Bestandsschutz + Brandschutzmassnahmen

Benutzer_830

Hallo, es geht um den Umbau eines Elektronikfachgeschäftes. Bei dem Aufmass wurde beim Blick in die Decke festgestellt, dass oberhalb der GK-Decke unverkleidete Stahlträger sind, sowie eine Holzbackendecke mit Schilfzwischenraum. Den Kunden haben wir auf notwendige Brandschutzmassnahmen hingewiesen, nach der aktuellen LBO wären hier für Gebäudeklasse 3 mind. F30 notwendig. Der Kunde weigert sich aber jegliche Brandschutzmassnahmen im Deckenbereich durchzuführen. Er beruft sich auf den Bestandsschutz, dass es sich hier um keine Nutzungsänderung handelt. Die Bauarbeiten hat er weiter durchgeführt und die Handwerker auch selber beauftragt. Die GK-Decke wurde entfernt und es wurde eine neue OWA-Decke eingebaut.

Wie ist hier die Sachlage gilt die Definition Bestandsschutz?

Oder sind in jedem Fall Brandschutzmassnahmen notwendig, da das Gebäude ggf. niemals den zu dem damaligen Zeitpunkt geltenden Brandschutzmassnahmen entsprochen hat?

frank_borgert

Hallo Herr Kinkel,

Bestandsschutz ist immer ein heikles Thema, i.d.R. gibt es keinen Bestandsschutz...

Feststellen kann man das nur (und hierfür ist der Antragsteller zuständig, nicht die Bauaufsicht...), wenn man z.B. die alte Baugenehmigung hat und der aktuelle Bauzustand noch dem genehmigten Zustand entspricht. Oder wenn der Bauherr nachweist, dass sein Gebäude zu irgendeinem Zeitpunkt nach der Fertigstellung genehmigungsfähig gewesen wäre, oder...

Bei mehrgeschossigen Gebäuden dürfte es allerdings eher unwahrscheinlich sein, dass eine F0-Decke jemals genehmigt wurde. Sie wird auch wohl zu keinem Zeitpunkt (zumindest nicht nach 1900) genehmigungsfähig gewesen sein...

Ist denn bei Ihrem Projekt die Bauaufsicht involviert gewesen?

Falls nein, stellt sich mir eine weitere Frage: in wie weit sind Sie als Fachman, dem dieser Mangel bekannt war, bei einem Schaden (z.B. Personenschaden im 1. OG durch Feuer im EG) haftbar zu machen? Bei den heutigen manchmal sehr seltsam anmutenden und für mich in keinster Weise nachvollziehbaren Gerichtsurteile halte ich mittlerweile alles für möglich. Wie kommt man da raus? Wer schreibt, der bleibt? Oder so ähnlich???

Dumme Situation, die man leider viel zu häufig antrifft...

Viele Grüße,

Frank Borgert

Benutzer_465

Hallo Herr Kinkel,

ich denke, Sie haben richtig gehandelt und auch der Sache genüge getan. Idealereise noch schriftlich darauf hingewiesen?

Null Brandschutz hat die Decke ja nun auch nicht; vielleicht kommt durch die Unterdecke noch ein "F15" zustande, wobei ein Realbrand ja anders als der Normbrand verläuft...

Bestandsschutz entfällt, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt. Die Einschätzung ist mehr oder weniger subjektiv. Kritischer als Decken sind da Mängel an/in Rettungswegen. Naja, Stahlträger sind ja auch nicht unkritisch...

Besonders verantwortungsbewußt ist das Ignorieren Ihrer Bedenken jedenfalls nicht, um das mal so zu sagen.

mfG

M. Koeppen

Benutzer_822

Hallo Herr Kinkel,

"Bestandsschutz" leitet sich aus Artikel 14 Grundgesetz "Eigentum und Erbrecht" her, d.h. was einmal zutreffend genehmigt und genau so errichtet wurde, ist dem Zugriff des Staates entzogen. Das findet seine Grenzen in der zutreffenden Errichtung, wenn nicht nach dem alten recht hergestellt, gibt es keinen rechtmäßigen Schutz, und in der Abwehr konkreter gefahren: "Jedermann muß sein Haus so erreichten ... und instand halten, daß die öffentliche Sicherheit und ordnung nicht gestört wird". Heißt: es darf nicht unsichr sein. Freie Stahlträger s i n d u n s i c h e r, also nur dann Bestandsschutz fähig, wenn das irgend wann einmal so zulässig w a r und genehmiugt wurde und son ordnungsgemäß ist (gibt es in der Gebäudeklasse 1). Sonst greift Art. 2 Grundgesetz mit der gleichen Wucht wie Art 14 und verlangt, daß alles erforderliche getan wird, daß keine "Gefahren für Leib und Leben" von dem gebääude ausgehen. Und das Erforderliche muß der Bauherr v o n s i c h a u s tun, er kann nicht warten, bis die Bauaufsicht es von ihm verlangt. mfg Schächer

Benutzer_830

Vielen Dank für die Antworten. Ich bin beruhigt, dass meine Ansicht durch die Antworten bestätigt wurde. Sofern der Kunde durch seinen Architekten nicht den Nachweis auf ordentliche den Vorschriften entsprechende Brandschutzmassnahmen bringt, bzw. sich weiter uneinsichtig verhält werden wohl weitere Schritte eingeleitet werden müssen, die eine Wiedereröffnung verhindern. Sollte es trotzdem eine Eröffnung geben werden werden wir wohl die Bauaufsicht informieren müssen, da solch ein uneinsichtiges Verhalten nicht unterstützt werden muss. Denn hier wird sich bewusst, aus Kostengründen gegen entsprechende Massnahmen gewehrt. Dies ist einfach nur in einer Verkaufsfläche verantwortungslos.

frank_borgert

Hallo Herr Kinkel...

"werden wir wohl die Bauaufsicht informieren müssen"

??? Zumindest in NRW sind Sie nicht der Bauaufsicht, sondern nur Ihrem Kunden gegenüber verpflichtet.

Eine Meldepflicht von Mängeln gibt es in NRW (neben einer allgemeinen Meldepflicht nach §35 FSHG) nur für die TPrüf-SV, die "die zuständige Bauaufsichtsbehörde oder bei technischen Anlagen oder Einrichtungen des Bundes, des Landes und der Landschaftsverbände die zuständige Baudienststelle zu unterrichten [haben], wenn festgestellte Mängel nicht in der von ihnen festgelegten Frist beseitigt wurden"...

M.E. nach müssen Sie nur Ihren Kunden auf die möglichen Auswirkungen hinweisen. In welchen Umfang Sie dies tun, wird wohl von Ihrer persönlichen Einschätzung des Risikos abhängen müssen.

Viele Grüße,

Frank Borgert