Was macht eigenlich der Rauch bei Industriebauten unter 1600m2 Grundfläche

Benutzer_1059

Hallo, an alle Firefighter-aus der Praxis für die Praxis-

Ich hätte da mal was .....

Eine Halle 1200m2 , Höhe 6,50m, nach Abschnitt 6 bewertet, K1, 2 Prozent gleich 24 m2 als 12 Türen in den Längsseiten der Hallenaußenwand vorgesehen. Keine Dachöffnungen vorhanden. Laut IndBauRL Ziffer 5.6 zulassig. Im Dach oder Fensteröffnungen in den Seitenflächen nicht geregelt. Die Halle kann und wird verrauchen bis der Rauch aus der geöfneten Tür oder Türen abströmen kann. Was für eine Logig steckt hahinter? Ich habe da ein schlechtes Gewissen!

Nach PKT 5.6.1 IndBauRL: Produktions- oder Lagerräume ohne selbsttätige Feuerlöschanlage mit einer Fläche von mehr als 200 m? müssen Wand- und/oder Deckenöffnungen erhalten, die eine Rauchableitung ins Freie ermöglichen. Dies gilt als erfüllt, wenn die Räume Öffnungen erhalten, deren Größe mindestens 2 % ihrer Fläche beträgt.

Es steigen nun mal Hitze und Rauch nach oben und breiten sich unter der Decke aus. Sobald die Rauchgase eine Temperatur von ca. 72° C erreicht haben, lösen die ersten in Gruppe geschalteten Rauchabzugsgeräte (RWA) aus. Der Rauch kann nach oben entweichen. Je nach Gebäudetechnik verhindern zusätzliche Rauchschürzen die Ausbreitung in andere Hallenbereiche. Zuluftöffnungen im unteren Bereich der Halle (Türen und Tore) bewirken, dass diese RWA aerodynamisch voll zur Wirkung kommen. Bei Temperaturen über 300° C schmelzen die Wärmeabzüge in der Dachfläche (Polycarbonat) aus und lassen somit einen Groß teil der Hitze entweichen. Somit steigt die Temperatur im Halleninneren nicht über den kritischen Bereich von 500° C hinaus. Die Tragkonstruktion des Industriebaues bleibt also erhalten. Auf Grund der o.g. Gebäudetechnik mit entsprechender Bemessung ergibt sich eine rauchfreie Schicht, deren Höhe gemäß IndBauRL mindestens 2,50 m betragen muss. Dies führt dazu, dass die Gebäudenutzer sicher ins Freie gelangen und die Einsatzkräfte der Feuerwehr die Halle einsehen können. Da der Brandherd von der Feuerwehr leichter ausgemacht werden kann, ist ein gezielter Löschangriff möglich.

Dieser Aufwand ist aber erst geregelt ab Hallengröße über 1600m2.

Mir geht es nur um die Auslegung laut der Richtlinie, nicht um Randbedingungen wie Rettungsweglänge, Feuerwehreinsatz, Hilfsfristen, Brandlasten usw.

Für aufklärende Hinweise wäre ich dankbar.

frank_borgert

Hallo Backflame,

Sie haben es selber geschrieben bzw. zitiert: Gem. Ziffer 5.6.1 IndBauR müssen Öffnungen vorhanden sein, die eine Rauchableitung ERMÖGLICHEN.

Ich halte es nicht für möglich, nur über Türen (h=2 m) eine Rauchableitung für einen über 6 m hohen Raum zu ermöglichen. Darum: Wandöffnungen im oberen Drittel des Raumes oder halt Deckenöffnungen.

Viele Grüße,

Frank Borgert

Mattes

Hallo backflame,

grundsätzlich teile ich die Auffassung von Herrn Borgert. Leider folgt in der Genehmigungspraxis die Bauaufsichtsbehörde manchmal nicht den weitergehenden Anforderungen der Brandschutzdienststelle, weil 5.6.1 IndbauRl eben explizit aussagt, dass bei Öffnungen von 2% diese Rauchableitung ermöglichen. Punkt.

