Mitteilungspflicht

Benutzer_911

Hallo Kollegen,

ich habe neulich einen Freund besucht, der in einem 5-geschossigen Mehrfamilienhaus wohnt (GK 4 Hessen). Das Gebäude wurde Ende der 50er Jahre gebaut und wurde bis heute baulich nicht verändert. Im Treppenhaus war Teppichboden verlegt, vor den Eingangstüren standen Schuhschränke und im Kellergeschoss wurden Kartons mit Büchern und Zeitschriften gelagert. Die Kellerräume waren nicht brandschutztechnisch von dem Treppenhaus abgetrennt.

Wie sieht es nun mit unserer Mitteilungspflicht aus? Bin ich dazu verpflichtet der Bauaufsicht hierüber Mitteilung zu machen? Das ganze stellt ja eine konkrete Gefahr dar, zumal das Gebäude nicht den heutigen Anforderungen entspricht. Bin ich bei Ausbruch eines Brandes mithaftbar zu machen, weil ich nicht auf die Gefahren aufmerksam gemacht habe?

Benutzer_822

Hallo Herr Kollege,

solange sie nicht als "Gewährsträger" tätig waren, ist die Frage ziemlich offen und wird eher zurückhaltend beurteilt. Falls Sie in dem Haus beruflich zu tun hatten, sind Sie verpflichtet, tätig zu werden.

Zunächst würde ich den Eigentümer des Hauses auf die Gefahren hinweisen und mir darüber eine Notiz schreiben. Vielleicht sieht er es ja ein ...

Wenn er zeitnah tätig wird, ist die Sache erledigt. Falls er nicht zeitnah tätig wird oder mitteilt, nicht tätig zu werden, kann man ein Einschreiben nachlegen. Das kann man auch mit Hinweisen auf die Eigentümerpflichten für die Sicherheit ergänzen (z.B.HBO §3 "sicher instand zu halten"), Bußgeld bewehrt. Kommt jemand zu Schaden, greift das Strafgesetzbuch mit Haftandrohung. Nach Eingang der nachweisbaren Information handelt der Eigentümer "bösglaübig", er kann sihc nicht mehr darauf berufen, davon nichtsgewußt zu haben oder dafür nicht zuständig zu sein.

Wie konkret eine solche Gefahr ist und wie die Möglichkeiten der Bauaufsicht sind, so etwas durchzusetzen, hängt auch von der Art der Wohnungseingangstüren und den "zweiten Rettungswegen" ab, also Anleiterbarkeit gut oder mäßig, viele oder wenige leute im Haus. Aber das muß die Behörde dann mit sich und dem Eigentümer und später mit dem Staatsanwalt ausmachen. Wenn der sich nicht rührt, ist eine sachgerechte, hinreichend ausführliche Mitteilung per Einschreiben an die Bauaufsicht richtig (Nachweisbarkeit). Dazu ist sie da (Gefahrenabwehrbehörde !).

Bei der Höhe gab es jedenfalls noch keine Bauordnung in Hessen, die "Luftlöcher in Keller - Treppenraumwänden" erlaubt hätten. Bei kleineren Gebäuden gab es das leider schon.

Wenn man im Vertrauen darauf, daß man nicht selbst belangt werden kann (oder könne) n i c h t s tut und jemand kommt zu Schaden, vielleicht auch dauerhaft oder zu Tode, macht das Weiterleben nicht so arg viel Freude, das Gewissen geht einem dann nach. Hat man sein Möglichstes getan, schläft man ruhiger. Und das gehört auch dazu. mfg Schächer

Benutzer_99

Autor: Alexander Hallo Herr Schmidt

Diese Frage müssen Sie schon für sich selber beantworten.

Ihr Freund sollte den Bauherrn auf die größten Mängel, vor allem die leicht abzustellenden Mängel aufmerksam machen oder diese selber beseitigen.

Sie müssten doch aber auch wissen, dass viele Häuser nicht dem Baurecht entsprechen. Wollen sie jedesmal die Behörde informieren.

