Rettungsweg im Hotel

Benutzer_203

Hallo,

in einem bestehenden Hotel fehlen auf der rückwärtigen Gebäudeseite Anleitermöglichkeiten für die Sicherstellung des zweiten Rettungsweges.

Nun kommt von einem Sachverständigen der Vorschlag, die Flure mit Rauchmeldern zu überwachen, die Zimmer mit elektronischen Türschlössern zu versehen und auf der Straßenseite bei einem Zimmer eine Notentriegelung anzubringen, so dass dieses Zimmer von anderen (flüchtenden) Gästen als Rettungweg (zum Fenster Straßenseite) genutzt werden kann. Die Notwentriegelung soll durch einen Taster die elektronische Türsicherung stromlos schalten und somit öffnen.

So ganz kann ich mihc damit noch nicht anfreunden.

Mich würde Ihre Meinung dazu interessieren und vieleicht kennt der ein oder andere schon eine solche Umsetzung bzw. Grundlagen wonach dies Möglich oder nicht zulässig ist.

Danke

Wolfgang Cordier

Benutzer_139

Hallo Herr Cordier,

unabhängig von der Frage, ob dieser Vorschlag rechtens ist stellt sich mir die Frage ob sich denn der Sachverständige Gedanken darüber gemacht, dass evtl. kein Gast bereit ist, in einem Zimmer zu nächtigen, zu dem Jedermann und Jederfrau Zutritt per Tastendruck hat ?

Zwar sind die Schlösser einer Hotelzimmertür alles andere als einbruchsicher, es ist jedoch ein gravierender Unterschied, ob ich eine Tür mit mehr oder weniger Gewalt aufbrechen muss, oder ob man lediglich einen Taster betätigen muss um in ein fremdes Zimmer zu gelangen.

Man stelle sich vor, dass ein Gast in diesem Zimmer das selbige für einen kurzen Saunabesuch verlässt und dabei beobachtet wird.

Ein potentieller Dieb braucht nur den Taster zu betätigen und kann sich in dem Zimmer bedienen. Wird er dabei erwischt, ist es kein Einbruchdiebstahl sondern lediglich ein Mißbrauch eines Fluchtweges.

Ich würde tunlichst die Finger von solchen Lösungen lassen. Der Ärger scheint mir hier vorprogrammiert.

Grüße

Stefan Satzger

Benutzer_221

Hallo Herr Cordier,

ich darf Ihnen hier nur zustimmen. Die Anforderungen an den zweiten Rettungsweg sind grundlegende Anforderungen der Landesbauordnungen.

Gerade bei einer Beherbergungsstätte, die im Bereich der Sonderbauten, oder mindestens unter "bauliche Anlagen besonderer Art und Nutzung" einzustufen sind, sollte man keine Kompromisse eingehen.

Die Führung des zweiten Rettungsweges über einen Flur (erster Rettungsweg) und durch eine fremde Nutzungseinheit (fremdes Gästezimmer)halte ich persönlich für fraglich. Die von Ihnen beschriebenen elektronischen Sicherungsmaßnahmen stellen aus meiner Sicht keine Kompensations-möglichkeit für Erleichterungen an den zweiten Rettungsweg dar. Weiter ist jede elektronische Maßnahme nur so gut wie ihre regelmässige Wartung ??!!

MfG Maitho

Benutzer_99

Guten Tag Herr Cordier,

ich arbeite als Brandschutzsachverständiger.

Es ist schwer eine "Ferndiagnose" zu stellen.

Ich halte die angestrebte Lösung für sehr bedenklich.

Wie stehen denn die Möglichkeiten zur Errichtung eines Rettungsbalkons?

Mit freundlichen Grüßen

Hahn

hahn@buk-marburg.de

Benutzer_197

Hallo Miteinander,

was den "Einbruchschutz" darstellt, so hat dieser die Bauaufsicht aus meiner Sicht nicht zu interessieren. Und ob der Betreiber dieses Zimmer vermietet bekommt, halte ich auch für fraglich, ich würde es jedenfalls nicht nehmen. Aber grundsätzlich denke ich, kann so eine Lösung nicht einfach abgelehnt werden, da jedem Gast dieser Weg ohne Hilfsmittel zur Verfügung steht, wenn der Nottaster nicht zu hoch angebaut ist. Mir stellt sich jedoch die Frage, ob die Feuerwehr überhaupt in der Lage ist, alle Personen aus den betroffenen Zimmern zu retten, wenn der 1. bauliche Rettungsweg versperrt ist. Hierüber lässt sich der zweite bauliche Rettungsweg durchsetzen, denn die FW-Leiter kann den 2. Rettungsweg nur darstellen, wenn Bedenken nicht bestehen.