Wir wissen aber, dass z.B. für Ihre Halle mit 6,5m Höhe eine Rauchableitung eben nicht möglich ist, wenn die Öffnungen nur Türhöhe erreichen. Hat die Halle 5m hohe Tore, kann man eher davon ausgehen, dass die Feuerwehr die Halle rauchfrei bekommt.

Wir tun unser Bestes, um auf eine w i r k s a m e Entrauchungsmöglichkeit hinzuwirken. Sofern sich aber jemand am Gesetzestext festhält, kann man wenig machen.

Im Baurecht sind schließlich so einige unlogische Festlegungen getroffen, die nicht deshalb umgangen werden dürfen, weil der Einzelne sie für unlogisch hält. Ich erinnere diesbezüglich an die Forderung nach 2 voneinander unabhängigen Rettungswegen aus jedem Geschoss, die -sofern baulich hergestellt- über ein und denselben notwendigen Flur ohne ausreichende Anforderungen an die Türen des Flures führen darf. Würde ich zwei tatsächlich unabhängige baulich Rettungswege fordern, was aus meiner Sicht logisch wäre, käme ich damit nicht weit.

Mir bleibt dann nur das Mittel der Überzeugungsarbeit: mit nachvollziehbaren -logischen- Argumenten erreicht man damit beizeiten Erstaunliches.

Gruß

Matthias Bußmann

Mattes

Hallo Diskutanten,

was mir noch gerade einfiel:

wäre Ihre Halle mit 1200m? nur 3m hoch und würde sich darin eine Verkaufsstätte mit hoher Personendichte befinden (Discounter), wie würde denn dann eine wirksame Entrauchung aussehen?

Nach Auffassung der meisten SV reicht dann vorne ein Loch und hinten ein Loch, den Rest soll die Feuerwehr machen.

Aus der Logik heraus versuche ich doch dann eher für den Discounter höhere Anforderungen an die Entrauchung durchzusetzen als im Industriebau- da halten sich dann aber gerne die SV an den Vorgaben der LBO fest und verzichten lieber auf eine Entrauchung -von wirksam ganz zu schweigen :-(

Gruß

Matthias Bußmann

frank_borgert

Hallo Herr Bußmann,

das mit den kleinen Verkaufsstätten mache ich möglichst auch ohne Entrauchung, da die schlicht und ergreifend überflüssig ist:

1.) Die Menschenrettung ist aller Erfahrung nach relativ schnell und vor eintreffen der Fw abgeschlossen.

2.) Für solche Gebäude gilt nun mal nur die BauO, und die stellt an die Entrauchung keine Anforderungen.

3.) Ein Innenangriff sollte aus den bekannten Gründen eh unterbleiben!

4.) Der Laden ist nach einem Brand eh hin (zumindest mal der gesamte Inhalt), wird abgerissen und neugebaut.

Also wozu entrauchen???

Viele Grüße,

Frank Borgert

Mattes

Hallo Herr Borgert,

gesetzt den Fall, bei Eintreffen der Rettungskräfte sind keine Personen mehr gefährdet und es besteht kein Erfordernis, Sachwerte zu schützen, gebe ich Ihnen recht.

Aber der Grundsatz heißt doch immer noch: Rettungswege sind auch Angriffswege der Feuerwehr, und Rettungswege dienen nicht nur der Selbstrettung, sondern auch der Rettung durch Dritte.

Wenn ich also annehmen darf, dass auch noch die Forderung der Bauordnung nach einer Menschenrettung auch durch Rettungskräfte und einer wirksamen Brandbekämpfung durch die Feuerwehr möglich sein sollen, ist die Unterstützung der Feuerwehr durch Entrauchungsmaßmahmen doch nicht von der Hand zu weisen.

Ich gebe allerdings zu, dass es gleichermaßen unbewiesen ist, ob und was eine Entrauchung welcher Art auch immer in einem Discounter bringt.

