Erhöhte Brandgefahr durch Styropor-Wärmedämmung am angebauten Nachbargeäude?

Benutzer_99

Bundesland: Baden-Württemberg Autor: Ottmar ä Hallo Forumsteilnehmer, wer kann mir hierzu fachlichen Rat geben?

Freiburg, Doppelhaus mittlerer Höhe.

Mein Nachbar hat sein an mein Gebäude giebelseitig angebautes Haus mit einer 16cm dicken Styropor-Wärmedämmung ausgerüstet. Zwischen dem 1ten und 2ten sowie dem 3ten und 4ten Obergeschoss wurden umlaufend bis an die Grundstücksgrenze Steinwolldämmstreifen eingebaut. Über dem 5ten Obergeschoss wurden die Styroporplatten unter der hölzernen Traufverkleidung bis zum Dachgebälk ohne Steinwolldämmstreifen hindurchgeführt. Im ausgebauten Dachgeschoss befindet sich noch eine Wohnung. Da die Fenster des Nachbargebäudes weniger als ein Meter von der Grundstücksgrenze entfernt sind, fürchte ich nun, dass bei einem Brand im 4ten oder 5ten Obergeschoss der Dachstuhl in kürzester Zeit in Flammen stehen und das Feuer sofort auch auf meinen überstehenden Dachstuhl übergreifen wird. Ist diese Sorge berechtigt, denn die Brandwand kann ihre Funktion doch nicht mehr erfüllen, wenn sie von der Wärmedämmung umgangen wird? Sind die Brandschutzmaßnahmen mit den umlaufenden Steinwollstreifen ausreichend für den Schutz meines Hauses?

Vielen Dank für Euren Rat,

Ottmar

vonhof

Hallo Ottmar,

der Nachbar kann auf seinem Grundstück bzw. Gebäude machen, was die Bauordnung zulässt, also z. B. sein Gebäude mit schwerentflammbaren Baustoffen dämmen. Das was Sie beschreiben, deutet auf eine fachgerechte Ausbildung hin.

Über Brandwände dürfen brennbare Baustoffe nicht hinweggeführt werden. Wird dieses bei der Dämmung beachtet, ist dieses in Ordnung.

Wenn die brennbaren Teile des Daches über die Brandwand hinweggeführt sind, ist das nicht in Ordnung. Aber das ist dann wohl ein gemeinsames Problem, da die Bauausführung bei Ihnen wahrscheinlich so sein wird wie bei Ihrem Nachbarn.

Vom Grundsatz würde ich sagen: Ihr Nachbar ist - so wie Sie es beschreiben - durch Sie genauso gefährdet, wie Sie durch Ihren Nachbarn.

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_99

Autor: Ottmar Hallo Herr Vonhof,

vielen Dank für Ihre Auskunft.

Gerade die Ausführung der Dämmung im Grenzbereich scheint nach meinem Verständnis der Materie nicht fachgerecht zu sein. Oder was verstehen Sie unter der Aussage: "Über Brandwände dürfen brennbare Baustoffe nicht hinweggeführt werden." Ist mit dem Begriff "über" gemeint oberhalb der Brandwand, also senkrecht darüber oder gilt dies auch an der senkrechten Fassade wo die Brandwand mit der Fassade im rechten Winkel zusammentrifft? Denn in diesem Bereich wurde mit Ausnahme der beiden ca. 20cm breiten horizontalen Steinwollstreifen die Dämmung seitlich an der Brandwand vorbei bis an die Grenze geführt. Hier ist also keine Barriere, die verhindert, dass die Flammen der in Brand geratenen Dämmung auf mein Gebäude übergreifen. Hätte an der Fassade als seitliche Verlängerung der Brandwand nicht auch noch von unten bis oben ein senkrechter Steinwolldämmstreifen statt des Styropors angebracht werden müssen?