Mit freundlichen Grüßen,

F. Fleischhauer

Benutzer_204

Hallo Kollegen Brandschützer,

es besteht doch offensichtlich die einhellige Meinung, daß unter diesen Gesichtspunkten das Zimmer nicht mehr als Gästezimmer vermietbar ist. Das kann doch in letzter Konsequenz nur bedeuten, daß man das Zimmer anders nutzen müßte. Am besten gleich als Flur!

Ich kann allen Planern nur davon abraten sich auf solch merkwürdige Lösungen einzulassen. Die langfristige Funktionsfähigkeit (auch im organisatorischen Sinn) ist oft nicht sicherzustellen. Insbesondere wenn schon in der Planungsphase Zielkonflikte mit anderen Bereichen auftreten (Einbruch-Diebstahl-Schutz). Auch wenn das baurechtlich nicht relevant ist, sollten wir Brandschutzplaner nicht im Elfenbeinturm leben. Die ungelösten Probleme bleiben schließlich am Bauherrn/Betreiber hängen - oder an unserer Haftpflichtversicherung.

Ich kann mich der Meinung von Herrn Fleischhauer nicht anschließen, wonach ein 2. baulicher Rettungsweg hier durchsetzbar wäre. Die Schwelle dafür ist schließlich in der GastBauV festgelegt. Der Gesetzgeber hat also bereits (für uns) entschieden, bis zu welchen Grenzen eine Rettung über die Feuerwehrleiter möglich/zumutbar ist. Es müßten schon ganz ungewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Anwendung dieser Regelung verbieten würden.

Mfg

M. Huber

www.FeuerUndBlitz.de

Benutzer_210

Hallo Herr Cordier,

z.Zt. bearbeite ich einen ähnlichen Fall, und zwar ein ehemaliges Schloss (Einzeldenkmal), in dem ein Hotel eingerichtet werden soll. Als baulicher 2. RW ist an der Stirnseite des einen Flügels eine Notleiter mit Zwischenpodesten vorhanden, eine Außentreppe wird durch den Denkmalschutz nicht genehmigt.

Im betreffenden Flügel werden die Zimmertüren rauchdicht ausgeführt, ein Zimmer am Flurende (kleines Zimmer für Busfahrer) soll als Zugang zum 2. Rettungsweg ausgebildet werden, durch F 30 Wände und T 30 Türe. Allerdings erfolgt die Türentriegelung nicht mit Auslöseknopf, sondern durch elektronische Entriegelung über die Brandmeldeanlage. Diese Lösung wird u.A. auch für abgesperrte Rettungswegtüren in geschlossenen Abteilungen z.B. in Behinderteneinrichtungen angewendet. Allerdings bin ich selbst noch am Ausknobeln einer besseren Lösung.

Freundliche Grüße aus Oberfranken

Reinhold Huth

Benutzer_205

Herr Fleischhauer,

die Bauaufsicht interessiert die vorgeschlagene Lösung sehr wohl. Und zwar deswegen, weil dieser Rettungsweg praktisch nie funktioniert und durch die Hotelleitung ignoriert wird. Da werden Notschalter u. ä. außer Kraft gesetzt, nur um das Zimmer zu vermieten. Ich würde eine derartige technisch aufwendige Lösung nicht akzeptieren.

Für mich kommt nur die Umrüstung eines straßenseitigen Zimmers zu einem Flur infrage; Tür dauerhaft aushängen und die Wände F 30 aufrüsten (vielleicht schon vorhanden). Dann wäre noch zu überlegen, ob das Fenster geeignet für die Drehleiter ist (Aufstellfläche usw.) oder ob gleich ein ordentlicher Rettungsbalkon angebaut wird (kommt auf die Anzahl der Geschoße und der Gästebetten an).