Verantwortlich ist und bleibt der Bauherr. Die Gemeinde hat die Pflicht in festgelegten Abständen eine Feuerbeschau durchzuführen. Diese Abstände sind bei Wohngebäuden sehr lang. Wenn das Haus seit 1950 steht gab es bestimmt einige.

Im Sommerurlaub auf Usedom wohnen wir in einem alten viergeschossigen Gebäude (Bäderarchitektur aus der Jahrhundertwende) Holztreppenraum, Teppich, Schränke im Treppenraum, Wohnungseingangstüren mit großflächiger Verglasung (G 0). In Bayern würde da nicht mal der Denkmalschutz greifen. Im Ausland ist es teilweise noch schlimmer.

Wie sieht des denn bei Ihnen mit der Einhaltung der Straßenverordnung aus.

Wie schnell fahren Sie in der Stadt oder auf der Landstraße?

Ich fahre ca. 10 km/h schneller als erlaubt. Wenn mich trotzdem einer überhohlt und noch schneller fährt zeige ich ihn nicht an. Auch als Polizist würde ich das nach Dienstschluss nicht machen.

Auch wenn Sie Brandschutzplaner sind haben Sie keine Verantwortung für Brandschutzmängel, wenn Sie irgentwo zu Besuch sind oder ein Hotel bzw. eine Gaststätte nutzen.

Anderst verhält es sich wenn sie in einem Gebäude als Planer tätig werden. Aber dass muss ich Ihnen nicht erläutern.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander

WernerMueller

Hallo Herr Schächer,

ich komme nicht umhin, Ihnen mal wieder zu widersprechen.

Der Frager beschreibt, daß er einen Freund besucht hat. Wahrscheinlich hat er diese Formulierung bewußt gewählt, um andere (berufliche) Situationen davon abzugrenzen. Weiterhin fragt er, ob er bei Unterlassen einer Mitteilung haftbar zu machen ist.

Moralische Aspekte sollte man zwar immer im Hinterkopf haben, sind aber bei der Beantwortung seiner Frage nicht hilfreich. Hier geht es um eine (rein) rechtliche Bewertung.

Aus meiner Sicht hat er in der geschilderten Situation keinerlei Hinweispflicht gegenüber dem Eigentümer, einer Behörde oder wem auch immer. Dies wäre erst dann der Fall, wenn ein Schadenseintritt augenscheinlich unmittelbar bevor steht oder bereits eingetreten ist. Das Unterlassen des "Hinweises" (dann letzendlich ein "Notruf") wäre "unterlassene Hilfeleistung". In diesem Fall gilt für ihn (wie für jeden anderen): 112 rufen.

Natürlich soll (bzw. moralich muß) er seinen Freund hinsichtlich der Gefahren aufklären - rechtlich kann man ein Tätigwerden von ihm jedoch aus meiner Sicht nicht verlangen. Ein Arzt muß ja auch nicht jedem Raucher die Zigarette aus dem Mund schlagen, weil Rauchen zu einem Schaden führen kann (und er als Fachmann das wissen müsste). Wenn der Raucher aber mit einem Herzinfarkt auf der Straße liegt, dann muß er (wie jeder andere) helfen.

Bei der Abwandlung des Falles ("Fachmann" mit Auftrag im Haus) sieht die Sache tatsächlich etwas anders aus: Hier muß der Fachmann Mängel, die zu einem erheblichen Schaden führen können und die er im Rahmen seiner Tätigkeit hätte sehen müssen, dem Auftraggeber mitteilen, auch wenn es nicht zu seinem eigentlichen Auftrag gehört (z.B. Installateur soll Gastherme in einer Wohnung entkalken und bemerkt, daß Zuluftöffnungen in Tür/Wand verklebt sind - Gefahr einer CO-Vergiftung). Natürlich tut er gut daran, dies schriftlich zu machen. Auch hier gilt (wie oben): Bei Gefahr im Verzug ist ggf. sofortiges Handeln erforderlich.