Heißt das denn auch, bei 1999m? Verkaufsfläche darf ich ohne Entrauchung auskommen, weil das die BauO nicht hergibt? Und im IndBau müsste ich ab 1600m? raucharme Schichten nachweisen? Bringt das denn dort etwas? Ab welcher Fläche bringt es dann was?

Mit Ihrer Argumentation muss man doch grundsätzlich die Frage nach der Wirksamkeit oder Notwendigkeit einer Entrauchung in Frage stellen?!?

Aber warum soll in einem vergleichbaren Industriebau denn Ihrer Argumentation nach eine w i r k s a m e Entrauchung dringend erforderlich sein und in einer Verkaufsstätte mache ich nichts?

Denke ich zu schräg? Gibt es andere Auffassungen?

Gruß

Matthias Bußmann

Benutzer_466

Zurück zur ursprünglichen Frage: Was macht eigentlich der Rauch? ... erstmal entsteht er. ... und bei Industriebauten wird erwartet das alle anwesenden Personen es auch mitbekommen. Eine Verrauchung erfolgt schnell ... das ist bekannt, aber ein Industriebau mit nur 1200 m? hat logischerweise recht kurze Rettungswege. => Personenrettung als Selbstrettung ist nahezu unverzüglich abgeschlossen. Fluchtweglängen sind in der IndBauRL definiert. Die vorrangige Aufgabe des Personenschutzes ist damit abgeschlossen.

Im Brandfall muss der Betreiber sich bewusst sein, das bei Umsetzung der IndBauRL (Mindestanforderung 2%-Regel) mit großer Wahrscheinlichkeit der Totalverlust des Gebäudes erfolgt. Vor dieser Entscheidung steht letztlich jeder Bauherr/Betreiber eines Industriebaus dieser Größenordnung.

Der Bauherr darf natürlich weitere sicherheitsrelevante Komponenten in sein Gebäude integrieren. Vergrößerte oder DIN-gerecht RWA, BMA oder Sprinklerung, erhöhte Feuerwiderstandsklasse der Konstruktion oder ähnliches. Sinnvoll sollte es natürlich schon sein; und genau da beginnt doch unsere Tätigkeit.

Noch mal zum mitschreiben: Die IndBauRL definiert Mindestanforderungen.

Jeder Bauherr kann auf anraten seines Beraters zusätzliche Maßnahmen ergreifen um das Sicherheitsniveau zu erhöhen. Wir als Beraten sollten mit unserem Hintergrundwissen in der Lage sein unserem Bauherrn zu verdeutlichen, dass es sich beim Brandschutz nicht um unnötige Zusatzkosten handelt, sondern um eine Investition in seine eigene Zukunft. (Meistens steht die Versicherung auf Seiten der Brandschützer und lockt mit reduzierten Prämien).

Andererseits müssen wir Planer uns vorsehen, dass wir unsere Meinung nicht als Teil der IndBauRL oder anderer Vorschriften verkaufen; ein

".... das müssen Sie aber machen ..." kann, wenn nicht belegbar letztlich zu Regressansprüchen des Bauherrn gegenüber dem Planenden führen.

Die IndBauRL ist die Basis. Wie sinnvoll die Brandschutzkonzepte und die Gebäude letztlich sind ergibt sich aus der Kommunikation zwischen Bauherr und Planer.

... na, das war mal wieder ein Wort zum Sonntag ;)

Gruß aus Bremen und allen im Forum ein geruhsames Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Piet

Benutzer_317

gegenfrage, was macht der rauch in "verkaufsstätten" < 2.000 m?oder in versammlungsstätten < 1.000 m?. das ist der bauaufsichtlich gewünschte "din-tod".

oder anders : schutzziel im industriebau ist nicht die rauchfreihaltung von rettungswegen, da die flucht über die rettungsweglänge und ggf. durch die frühalarmierung gesichert ist, sondern sicherstellung des löschangriffs, wenn die halle noch steht, wenn die fw kommt.ansonsten ist der totalschaden gesellschaftlich akzeptiert.nur wenn der ag nicht vom markt veschwinden will, kann man sich weiteres ausdenken, grüße, lotti