Ist auch dies eine fachgerechte Ausführung, wenn die Flammen der brennenden Dämmung ungehindert von untern hinter der hölzernen Traufverkleidung vorbei in den Dachstuhl eindringen können und damit die Bewohner der Dachgeschosswohnungen in Gefahr bringen. Ich kann mir dies mit meinem Laienverstand kaum vorstellen. Vielleicht haben mich die Bilder der brennenden Wärmedämmung in Berlin Pankow/Heinersdorf (2005) und die tragischen Folgen doch zu sehr geschockt.

Viele Grüße,

Ottmar

Benutzer_750

"Über Brandwände dürfen brennbare Baustoffe nicht hinweggeführt werden"

Das heißt, dass "über Brandwände hinweg", also brandwandübergreifend / brandwandüberbrückend keine brennbare Baustoffe geführt werden dürfen!

Hat also erstmal nix mit "oben" oder "unten" zu tun!

Wenn die Dachüberstände beider Häuser mit einer Holzverschalung ausgeführt wurden, die auf Höhe der Brandwand ungeschützt zusammenstoßen, ist das keine sachgemäße Lösung!

Mit einem WDVS aus Styropor bis vor die Brandwand, wird die Sache dann keineswegs besser.

Bin kein WDVS-Fachmann, aber für mein Gefühl wäre ein senkrechter Steinwolldämmstreifen vor der Brandwand die korrekte Ausführung.

Kann man in Erfahrung bringen, ob es sich bei dem WDVS um ein sauberes Gesamtsystem eines Herstellers handelt? (Dürfte man bei einem Gebäude mit E+4+D schon erwarten!) Dann sollte eine Zulassung vorhanden sein, in der die Details (also die Steinwolldämmstreifen) geregelt sind.

Ist denn die Brandwand wenigstens 30 cm über Dach geführt worden?

Nur interessehalber: Wie hoch sind denn die horizontalen Steinwolldämmstreifen ausgeführt worden? Wurden sie unmittelbar über den Fensteröffnungen hergestellt?

Gruß, Tektus

Benutzer_99

Autor: Ottmar Hallo Tektus,

danke für die Erklärung und für den Hinweis auf die Zulassung des Dämmsystems. Hab mich inzwischen auf der Brillux Homepage schlau gemacht, denn von denen kam das Dämmmaterial. In deren Technischen Infos zum Brandschutz wird empfohlen, über der Brandwand einen mindestens 20cm breiten Mineralwolldämmstreifen anzubringen. Wenn, wie dort auch zu lesen ist, es keine eindeutigen Vorgaben in den Landesbauordnungen zu WDVS gibt, stellt sich für mich die Frage ob diese Empfehlung dann überhaupt eingehalten werden muss.

Die beiden umlaufenden Dämmstreifen sind ca. 20cm hoch und verlaufen direkt über den Rollladenkästen.

Nein, die Brandwand des 8-geschossigen Nachbargebäudes ist nicht über das Dach geführt. Sie endet ca. 30cm unterhalb der Dachsparren. Der Zwischenraum zu den Dachsparren und zur Brandwand meines Gebäudes wurde einfach mit Isover-Glaswolldämmung ausgefüllt. Ich hoffe, dass das wenigstens sachgemäß ausgeführt ist. Die Brandwand meines Gebäudes ist auch nicht über das Dach geführt. Sie reicht aber bis direkt unter die Dachhaut.

Gruß, Ottmar

Benutzer_750

Ich an Ihrer Stelle würde vom Nachbarn, unter Hinweis auf die LBO und die LBOAVO, §8 (6) eine Nachbesserung beim WDVS im Brandwandbereich verlangen!

Hier die entsprechenden Fundstellen:

Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO) vom 8. August 1995 (GVBl. S. 617) Zuletzt geändert am 14. Dezember 2004

§ 26 Wände, Decken und Stützen

[...]