Dem "hätte sehen müssen" sind hier aber sehr enge Grenzen in Bezug auf seinen Auftrag gesetzt (z.B. das Leck in der Gasleitung im Keller des Hauses, nee, das konnte er nicht sehen).

Eine Mitteilung an eine Behörde ist in diesem Fall jedoch ebenfalls nicht verpflichtend. Eine Meldepflicht gibt es ja noch nicht einmal für Sachverständige, die Anlagen nach TPrüfVO prüfen - und was meinen Sie, was die so jeden Tag sehen?

Gruß

Werner Müller

Benutzer_852

Hallo zusammen,

vermutlich diskutieren hier keine Architekten.

Jeder Arschi sollte mal was vom Begriff des ´Faktischen Bauleiters´ gehört haben. Jeder Arschi haftet immer und überall, auch ohne direkten Aufrag und Honorar. Freundschaftsdienste, ein kurzer Blick in die Baugrube bei einer Geburtstagsfeier usw. Die Freundschaft hört dann oft beim Geldbeutel auf.

Hierzu gibt es jede Menge Urteile! Der Arschi hat dem Hausverkäufer nicht die richtige Frage gestellt, er hätte sehen müssen, dass die Kellerabdichtung ohne Grundierung aufgetragen wurde usw.

Hartnäckig halt sich auch die Geschichte vom Architekten, dem nachgewiesen wurde, dass er auf der Fahrt zur Arbeit an einer Fremdbaustelle vorbeikam, wo entgegen aller UVV´s auf einem Gerüst gewerkelt wurde. Der tödliche Unfall wurde dann auch seine Sache.

Der Arschi haftet immer und überall, vor Gericht wird einfach erwartet, dass er mit seinem allumfassenden Fachwissen alles hätte erkennen und verhindern müssen.

Und wenn er dann den Bauherrn informiert, muss er es so machen, dass es auch eine Kuh verstehen könnte, sonst haftet er trotzdem, wenn er keine Versicherung mehr hat, dann mit seinem Privaten.

Tipp am Rande: immer einen versicherten Arschi einschalten, eine bessere Versicherung hat keiner am Bau und die Arschis haften sogar, wenn der Schadensverursacher über alle Berge ist. (Jeder Arschi ist ein kleiner Masochist..ha..ha..ha!!)

Daher sind die Versicherungsprämien in den letzten Jahren angemessen um 1000% gestiegen und die meisten Anbieter haben sich zurückgezogen.

Soweit mein Bericht aus einer fernen Welt.

Draußen scheint die Sonne zu scheinen...

T.Q.

Benutzer_99

Autor: Alexander hallo Flamme 1

Ich kann Ihre Aussage nicht nachvollziehen.

Wenn Sie Recht haben sollten, würde ich jedem Architekten empfehlen nur noch mit einer Augenbinde aus dem Haus zu gehen. Ansonsten ist er nur noch bei der Behörde um die vielen Unzulänglichkeiten oder Mängel zu melden. Eigentlich müsste das bei Brandschutzmängeln erst Recht auf die Brandschutzplaner zutreffen.

In Bezug auf Brandschutzmängel fallen mir viele Beispiele ein: die Schule meines Sohnes, der Kindergarten in meinem Dorf, fast alle Gaststätten die ich kenne, einige Hotels und die vor allem älteren Wohnhäuser ganzer Straßenzüge in jeder Stadt.

In einigen Fällen habe ich allerdings entsprechende Hinweise an den Betreiber gegeben (Kindergarten und Schule).

Es gab mal einen Spanischen Ritter mit seinem Knappen (der mit den Windmühlen).

Ich will Sie nicht ärgern aber die Verantwortung hat nach meiner Auffassung immer der Betreiber. Sie kommen erst ins Spiel wenn sie einen entsprechenden Auftrag vom Betreiber angenommen haben oder den Bauherren ggf. kostenlos beraten.

mit freundlichen Grüßen

Alexander

Benutzer_822

Hallo Herr Müller,

ich finde mich von Ihnen gut verstanden und nicht widersprochen. Ich habe das Verfahren nur anders herum aufgezogen, um die Pflichten und Nichtpflichten aufzuzeigen.