Alles andere ist für die Bauaufsicht nicht akzeptabel. Habe schon einige Hotels umbauen lassen.

Gruß aus dem dem südlichen Oberbayern, in dem es viel Fremdenverkehr gibt.

H. Klein

Benutzer_197

Guten Morgen miteinander,

ich habe den Eindruck, meine Antwort von gestern ist teilweise falsch verstanden worden.

Das die Lösung mit dem Rettungsweg durch ein Gastzimmer eine nicht optimale Lösung ist und sich hier Konflikte mit der Nutzung ergeben, die möglicherweise auch den Betreiber dazu bringen, diese ausser Kraft zu setzen, ist auch mir klar. Nur war die Frage doch, ob so etwas grundsätzlich abgelehnt werden könnte, und das glaube ich eben nicht, da bei ordnungsgemäßem Betrieb (wovon wir ja ausgehen müssen, ansonsten können wir alle technischen Maßnahmen in Frage stellen) der Zugang jederzeit sichergestellt ist. Und eine Ablehnung muss auch vor dem Verwaltungsgericht Bestand haben. Ausserdem handelt es sich bei dem Gebäude um ein bestehendes Objekt, für das vermutlich zumindest teilweise Bestandsschutz besteht. Hier stellt die vorgeschlagene Maßnahme also eine Verbesserung der momentanen Fluchtwegsituation dar. Im Rahmen eines genehmigungspflichtigen Umbaus ist natürlich die Führung des Flures an ein anleiterbares Fenster die bessere Lösung. Nur entspricht auch diese Lösung nicht der GastBauV, die ein anleiterbares Fenster im Beherbergungsraum=Hotelzimmer fordert. Und in dieser Abweichung liegt vielleicht der Schlüssel zum 2. baul. RW, da man eben auf dem Flur warten muß, um durch die FW gerettet zu werden und somit keinen Schutz vor evtl. auftretendem Rauch hat.

Und was den 2. Rettungsweg über die Feuerwehrleitern angeht, so muß man die örtlich vorhandenen Möglichkeiten berücksichtigen. Denn nicht jede FW verfügt über Drehleitern, eine größere Zahl von tragbaren Leitern oder die für den Einsatz mehrerer Leitern erforderliche Personalstärke. Und für max. 60 Gäste (s. GastBauV) braucht man schon eine ganze Menge Leitern, um diese in einer angemessenen Zeit aus jedem einzelnen Hotelzimmer retten zu können.

Mit freundlichen Grüßen,

F. Fleischhauer

Benutzer_224

Guten Tag Herr Cordier,

auch wir würden vor so einer Lösung zurückschrecken. Der Diebstahlschutz kann uns ja egal sein, im täglichen Betrieb aber ist er dann doch von wesentlich größerer Bedeutung, als das abstrakte Thema Brandschutz. Insoweit wäre tatsächlich zu erwarten, dass diese Einrichtung später ausser Betrieb genommen wird.Nun können Sie nur schlecht in eine Stellungnahme schreiben, dass Sie dem Betreiber nicht glauben (das er nämlich schwört, diese Einrichtung immer besonders zu pflegen und in Betrieb zu halten). Wenn Sie die Beherbergungsstättenverordnung 2002 anwenden können, so ist die Grundlage aber recht eindeutig. Auf den zweiten baulichen Rettungsweg kann ohnehin nur verzichtet werden, wenn der Betrieb weniger als 60 Gastbetten hat UND nicht mehr als 30 in einem Geschoss. Sind diese Voraussetzungen erfüllt sind, genügt als zweiter Rettungsweg eine mit Rettungsgeräten erreichbare Stelle DES BEHERBERGUNGSRAUMES (also eines jeden Beherbergungsraumes.Der Kern ist also "BeVO oder nicht". Ihre Bauchschmerzen sind aus meiner Sicht begründet.

Benutzer_99

Hallo miteinander,

einen solchen Fall (Fluchtweg über Suite) hatte ich schon, wo sogar die Bauaufsichtsbehörde sich ausdrücklich mit einer Notentriegelung der Zimmertüre über die Brandmeldeanalge zufrieden gab. Es handelte sich um einen Flur an dem ca. 6-7 Zimmer angrenzenten.

