Bayern, und dort ist die vollwandige dichtschließende und selbstschließende Tür im Wohnungsbau ausdrücklich in der Bauordnung definiert :-)

Bei uns in NRW ist lediglich von dichtschließenden Türen die Rede :-(, die ausdrücklich (nicht näher definierte) Glasauschnitte haben dürfen. Was also tun, wenn gegen eine Verwendung von Glasauschnitten in dichtschließenden Türen nicht mal eine Rechtsgrundlage besteht?

Ich wirke darauf hin, dass -wenn der Antragsteller auf die Verwendung einer Verglasung besteht- ihn zunächst von einer T30-RS zu überzeugen.

Das klappt im Rgelfall nicht. Aber den Beteiligten am Bau ist i.d.R. klar, dass Verglasungen ohne jegliche Anforderungen eine schnelle Gefährdung des 1.RW nach sich ziehen.

Dann also lieber G30-Glas ohne entsprechende Zulassung eingebaut, gerne auch VSG-Glas; es stellt aus meiner Sicht zumindest eine stärkere Behinderung des Rauchdurchtritts dar als gar keine Anforderung.

So bin auch ich wohl auch ein von Ihnen geliebter Behördenvertreter:-) der auf die Verwendung von G30-Verglasungen oder VSG hinwirkt, allerdings in dem Wissen, dass ein Feuerwiderstand von 30 Minuten bzw. der Lebensdauer der Tür nicht zwingend damit verbunden ist.

Manchmal wird mir das G30-Glas auch vom Planer angeboten; also sage ich ja, bevor gar keine Anforderung umgesetzt wird.

Ich hätte auch lieber eine andere Handhabe- vielleicht ergeht es dem einen oder anderen Kollegen ähnlich.

Wenn ich eine Rechtsgrundlage in der Hand habe, kommt natürlich sofort die T30-RS.

Gibt es denn Untersuchungen darüber, dass ein G30-Glas ohne seinen zugelassenen Rahmen zwangsläufig nach 5 Minuten nicht mehr wirksam abschirmt? Oder ist es wie bei der vollwandigen Tür: nicht geprüft, aber doch i.d.R. 20-25 Minuten haltbar? Weil dann würde beides doch gut zusammenpassen?

Vermutlich gibts keine eindeutige Antwort darauf, genau wie auf die im Forum umstrittene Frage, wie lange eine vollwandige Tür denn im Brandfall nun tatsächlich hält?

Gruß

Matthias Bußmann

Benutzer_822

In den alten Zulassungen zur Verwendung von Drahtglas mit Punktverschweißung ist die Verklotzung mit angegeben, daß das Glas sich etwas ausdehnen kann, bevor es an die Holzumgebung anstößt. Wenn die Glasfläche nicht zu groß ist, ist auch die Ausdehnung nicht so riesig.

Drahtglas und Unfallverhütung sehe ich viel differenzierter als die BG.

Wenn ich eine große Normalglasscheibe habe und "durchlaufe", ist gewöhnlich Lebensgefahr wegen verteilter, sehr tiefer Schnittwunden.

Ist es eine große Drahtglasscheibe, wird sie erst mal geschlossen bleiben. Ich habe viele Kratzer an allen unbedeckten Körperteilen, auch im Gesicht, in der Regel besteht aber keine lebensbedrohende Schnittverletzung.

Ramme ich die Scheibe mit voller Wucht, bricht sie raus aber die Einzelteile bleiben normalerweise zusammen, daß man auch nicht von Glasfeldern geschnitten wird.

Wenn ich die Scheibe nicht so groß mache sondern mit einem Kämpfer unterteile, daß meine Hauptkörperwucht auf den Kämpfer und den Rahmen geht und nicht uns Glas, bleibt die Scheibe meistens ziemlich ganz, d.h. Spinnengewebe artige Risse aber keine Splitter und keine offenen Schnittstellen.

Nach Ludwigshafen und Friedberg (3 Tote nach Glasdurchgang) haben verschiedene Ingenieure ihre Vorschläge zur Verbesserung der Brandschutzanforderungen an Zugangstüren wieder vorgetragen, um die Bauordnung in diesem Punkt zu verschärfen.

Eine 1/2 bis 1 m? Drahtglasausschnittsfläche in einer dicken Holztür hält normalerweise ganz gut gegen Brand und gegen Verletzungen.

Grundlage der BG Aktion war die häufige Verwendung sehr großer, ungeteilter und ungeschützter Drahtglasflächen in Schulen, die mancher Schüler "mit dem Kopf durch die Wand" durchschreiten wollte und das gibt Bruch. Das gab auch teilweise scheußliche Verletzte aber viel weniger Tote als bei Normalglas- bruch. (ich habe auch mal eine Drahtglastür "durchschritten" als mich jemand eingeschlossen hat, ging nach einiger Mühe ganz gut und sicher)

mfg Schächer

Benutzer_149

Hallo Kollegen,

ich habe die Diskussion in München verfolgt. Hintergrund ist folgender:

>Erhebliche< Gefahr liegt nach wie vor dann vor, wenn mit beiden Rettungswegen etwas im Argen ist (ich habe bewußt abgekürzt). Im Gegenzug heißt das: Ist ein Rettungsweg in Ordnung, liegt keine >erhebliche< Gefahr vor (für die Nichtbayern: das >erheblich< ist eine bayerische Spezialität).

Nun stellte die Branddirektion München, im Rahmen von Feuerbeschauen fest, dass manche Treppenräüme, einschließlich der Wohnungseingangstüren so schlecht und gleichzeitig so vollgepackt mit brennbaren Baustoffen sind, dass der erste Rettungsweg gravierende Mängel aufeist (Gefahr gegeben --> klar), dass aber auch der zweite Rettungsweg in Form des anleiterbaren Fensters nicht funtionieren wird, da die Brandausbreitung von einer Nutzungseinheit zur anderen über den Treppenraum so schell von sich geht, dass kein am Fenster Wartender das Eintreffen der Feuerwehr erlebt(Beide Rettungswege funktionieren nicht --> erhebliche Gefahr).

Ich muss zugeben, diese Auslegung hatte mich Anfangs völlig überrascht. Es ist aber etwas dran. Spätestens nach Studium der Einsatzberichte des Großbrands in Ludwigshafen, vor ziemlich genau einem Jahr, verschließe ich mich dieser Auslegung nicht mehr.

Allerdings darf dies nicht zum Freibrief werden, für jeden Treppenraum Nachrüstungen zu verlangen.

Diese Auslegung kann nur Einzelfälle betreffen, wo wirklich viel Brandlast im Treppenraum und extrem schwache Wände/ Türen zusammentreffen.

Grüße Lutz Battran