(2) Brandwände sind zu errichten, soweit die Verbreitung von Feuer verhindert werden muß und dies aus besonderen Gründen auf andere Weise nicht gewährleistet ist, insbesondere wegen geringer Abstände zu Grundstücksgrenzen und zu anderen Gebäuden, zwischen aneinandergereihten Gebäuden, innerhalb ausgedehnter Gebäude oder bei baulichen Anlagen mit erhöhter Brandgefahr.

Brandwände müssen so beschaffen und angeordnet sein, daß sie bei einem Brand ihre Standsicherheit nicht verlieren und der Verbreitung von Feuer entgegenwirken.

Siehe § 8 LBOAVO

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Durchführungs- /Verwaltungsvorschriften:

Allgemeine Ausführungsverordnung des Innenministeriums zur Landesbauordnung

(LBOAVO) vom 17. November 1995 (GBl. Nr. 34/1995)

Zuletzt geändert am 28. Juni 2005

Auf Grund von § 73 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 8 Nr. 2 der Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO) vom 8. August (GBl. S. 617) wird verordnet:

§ 8 Anforderungen an Brandwände (Zu § 26 Abs. 2 LBO) *)

[...]

(6) Bauteile mit brennbaren Baustoffen dürfen Brandwände nicht überbrücken. Dachvorsprünge aus brennbaren Baustoffen dürfen vor Brandwänden angeordnet werden, wenn sie so ausgebildet werden, daß eine Brandübertragung verhindert wird.

Gruß, Tektus

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PS: In der Durchführungs- /Verwaltungsvorschriften ist übrigens auch die Sache mit der Ausführung der Brandwand im Dachbereich geregelt! (d.h. wie es hätte sein sollen!)

§ 8 Anforderungen an Brandwände (Zu § 26 Abs. 2 LBO) *)

[...]

(5) Brandwände sind

- bei Gebäuden geringer Höhe bis unmittelbar unter die Dachhaut,

- bei sonstigen Gebäuden mindestens 0,3 m über Dach zu führen oder in Höhe der Dachhaut mit einer beiderseits 0,5 m auskragenden feuerbeständigen Platte abzuschließen.

Benutzer_465

Hallo allerseits -

offenbar ist die Frage von Dämmstoffen vor (und auf) Brandwänden baurechtlich nicht eineindeutig formuliert (siehe auch Forumsdiskussion zu WDVS auf einer Brandwand, wenn diese Gebäudeabschlusswand ist).

Meines Erachtens gilt, daß brennbare Wärmedämmung weder horizontal noch vertikal über bzw. vor der Bw. vorbeigeführt werden darf. Damit genügt bereits ein vertikaler Mineralwolldämmstreifen, der so breit ist, wie die Brandwand dick ist, also z.B. 17,5 cm bzw., verputzt gerechnet, 19,5 cm.

Auf der sicheren Seite liegend (und wahrscheinlich aus der Industriebaurichtlnie entlehnt)ist es aber, diesen Streifen breiter zu machen als die Bw.-dicke, nämlich 1m breit, wobei man die 1m mittig (in Bw.-Achse) anordnen kann oder nur auf der einen oder nur der anderen Seite der Brandwand.

mfG

M. Koeppen

Benutzer_99

Autor: Ottmar Vielen Dank für Eure kompetente Hilfe,

ich sehe, dass hier wohl einiges nicht nach den Vorschriften und Richtlinien gemacht wurde. Wenn nicht mein Gebäude davon besonders betröffen wäre, könnte mir das ja egal sein. Nachdem aber mein Gebäude durch die unsachgemäße Verarbeitung der nachbarlichen WDVS besonders gefährdet ist und die Versicherung im Schadensfall möglicherweise die Schadensregulierung ablehnen wird, scheint dies doch ein Fall für die Baurechtsbehörde zu sein. Vielleicht hat mein Nachbar gerade von dieser Behörde besonders großzügige Befreiungen erhalten...

Viele Grüße,

Ottmar

Benutzer_465

Ottmar,

der hier diskutierte Punkt ist baurechtlich nicht ganz eindeutig formuliert und auslegungsbedürftig.

M. Koeppen