Brandschutzabstände, wenn öffentlicher Weg dazwischen liegt

Benutzer_99

Bundesland: Baden-Württemberg Autor: Baumensch ä Es geht um eine Altstadtbebauung mit engen Gassen (öffentlichen Verkehrsflächen), die schmaler als 5 m sind. Die Gebäude sind aus planungsrechtlichen Gründen an die Grenze zur öffentlichen Verkehrsfläche zu bauen. Dürfen in den gegenüberliegenden Wänden von Wohnhäusern Öffnungen sein, auch wenn die Gebäudeabstände z.T. kleiner 5 m, z.T. nur 1,5 m breit sind ?

Aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 6 Abs. 1 AVOLBO Baden-Württemberg meine ich ja, wenn es auch jeder brandschutztechnischen Logik widersprechen mag. Öffentliche Verkehrsflächen sind m.E. keine Nachbargrenzen und daher sind Fensteröffnungen zulässig.

Benutzer_822

zulässig nach Baurecht - ja (sehr wahrscheinlich).

zulässig nach Strafrecht (Baugefährdung) : nein, denn anerkannte Regel der Technik (a.R.d.T.) sagt, daß bei unter 5 m der Brandüberschlag durch Strahlungshitze zu erwarten ist.

zulässig nach Haftungsrecht : nein, denn a.R.d.T. ... (wie vor).

Wir haben es mit unterschiedlichen Rechtsgebieten zu tun, die hier zusammentreffen. Und diese richten sich nach unterschiedlichen Bezügen,

beim Baurecht nach den "Eingeführten Technischen Baubestimmungen" und dem Gesetz selbst, beides läßt große Lücken,

bei Zivilrecht (BGB) ist der Erfolg geschuldet und der Nichterfolg durch Abweichung von der Bestellung aber auch Abweichen von den a.R.d.T. definiert,

bei Strafrecht durch Gefährdung durch Abweichen von den a.R.d.T. .

Aus dem Stehgreif weiß ich hier auch keine vernünftige Lösung,

außer durch Kompensation für eine andere sichere Lösung zu suchen ...

vielleicht mit beidseitig angeordneten Feuerschutzverglasungen, die bei Hausalarm schließen (teuer, vielleicht findet man einen "Sponsor"), vielleicht Brandschutzrolläden, ...)

"Einfach so durch" ist es gewiß nicht. mfg Schächer

Benutzer_216

Hallo,

bei Entfernungen > 2,50 m zwischen den Häusern tendiere ich zur Betrachtung von Herrn Schächer.

Bei Entfernungen < 2,50 m sehe ich es so:

LBOAVO § 6 (1): Außenwände, die einen Abstand von weniger als 2,5 m zu Nachbargrenzen ?..

Also: auch wenn dazwischen eine öffentliche Verkehrsfläche liegt, sind sie weniger als 2,50 m von der Grenze ihres gegenüberliegenden Nachbarn entfernt. Somit gelten die Anforderungen von § 6 (1) und deshalb sind Öffnungen nicht zulässig.

Wie sehen das die Kolleginnen/Kollegen?

Freundliche Grüße, Holger Nolte

vonhof

Hallo,

einfache Antwort, so wie ich es sehe: auch die Grenze zum öffentlichen Verkehrsraum ist eine Grenze, denn das angrenzende Grundstück gehört jemand anderem (z. B. der Gemeinde). Erst dann kommt die generelle Erleichterung bei öffentlichen Verkehrsflächen: die Abstandsfläche kann sich bis zur Hälfte auf das fremde Grundstück (Weg, Straße) erstecken. Damit ist eigentlich alles gesagt. 2,5 m bis zur Mitte der Verkehrsfläche ist einzuhalten oder eine Brandwand zu setzen.

@Herr Schächer: wenn der Gesetzgeber etwas zulässt, kann keine Baugefährdung vorliegen. Was Sie machen wollen, ist die aaRdT über das Gesetz zu stellen. Das ist ein No Go, wie es so schön auf neudeutsch heißt.

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_822

lieber Herr Vonhof, die unterschiedlichen Sichtweisen halte ich für ein Grundübel, darin sind wir uns einig. D a s s wir solche Grundübel haben, liegt aber an der unterschiedlichen Sichtweise der verschiedenen Gesetzesebenen. Und Bundesrecht kann "Strafe" und "Schadenersatz" auslösen, wenn "Landesrecht" Lücken aufweist. Es ist ja keine Gestattung sondern ein unterlassenes Verbot. Die Gestattung wäre rechtswidrig und ungültig (Bundesrecht bricht Landesrecht), die "Lücke" stört den Juristen nicht.

mfg Schächer

vonhof

Hallo Herr Schächer,

ich glaube, im Moment sehen nur Sie eine Lücke. Ich kann hier keine erkennen.

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_99

Autor: Baumensch Hallo zusammen,

auch wenn es aus brandschutztechnischer Sicht keinen Sinn mache, ist es nach Auskunft der zuständigen Stelle so zu beurteilen, dass Grenzen zu öffentlichen Verkehrsflächen keine Nachbargrenzen sind. Dies wird im Kommentar zur LBO, zwar im anderen Zusammenhang mit Abstandsflächen von privilegierten Grenzbauten (§ 6 LBO), so ausgeführt und sei auch in diesem Fall so zu sehen.