Wäre dies nicht so Bestand gewesen, hätte ich anderst entschieden.

mit freundlichen Grüßen aus bayrisch Schwaben

Birgit Weldishofer

Benutzer_99

Hallo Herr Cordier,

1. fehlende Sicherstellung des zweiten Rettungsweges - ja, isset denn möglich?

Das wäre für mich Veranlaassung , die geschätzten Kollegen des zuständigen Bauordnungsamtes auf diesen Mangel hinzuweisen - mit dem Ziel, zunächst eine Nutzungsuntersagung für die betreffenden Beherbergungsräume bis zur Behebung des Mangels zu erreichen.

2. Den Einsatz von "technischen Systemen" als ausgleichende Maßnahme für den fehlenden baulichen Rettungsweg bzw. fehlende Anleiterbarkeit für Rettungsgeräte der Feuerwehr zuzulassen, halte ich aus den schon von anderen aufgeführten Gründen mehr als bedenklich. Eine Brandschutzdienststelle muß nun wirklich nicht jeden für den Bauherrn kostenoptimierten Vorschlag eines "Sachverständigen" für den Brandschutz abnicken.

Im übrigen sollte man ja evtl. auch mal den "bestandsgeschützten" ersten Rettungsweg -Flure und Treppenraum- in solchen vorhandenen Betrieben prüfen. Der ist meiner Erfahrung nach in Bezug auf Abschlüsse von Öffnungen, Bekleidungen von Wänden, Decken bzw. Bodenbelägen, Möblierung, Rauchabführung, Ausgang direkt ins Freie bzw. durch eine Halle, Beleuchtung und Kennzeichnung usw. auch nicht immer uptodate (baurechtskonform).

Beides zusammen (nicht mängelfreier 1., kompromissbehafteter 2. Rettungsweg), kann zu einer Situation führen, die im günstigsten Fall alle 5 Jahre bis zur Pensionierung ein mulmiges Gefühl bei Ihnen oder ihren Mitarbeitern aufkommen läßt.

3. Ich bin schon guten Mutes, dass Ihre zuständige Behörde durchaus Chancen sieht, eine Anpassung gem. § 87 BauO NW zu verlangen und durchzusetzen. Insbesondere, wenn sie sich mal die Mühe macht, in den von ihrem MSWKS NRW ergangenen Erlass vom 28.09.2000 zu schauen. Zitat: ...kann dazu führen, dass der zweite Rettungsweg baulich gesichert werden muss; das trifft in folgenden Fällen zu: 1. Eine Nutzungseinheit ist - aus welchen Gründen auch immer- nicht anleiterbar 2. ...

Nutzungseinheit - das ist ja in der BeVO mal geklärt worden - ist nicht das "Hotel", sondern der Beherbergungsraum selbst.

Im übrigen verweise ich zu diesem Thema auf die nicht zu überbietenden Ausführungen zum zweiten Rettungsweg beim b-iv.

mfg

Gast

Benutzer_197

Hallo "Gast",

wer versteckt sich hier anonym hinter dieser Bezeichnung? Traut sich hier jemand nicht seinen Namen zu nennen???

Aber im ernst: Ich sehe hier genauso eine Möglichkeit einen 2. baulichen Rettungsweg zu fordern (wie bereits oben beschrieben), wenn der 1. bauliche Rettungsweg erhebliche Mängel aufweist. Nur muß man bei bestehenden Objekten auch "die Kirche im Dorf lassen", denn ansonsten muss man in diversen Altstädten Nutzungsuntersagungen für ähnliche Objekte aussprechen. Ein zweiter baulicher Rettungsweg ist doch hier oftmals gar nicht zu schaffen, da weder Gebäude noch Grundstück dieses hergeben. Ausserdem gibt es einen Bestandsschutz und der reicht manchmal gefährlich weit, wie ich in einem Fall erlebt habe.

Der 2. bauliche Rettungsweg muß dann vielleicht nicht ein eigener Treppenraum sein, vielleicht tut es im Einzelfall auch eine fest installierte Steigeleiter. Diese ist für Ungeübte sogar besser begehbar als eine Feuerwehrleiter, da sie nicht schwingt und bindet kein Feuerwehrpersonal. Und selbst Ängstliche nutzen diese, wenn es erstmal richtig warm wird.

Mit freundlichen Grüßen,

F. Fleischhauer