Ermessensspielraum Brandschutzbehörde bei Abweichungen VkVo

Benutzer_99

Bundesland: Baden-Württemberg Autor: jens bossmann ä Laut der Verkaufsstättenverordnung ist zur Berechnung der notwendigen Fluchtwegbreite der Schlüssel von 0,3m Fluchtwegbreite/100m? Verkaufsfläche anzuwenden. Inwieweit ist die Brandschutzbehörde berechtigt von dieser Forderung abzuweichen wenn durch ein Gutachten schlüssig nachgewiesen wird, dass die geforderte Breite zur Erreichung der Brandschutzziele nicht notwendig ist? Hat die Brandschutzbehörde hier Ermessensspielräume oder ist Sie an die Verordnung gebunden?

Benutzer_822

Bauverordnungen sind den Bauaufsichten zur Erfüllung aufgegeben, die Brandschutzdienststelle nimmt bei Sonderbauten als Fachbehörde fachkundig Stellung. Die formale Bindung wird durch die Setzung der Bauaufsicht gegeben.

Da es sich bei Verkaufsstätten um Sonderbauten ("Gebäude oder Räume besonderer Art oder Nutzung") handelt, ist ein gewisser Ermessensspielraum im Gesetz ausdrücklich vorgesehen, die "Gleichheit vor dem Gesetz" verlangt aber die Einhaltung gegebener Verordnungen, Richtlinien, Erlasse usw., soweit nicht Grund gegeben ist, es anders als richtig einzustufen. mfg Schächer

Mattes

Hallo Herr Bossmann,

die Brandschutzdienststelle entscheidet für den Einzelfall, ob abweichend von der Sonderbauverordnung gebaut werden darf.

Abweichung sind zu begründen (z.B. warum ist die Einhaltung der erforderlichen Rettungswegbreite nicht möglich? lediglich Kostengründe sind keine ausreichende Begründung) bzw. es sind Kompensationen zu benennen.

Es obliegt dem Erméssen des Sachbearbeiters, Begründungen und Kompensationsvorschläge des Antragstellers abzulehnen, allerdings ist aus meiner Sicht die Ablehnung ebenso schlüssig durch die Brandschutzdienststelle zu begründen.

Gruß

Matthias Bußmann

Benutzer_99

Autor: Bossmann Vielen Dank für Ihre Antworten.

Nur zu meinem Verständnis:

Verstehe ich Sie richtig, dass die Brandschutzbehörde grundsätzlich einen Ermessungsspielraum in Teilaspekten der Verkaufsstättenverordnung hat?(die sonstigen Punkte der Verordnung werden voll erfüllt lediglich bei den Fluchtwegbreiten ist eine Sonderregelung angedacht)

Sprich theoretisch wäre eine Reduzierung der Fluchtwegbreiten möglich,

vorausgesetzt dass schlüssig nachgewiesen ist, dass die geplanten Breiten ausreichen? Oder darf und können die Behörden von der Verordnung in diesem Punkt nicht abweichen?

Vielen Dank

j.bossmann

frank_borgert

Hallo Herr Bußmann und Herr Bossmann,

@Hr. Bußmann

"die Brandschutzdienststelle entscheidet für den Einzelfall, ob abweichend von der Sonderbauverordnung gebaut werden darf"

Seit wann entscheiden Brandschutzdienststellen über die Zulassung von Abweichungen? Ich weiß, dass viele BSI das gerne würden und meinen, dass sie das auch dürfen, das Baurecht sieht das aber in keinster Weise vor...

:-))

Zumindest in NRW ist es nicht einmal Aufgabe der BSD, sich zu Rettungswegen (außer zu anleiterbaren Stellen) zu äußern, siehe hierzu den abschließenden Katalog in Ziffer 54.33 VV BauO NRW. Sie muss zwar ggf. (Ziffer 73.13 VV BauO NRW) gehört werden, aber entscheiden darf sie nicht.

@Hr. Bossmann

Ermessensspielraum gibt es bei allen Aspekten der VkVO genauso wie bei allen anderen baurechtlichen Vorschriften, siehe hierzu auch §56 LBO-BW. Bei der Breite von Ausgängen könnte man z.B. als Begründung einen erheblichen Flächenanteil an festeingebauten Regalen usw. heranziehen, da sich auf dieser Fläche definitiv keine Kunden aufhalten können und sich somit die Personenzahl / m? Verkaufsraum reduzieren kann.

Aber es gilt wie auch die Vorschreiber schon schrieben, dass dasa immer eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände sein muss.

Viele Grüße,

Frank Borgert

Mattes

Hallo Herr Borgert,

"Seit wann entscheiden Brandschutzdienststellen über die Zulassung von Abweichungen? Ich weiß, dass viele BSI das gerne würden und meinen, dass sie das auch dürfen, das Baurecht sieht das aber in keinster Weise vor...

:-))"

Sie haben natürlich recht, dass die Genehmigung für eine Abweichung durch die Bauaufsicht erfolgt, nicht durch die BSD. In 99% der Fälle schließt sich die Bauaufsicht (zumindest bei uns) der Auffassung der BSD an. Daher meine vereinfachte Darstellung in meiner Antwort.

"Zumindest in NRW ist es nicht einmal Aufgabe der BSD, sich zu Rettungswegen (außer zu anleiterbaren Stellen) zu äußern, siehe hierzu den abschließenden Katalog in Ziffer 54.33 VV BauO NRW."