Auch an der Äußerung der "flamme1" ist eine Menge dran, nur daß statt "Arschi" hier jeder am Bau beteiligte Fachmann" steht. Die "Arschis" erwischt es eher, weil sie gemäß "Bauvorlageberechtigung" einerseits einen Heiligenschein, andererseits aber ausgesprochen die A``Karte haben. Die anderen Sachkundigen und Sachverständigen trifft es, jeden im Rahmen

s e i n e r Tätigkeit. Aber n u r bei erkennbarer konkreter Gefahr. Und das reduziert das Eingreifgeschehen schon ziemlich. Wegschauen hlft nicht.

mfg Schächer

Benutzer_911

Hallo Herr Schächer,

hallo Herr Müller,

das ganze war sicherlich bewusst formuliert (das berufliche wurde von mir ausgegrenzt). Mir geht es hierbei um die rein rechtliche Situation und die betrifft uns wohl alle. Auch die ?konkrete Gefahr? war bewusst gewählt und selbstverständlich habe ich meinem Freund über die möglichen Gefahren aufgeklärt.

Die Vergleiche jedoch mit dem Arzt und den Zigaretten und dem zu schnell fahrenden Auto ist meiner Meinung nach Quatsch. Jeder Raucher weiß, dass es schädlich ist zu rauchen und gefährdet sich selbst und wenn einer mit einem Auto mit 100 Sachen durch eine Fußgängerzone rast zeige ich diesen Idioten an.

Aber tun wir das ganze doch mal anders betrachten, z.B. der zweite Rettungsweg würde fehlen. Laut der HE-HBO stellt das Fehlen des zweiten Rettungsweges eine konkrete Gefahr dar, die die Bauaufsichtsbehörden bei Kenntnis der Gefahrenlage zum Handeln verpflichtet. Und wie wir wohl alle wissen ist mit einem Brand ?immer? zu rechnen. Herr Müller schreibt, dass die Hinweispflicht erst gegeben ist, wenn ein Schadenseintritt augenscheinlich unmittelbar bevor steht.

Wieso sollte ich bei ?konkreter Gefahr? nur beruflich verpflichtet sein einzugreifen? Es geht ja hierbei nicht um irgendwelche Revisionsklappen die falsch eingebaut wurden, welches ich nicht unbedingt sofort erkennen kann, sondern wie gesagt um eine konkrete Gefahr und somit um Menschenleben.

Gruß S.Schmidt

[gelöscht]

Hallo Forum,

Zu diesem Thema wird es wohl keine allgemeinverbindliche Antwort geben. Es kommt immer darauf an, wer und warum einen im Fall der Fälle versucht ans Bein zu ?p....? Ich bin z.B. auch als Sicherheitsingenieur ausgebildet. Ich müsste bei einer Baubegehung, bei der ich mich auf den Brandschutz konzentriere eigentlich jede Absturzgefährdung beseitigen lassen. Was man da zu sehen bekommt und wo man selbst ?herumturnt? ist manchmal schon sehr arg.

Ich kann dann z.B. 4 Std. für die den Brandschutz abrechnen, aber ich bekomme keine Minute für die anderen Mängel. Wenn ich was sehe, es dem Bauleiter sage, muss ich es dann auch dokumentieren. Ansonsten kann ich auch schon wieder schlechte Karten haben.

Ich hatte das tatsächlich mal so verbissen gesehen. Nachdem ich vermutlich ?Don Quichotte? den Rang abgelaufen bin, bin ich auch ruhiger geworden.

Besonders aufschlussreich finde ich Brandschutzseminare, wo auch die großen Namen im Brandschutz und auch Beamte von verschiedenen Bauaufsichten vertreten sind. Oft schon habe ich da erlebt, dass über verschlossenen Rettungswegtüren und andere Brandschutzmängel am Veranstaltungsort diskutiert (eigentlich gespottet) wurde, aber keiner, nicht einer ist an den Veranstalter herangetreten.

Viele Grüße R. Thieme