Ausserdem wird auf eine Kommentarstelle zu § 26 LBO verwiesen, wonach bei Wänden mit mindestens 2,50 m Abstand zur Grenze § 6 AVOLBO z.B. dann auch nicht zur Anwendung komme, wenn auf einem Nachbargrundstück ein Gebäude näher als 2,5 m oder sogar an der Grenze mit Wandöffnungen vorhanden ist (alte Gebäude mit Bestandsschutz). D.h. Öffnungen in gegenüberliegenden Wänden u.U. nur 2,50 m voneinander entfernt sind.

MfG

vonhof

Hallo,

§ 6 Abs. 4 LBO: Geringere Tiefen der Abstandsflächen sind zuzulassen, wenn

...Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen...

Heißt also: Geringere Abstände sind genehmigungspflichtig. Wenn ich etwas ausreichend begründe und einen Antrag stelle, kann ich im Prinzip von allem abweichen. Die Frage war aber: "Dürfen in den gegenüberliegenden Wänden..." Dürfen? Nein, dürfen sie nicht, jedenfalls nicht ohne genehmigter Abweichung.

Gruß

Alexander Vonhof

vonhof

Nachtrag: Also wenn Ihnen die Behörde sagt, es wäre zulässig, stellen Sie doch einfach einen Abweichungsantrag. Entweder teilt die UBB Ihnen dann mit, dass sie der Abweichung nicht zustimmt, weil keine Abweichung vorliegt, oder sie genehmigt die Abweichung, oder eben nicht. Auf jeden Fall sind Sie dann den schwarzen Peter los.

Alexander Vonhof

Benutzer_99

Autor: Baumensch Herr Vonhof,

in meinem eingangs geschilderten Fall sind die Abstandsflächen nach den §§ 5,6 LBO außen vor, da aus planungsrechtlichen Gründen an die Grenze zum Weg zu bauen ist (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 LBO). § 6 Abs 4 LBO ist daher nicht einschlägig.

MFG

vonhof

Gut, sehe ich ein. Dann lassen wir aber auch die §§ 5 und 6 komplett außen vor, weil Brandschutzabstände für sich genommen rein gar nichts mit "anderen" Abständen zu tun haben (es sei denn, der Gesetzgeber verknüpft die einzelne Regelungen, was in BW nicht der Fall ist).

Ich ziehe mich in meiner Argumentation jetz vollständig auf § 26 LBO zurück: Brandwände sind zu errichten, wenn sie den Erfordernissen nach notwendig sind, um die Verbreitung von Feuer zu verhindern. Andere Gebäude sind in § 26 ausdrücklich erwähnt.

Wenn man davon ausgeht, dass die AVO die Gesetzeslage für Ihren Fall nicht hinreichend regelt (sonst würde die Frage ja nicht auftreten), gilt zunächst das Gesetz, dann die Verordnung. Und bei Abständen < 5 m zwischen Gebäuden bestehen erst einmal bedenken.

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_99

Autor: Baumensch § 26 LBO wird durch die Vorschriften der AVOLBO ausgefüllt. Eine unmittelbare Anwendung des § 26 LBO wird daher kaum in Betracht kommen.

Strengere Anforderungen als diejenigen der AVOLBO sind daher m.E. nur über § 38 LBO bei baulichen Anlagen und Räumen besonderer Art und Nutzung möglich.

vonhof

Das ist jetzt tatsächlich eine spannende Frage. Füllen Verordnungen zwingend Gesetze vollständig aus, auch bei nicht geregelten Tatbeständen? Ich denke jetzt mal laut nach. Was passiert, wenn eine Sonderbauverordnung, z. B. Verkaufsstättenverordnung, bestimmte Tatbestände nicht behandelt? Wenn eine VO zu einem Thema schweigt, greift das Gesetz. Ich würde dann doch eher sagen, nein, die AVOLBO füllt die LBO nicht unbedingt aus. Ich würde nach wie vor behaupten, die AVOLBO hat in Ihrem Fall eine Lücke, und daher greift die LBO.

Müsste man mal einen Juristen fragen. Oder die Oberste Bauaufsicht, wie sie sich die Sache vorstellt.

Gruß

Alexander Vonhof

vonhof

Hallo Baumensch,

ich glaube, Sie haben recht, die Regelung ist Absicht. Ich habe mir ein paar Bauordnungen aus dem alten Jahrtausend rausgesucht und dort die wortgleichen Formulierungen gefunden, wie sie in der AVOLBO steht. Die "Lücke" wurde in anderen Bundesländern mittlerweile geschlossen (auch noch andere, die es in BW heute noch gibt, wie ich feststellen durfte).

Bleibt nur das Problem des Verhältnisses zwischen Gesetz und Verordnung. Das Problem halte ich tatsächlich nicht für trivial.

Also: materiell gebe ich Ihnen recht, formell wäre ich vorsichtig.

Gruß

Alexander Vonhof

Benutzer_99

Autor: Baumensch Herr Vonhof,

die obere Bauaufsicht hat der Auffassung zugestimmt, die ich eingangs gepostet habe.

Mit freundlichen Grüßen

Benutzer_99

Autor: Baumensch Herr Vonhof,

noch zu Sonderbauverordnungen. Hier ist meiner Meinung nach § 38 LBO einschlägig, der es zulässt bei Sonderbauten zulässt im Einzelfall zusätzliche Anforderungen zu stellen oder Erleichterungen zuzulassen.

MFG