In diesem Punkt liegen Sie aus meiner Sicht falsch. Die BSD prüft den Brandschutz (auch den baulichen) vollumfänglich. Diese Aufgabe ergibt sich aus §5 FSHG mit Begründung. Es ist explizit gewollt, dass abwehrender und vorbeugender (auch baulicher) Brandschutz in ihrem Zusammenwirken ganzheitlich geprüft werden (und macht m.E. auch nur so Sinn).

Die VV BauO NRW ist zudem seit 2005 außer Kraft.

Gruß

Matthias Bußmann

frank_borgert

Hallo Herr Bußmann,

"Die BSD prüft den Brandschutz (auch den baulichen) vollumfänglich. Diese Aufgabe ergibt sich aus §5 FSHG mit Begründung"

Hmm, in meinem Kommentar zum FSHG schreibt Dr. Schneider genau das Gegenteil, nämlich dass sich der Prüfauftrag ausdrücklich auf die Belange des abwehrenden Brandschutzes beschränkt (Erläuterungen zu §5).

"Die VV BauO NRW ist zudem seit 2005 außer Kraft."

Sie stellt aber weiterhin die Meinung des MBV dar, dies ist mehrfach von verschiedenen MA des MBV so gesagt und geschrieben worden. Und Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass das von Ihnen geschilderte Verfahren erst seit dem 1.1.2006 so angewendet wird??? :-)

In Ihrer Nachbarschaft gibt es m.W. eine Kommune, wo auch genau nach 54.33 verfahren wird. Andere Gemeinden haben bei der Feuerwehr mehr Beschäftige, deren Kosten von der Abteilung Bauaufsicht getragen werden, um eben doch eine vollumfängliche Stellungnahme abgeben zu können.

Es wäre ja mal interessant, wie das MBV das sieht, insbesondere hinsichtlich der tief klaffenden Lücke zwischen Theorie (BauO i.V. mit VV) und Praxis (eben so wie Sie das geschildert haben)...

Viele Grüße,

Frank Borgert

Mattes

Hallo Herr Borgert,

"Es wäre ja mal interessant, wie das MBV das sieht, insbesondere hinsichtlich der tief klaffenden Lücke zwischen Theorie (BauO i.V. mit VV) und Praxis (eben so wie Sie das geschildert haben)..."

Da kann ich Ihnen nur zustimmen, es gibt BSD, die ihren Auftrag ausschließlich in der Prüfung des abwehrenden Brandschutzes sehen (witzigerweise ausgerechnet i.d.R. nicht-Feuerwehrleute).

Auf der anderen Seite steht unsere BSD mit ihrer Auffassung und Handhabung nicht alleine-insbesondere bei den Jüngeren scheint eher ganzheitlich geprüft zu werden (rein subjektive Wahrnehmung).

Worin liegt denn Ihr Problem, wenn wirs so machen? Halten Sie die vollumfängliche Prüfung denn nicht für sinnvoll? -gerade wenn die Bauaufsichten hinsichtlich Brandschutz teilweise etwas schwach auf der Brust sind?

Gruß

Matthias Bußmann

frank_borgert

Hallo Herr Bußmann,

"Worin liegt denn Ihr Problem, wenn wirs so machen? Halten Sie die vollumfängliche Prüfung denn nicht für sinnvoll? -gerade wenn die Bauaufsichten hinsichtlich Brandschutz teilweise etwas schwach auf der Brust sind?"

Ich sehe leider immer wieder, wohin das führt. Nämlich dass sich die BSD mit teilweise extrem überzogenen Vorstellungen durchsetzen, denen jede Rechtsgrundlage fehlt. Die BauOÄ verlassen sich darauf, dass das schon so richtig sein wird und der Bauherr kann sich überlegen, die teilweise etliche zig.1000 ? zu investieren oder ein Gerichtsverfahren anzustrengen, von dem er sich zwar sicher ist, dass es das gewinnt, aber dafür frühestens in einem Jahr anfangen kann zu bauen...

Viele Grüße,

Frank Borgert

Mattes

Hallo Herr Borgert,

"Ich sehe leider immer wieder, wohin das führt. Nämlich dass sich die BSD mit teilweise extrem überzogenen Vorstellungen durchsetzen, denen jede Rechtsgrundlage fehlt." touche!

Das kann vorkommen, das will ich nicht abstreiten. Ist auch mir schon passiert. Forderungen ohne Rechtsgrundlage oder nachvollziehbare Begründungen sind aus meiner Sicht auch nicht akzeptabel.

Allerdings lässt sich auch nicht bestreiten, dass ohne umfängliche Prüfung des Brandschutzes z.T. haarsträubende Bauvorhaben genehmigt werden. Ab und zu wohne ich darin :-)

Beides kann zu Nachteilen entweder für den Bauherren (hohe Kosten durch überzogene Forderungen) oder für den Nutzer (erhebliche Gefährdungen durch Brandschutzmängel)führen.

Ich bin aber der Auffassung, dass der überwiegende Teil auf beiden Seiten (SV und BSD) einen guten Job macht. Unterschiedliche Auffassungen über den einen oder anderen Punkt sind menschlich und werden ja auch in diesem Forum ausgiebig diskutiert.

Falsch oder Richtig lässt sich dabei aus meiner Sicht in manchen Punkten gar nicht festmachen.

In diese Sinne freue ich mich auf weiteren lebhaften Meinungsaustausch.

Gruß

Matthias Bußmann

frank_borgert

Hallo Herr Bußmann,

ich stimme Ihren Aussagen vollumfänglich zu! :-)

Viele Grüße,

Frank Borgert